Donnerstag,
29. Juni 2017
Völlige
Windstille herrschte am Morgen, und schon schwirrten wieder die
Mücken um uns herum. An den letzten Tagen hatten wir genug
gefaulenzt, jetzt wollten wir weiterziehen. Heutiges Ziel:
Petrosawodsk, die Schwesterstadt von St. Petersburg.
Schon
nach nicht einmal 20 km Fahrt prangte ein Sperrschild am Straßenrand.
Ein Schild darunter informierte darüber, dass die Brücke in 18 km
Entfernung zerstört ist. Wir versuchten es trotzdem. Nach 6 km
Schotterpiste tauchte ein weiteres Sperrschild auf. In 12 km „Brücke
zerstört“. Lt. Navi gab es keine nutzbare Umgehung. Also kehrten
wir um und fuhren zurück zur M18, die übrigens schon seit 2010 R21
(russisch P21) heißt. Aber beim Verlag Reise-Know-How interessiert
das offenbar niemanden. In der Karte von 2013 steht immer noch M18.
nur noch 1030 km bis Murmansk |
auf der P21 |
Petrosawodsk,
Hauptstadt der Republik Karelien, zählt mehr als 260000 Einwohner
und liegt am Südufer des Onega-Sees.
Per
Internet fanden wir einen kleinen, etwas versteckt liegenden
Campingplatz mit neuen, sauberen Duschen und Toiletten (Koordinaten:
61.786749 / 34.397625)., www.nord-camping.ru).
Oxana, die junge und perfekt deutsch sprechende Rezeptionistin,
kümmerte sich liebenswürdig um uns und nahm uns sogar mit zu einem
Stadtbummel.Sie buchte uns auch die Tickets für die morgige
Schiffsfahrt zur Museumsinsel Kischi.
Zusammen
mit holländischen Globetrottern,(Gonda und Piet), die am Nachmittag
eingetroffen waren, aßen wir am Abend typisch russische Pelmeni und
köstlichen Salat. Wenn Reisende zusammen sitzen, gibt es natürlich
auch viel zu erzählen.
Wir
können den CP empfehlen, auch wenn er (noch) nicht ganz westlichem Standard
entspricht. Dafür bezahlten wir auch nur 500 Rubel (reichlich 7
€).Vom Platz bis zu den Schiffsanlegestellen läuft man nur 5 bis
10 Minuten. Dort schließt sich eine schöne Uferpromenade in
Richtung Stadt an.
Standort: N 61° 47' 10.6" E 34° 23' 48.6"gefahrene Strecke: 206 km
Hotel "Nord" in Petrosawodsk |
Theater |
Gedenkstätte für die namenlosen Gefallenen des 2. Weltkriegs |
Zar Peter der Große, welch eine Geste... |
Uferpromenade |
Freitag,
30. Juni 2017
Köstliche
Blini mit süßer Sahne zum Frühstück! Herrlich!
Mit
den netten Holländern verstanden wir uns blendend. Zusammen fuhren
wir um 12 Uhr mit einem Tragflügelboot zur Insel Kischi. Für die 70
km benötigte das schnelle Boot lediglich 75 Minuten. Auf der Insel
betreute uns Alexey, ein junger Russe, der sehr gut deutsch spricht.
Tragflügelboot "Meteor" |
Schiffsuhr, drei vor zwölf |
Blick zum Heck |
Hauptattraktion
der Insel ist die riesige, 35 m hohe hölzerne Verklärungskirche.
Sie wurde 1714 erbaut, wobei außer zur Befestigung der 30000
Schindeln aus Espenholz kein einziger Nagel verwendet wurde. Schade
nur, dass von den 22 Zwiebeltürmen einige nicht zu sehen waren, da
die Kirche seit Jahren aufwändig rekonstruiert wird. Man hofft, die
Arbeiten bis 2019 abschließen zu können. Der gesamte Komplex alter
Holzkirchen und -häuser, die größtenteils von anderen Orten
hierher transportiert wurden, gehört seit 1990 zum UNESCO-Welterbe.
bewohnte Inseln |
UNESCO-Welterbe auf Kischi |
ein Schild mit einer Terrorismus-Warnung begrüßt uns auf der Insel |
Alexey
wusste viele interessante Dinge zu erzählen: Wie die Menschen früher
hier lebten und arbeiteten, wie die Holzgebäude errichtet und
genutzt wurden usw. usf. Auf jede unserer zahlreichen Fragen wusste
er eine passende Antwort.
Besonders
beeindruckte, ja bewegte mich der Gesang dreier in lange, schwarze
Kittel gekleidete Männer (keine Mönche), die in einer mehjrere
hundert Jahre alten Kapelle unglaublich gefühlvoll ein altes
russisches Lied sangen. Ich kann nicht sagen, warum mir dieser Gesang
so zu Herzen ging, obwohl ich kein einziges Wort verstand.
Ebenso
begeisterte uns das Glockenspiel einer weiteren kleinen Holzkirche.
Alexey konnte den Glöckner dazu bewegen, extra für uns die zehn
Glocken noch einmal zu bedienen, was natürlich manuell geschieht.
Wunderbar, wie die Melodie der Glocken mal laut und mal leise über
die grünen Wiesen hinaus auf den See schwebte.
im Hintergrund die Kirche, die z. Zt. restauriert wird |
großes Bauernhaus mit fast 400 qm Nutzfläche; darin lebten aber auch bis zu 20 Menschen |
dieses Detail findet man an fast jedem Haus; oben das Symbol für die Sonne, unten das für Fruchtbarkeit |
die Gästestube wurde nur selten genutzt |
Windmühle |
die Schindeln aus Espenholz werden grundsätzlich manuell hergestellt |
ein riesiges Kreuzfahrtschiff entlässt seine Gäste auf die Insel zum Glück erst, als wir die Insel schon wieder verlassen wollten |
das Kirchlein mit dem Glockenspiel |
Apropos
See. Der Onega-See ist nach dem Ladoga-See der zweitgrößte See
Europas. 250 km Länge und 91,6 km Breite ergeben eine Fläche von
9720 qkm. Er entstand erst vor 11000 Jahren während der
Weichsel-Eiszeit.
Der
Tag klang zünftig aus mit vom Chef des CP persönlich gegrilltem
Schaschlik. Noch lange saßen wir mit den beiden Holländern zusammen
und erzählten uns gegenseitig von unseren vielen Reisen.
Standort: N 61° 47' 10.6" E 34° 23' 48.6"
gefahrene Strecke: 0 kmSchaschlik |
Freitag,
1. Juli 2017
Juttas
Geburtstag. Zum zweiten Mal 33!
In
einem funkelnagelneuen Magnit-Supermarkt füllten wir unsere Vorräte
auf und verließen anschließend Petrosawodsk in Richtung Norden. Wir
waren froh, als wir die Stadtgrenze hinter uns hatten, denn wie in
vielen russischen Städten befinden sich die innerstädtischen
Straßen in bemitleidenswertem Zustand. Die Fahrt dort gleicht einem
Slalom um die tiefen Schlaglöcher herum.
Bei
Kondopoga bogen wir nach rechts ab. Wir wollten nicht ständig auf
der Magistral dahinrollen, sondern auf einer ebenfalls nach Norden
führenden Nebenstraße nach einem schönen Stellplatz Ausschau
halten. Kurz nach der hässlichen Stadt ging die Straße in eine
zunächst gut befahrbare Piste über. Dichter Wald säumte zu beiden
Seiten die Piste. Zu den umliegenden Seen gab es kein Durchkommen. Je
weiter wir fuhren, desto schlechter wurde der Weg. Nach vielleicht 25
km ohne einen einzigen befahrbaren Seitenweg sahen wir ein, dass wir
hier keinen Stellplatz finden würden. Erst in 50 oder 60 km trifft
diese Piste wieder auf die P21 (M18; ab jetzt werde ich die korrekte
Bezeichnung P21 verwenden). Es war also sinnvoller, wieder
umzukehren, als noch zwei oder drei Stunden über die Piste zu
hoppeln.
Gesagt,
getan. Wieder zurück auf der Magistrale, nahmen wir nach wenigen
Kilometern die Gelegenheit wahr, den eindrucksvollen Wasserfall
Kivach zu besuchen. Wer vermutet schon in diesem flachen Landstrich
ohne nennenswerte Erhebungen einen Wasserfall? Tatsächlich toben
jedoch gewaltige Wassermassen durch ein kleines Felsmassiv. Zu dem
Areal gehört ein kleines, liebevoll gestaltetes Museum, das
hauptsächlich der umgebenden Natur gewidmet ist.
Bis
zu einem CP war es dann nicht mehr weit. Im Wald versteckt an einem
der vielen Seen gibt es ein einfaches Hotel mit angeschlossenem CP,
genannt Camping „Sandal“. So ein Auto wie den Gecko und so
verrückte Leute, die auch noch darin schlafen wollten, hatte der
Chef wohl noch nie gesehen. Zunächst wusste er nichts mit uns
anzufangen, bis ihm nach längerem Überlegen einfiel, dass wir uns
ja dorthin stellen könnten, wo sonst manchmal Zelte stehen. Na
bitte, geht doch! 850 Rubel fanden wir dann aber schon heftig für
einen Platz fast ohne Infrastruktur. Wir blieben trotzdem und bauten
uns direkt am Seeufer auf. Von dort hatten wir einen herrlichen
Ausblick auf den See. Viel später beobachteten wir den fantastischen
Sonnenuntergang. Die Sonne war schon einige Minuten hinter den Bäumen
am gegenüber liegenden Ufer verschwunden, als noch immer ein
goldener Halbkreis über dem Wald schwebte. So eine Art Halo habe ich
noch nie gesehen.
Gegen
Mitternacht erlosch unser kleines Lagerfeuer und wir legten uns
schlafen, obwohl es so hell war, dass man hätte Zeitung lesen
können.
Standort: N 62° 21' 27.5" E 33° 59' 56.9"
gefahrene Strecke: 152 km
gefahrene Strecke: 152 km
Sonntag,
2. Juli 2017
Vor
unserer Abreise wollten wir unseren Wassertank auffüllen, doch die
Wasserhähne an einem Waschplatz gaben keinen einzigen Tropfen her.
Eine hilfsbereite Russin bemerkte unser Problem, telefonierte und
teilte uns dann mit, dass im Moment kein Strom da ist und deshlb auch
kein Wasser läuft. In einer halben Stunde würde alles wieder
funktionieren. Darauf wollten wir uns nicht verlassen und fuhren los.
Die
Sonne im Rücken ging es stetig nach Norden. Birken- und Nadelwälder
und immer wieder Sumpfgebiete wechselten sich ab. Die Landschaft
erinnerte stark an die Westsibirische Tiefebene. Auch schöne Seen
sahen wir häufig, aber, wie eigentlich immer, ohne jeden Zugang.
Zwei im Navi angegebene CPs existierten nicht bzw, der Zufahrtsweg
war mit großen Erdhaufen zugeschüttet.
Wir
schwenkten ab nach Osten in Richtung der Stadt Belomorsk, die, wie
schon der Name sagt, am Weißen Meer liegt. Die holprige Straße
dorthin verläuft auf der zweiten Hälfte entlang dem
Weißmeer-Ostsee-Kanal. Dort wurden wir endlich fündig. Direkt am
Kanal, der hier eher wie ein breiter Fluss wirkt, fanden wir einen
schönen Platz.
Wir
genossen die Abendsonne, die gegen 18 Uhr immer noch ordentlich
brannte. 22 Grad zeigte das Thermometer, und das 200 km vor dem
Polarkreis! Nicht zu fassen, aber schön.
Sobald
die Sonne hinter den Bäumen abtauchte, kamen die Mücken aus ihren
Verstecken. Wir ergaben uns und flohen ins Auto. Dort schrieb ich bis
Mitternacht an meinem Tagebuch, und das ohne jede Lampe oder Kerze.
Um 0:10 Uhr war es taghell. Weiße Nächte eben. Ich legte mich
schlafen, während in der Ferne ein Kuckuck wohl keine Ruhe fand und
seinen Ruf ertönen ließ.
Standort: N 64° 26' 46.6" E 34° 32' 34.7"
gefahrene Strecke: 289 km
Montag,
2. Juli 2017
Gestern fuhr kein einziges Schiff an
uns vorüber. Vielleicht gibt es hier ein Sonntags-Fahrverbot für
Schiffe? Heute hingegen tuckerten schon einige Boote und Schiffe
vorbei. Wir saßen den ganzen Tag in der Sonne und genossen die Ruhe.
Wir legten unser Thermometer in die Sonne. Es zeigte nach kurzer Zeit
48 Grad an. Entsprechend lief uns der Schweiß. Und das im hohen
Norden!
Dieser Kanal, an dem wir hier sitzen
und unser Leben genießen, bedeutete für viele Menschen den Tod. Auf
Stalins Geheiß wurde von September 1931 bis April 1933 dieser
Wasserweg erschaffen,der 227 km lang ist. Künstliche Abschnitte
verbinden Seen und Flüsse miteinander. Durch ihn ist es möglich,
von St. Petersburg per Schiff direkt bis in die Barentssee zu fahren.
Ohne den Kanal müssten Schiffe um ganz Skandinavien herum fahren und
müssten dabei 4000 km mehr zurücklegen. Für den Bau wurden damals
hauptsächlich Gefangene der Gulags eingesetzt. 50000 von ihnen
ließen auf Grund der unmenschlichen Arbeitsbedingungen und
unzureichender Nahrung und medizinischer Versorgung ihr Leben.
Deswegen wird der Kanal auch manchmal „Kanal des Todes“ genannt.
Am Nachmittag hatten wir ein ganz
typisches Erlebnis mit zwei jungen russischen Familien. Sie kamen mit
zwei Autos und einigen Kindern, setzten sich in einem Meter Abstand
direkt neben uns, sagten aber kein Wort und vermieden auch jeden
Blickkontakt. Bis auf die beiden Frauen tobten alle im Wasser herum,
wärmten sich dann in der Sonne wieder auf und schickten sich an,
wieder zu gehen. Zum Schluss schüttete einer der beiden Männer
einen kleinen Sack mit Holz auf den Holzhaufen, den ich am Vormittag
schon gesägt hatte. „For free“, meinte er und lächelte. Wir
waren wieder mal verblüfft. Immerhin konnten wir den Kindern noch
ein paar Kekse zustecken. Warum nur sind die Russen anfangs so
kontaktscheu???
Später hatten wir unseren Spaß beim
Füttern der Möwen, die unglaublich geschickt hochgeworfene
Brotstückchen noch während des Fluges mit dem Schnabel auffingen.
Manchmal geschah dies völlig lautlos, dann wieder mit lautem
Geschrei. Ein aufregendes und sättigendes Spiel für die Vögel,
lustig und unterhaltsam für uns.
Morgen werden wir weiter nach Norden
fahren und evtl. schon den Polarkreis überschreiten. Ihr werdet es
hier im Blog lesen, bleibt also schön neugierig...
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