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Samstag, 28. April 2018

Mit dem Frachtschiff über den Atlantik: Antwerpen – Liverpool – Halifax


Am Nachmittag des 15. April 2018 war es endlich so weit: Wir standen am Kai 1333 vor der riesigen ATLANTIC SEA. Über die gewaltige Laderampe betraten wir das Schiff. Nach einer kurzen Passkontrolle brachte uns der Sicherheitsoffizier zu unserer Kabine. Um auf die Höhe unseres Decks zu kommen, nutzten wir zwei verschiedene Fahrstühle, die uns jeweils fünf Etagen nach oben brachten. Unsere Kabine befand sich also in der 10. Etage in ungefähr 35 m Höhe über dem Wasser. Überrascht waren wir von der Größe der Kabine. Sie misst ca. 7 x 3 m, hat ein großes Fenster, das man aber nicht öffnen kann, ein geräumiges Bad mit Dusche und Toilette, zwei hintereinander stehende Betten, zwei Schränke, zwei Stühle und einen Schreibtisch. Klimaanlage und Frischluftzufuhr sorgen für das Wohlbefinden.

unsere geräumige Kabine

Nachdem wir unser Gepäck abgestellt hatten, begrüßte uns Piotr Kaminski, der polnische Kapitän. Wie alle hier an Bord trug er T-Shirt, eine Schlabberhose und Croqs an den Füßen. Ein Crew-Mitglied zeigte uns dann, wo wir die Messe (Speiseraum), die Brücke, den Konferenzraum, den Sportraum, die Sauna und die Wäscherei finden. Die langen Gänge und diverse Treppen wirkten anfangs schon etwas verwirrend, was sich aber schnell änderte.

Durch schwere Stahltüren gelangt man auf eins der Decks. Hier dürfen wir uns frei bewegen. Eiserne Treppen führen auf das oberste Deck. Wenn man da an der Reling steht und hinabschaut, kann einem schon erst mal etwas schwindlig werden. Immerhin befindet man sich dann in ca. 40 m Höhe, also wie auf dem Dach eines zehn- oder elfstöckigen Hauses.

schwere Stahltüren 

Die Mahlzeiten werden zu festen Zeiten eingenommen. Frühstück gibt es 8 Uhr, Mittagessen 12 Uhr und Abendessen 17:30 Uhr. Wir bekamen einen eigenen Tisch zugewiesen. Alle Mahlzeiten werden uns von den beiden mess man serviert. Beide stammen, wie auch fast die gesamte Crew, von den Philippinen. Insgesamt besteht die Besatzung aus Leuten fünf verschiedener Nationen: Polen, Russland, Ukraine, Bulgarien und Philippinen.

ein langer Gang führt zur Messe

Offiziere, Crew und Passagiere essen gemeinsam in der Messe
angekettete Stühle

Die erste Nacht an Bord artete fast zur Quälerei aus, da die Matratzen bretthart sind. Außerdem sind wir es gewohnt, immer bei geöffnetem Fenster zu schlafen, was hier an Bord aber eben nicht möglich ist.

Am Montag gegen 9 Uhr setzte sich das 296 m lange Schiff bei strahlendem Sonnenschein langsam in Bewegung. Zwei Bugsierschiffe brachten es in die richtige Position. Wir passierten die weltgrößte Schleuse und erreichten dann die Schelde, vorbei an den gewaltigen Hafenanlagen Antwerpens, dem nach Rotterdam zweitgrößten Hafen Europas. Für die Fahrt durch den Ärmelkanal hatte ich eigentlich mit ordentlich Seegang gerechnet, doch die Fahrt verlief erstaunlich ruhig. Das änderte sich allerdings schlagartig, als wir den Kurs von Südwest auf Nord änderten. Nun bekamen wir die doch schon beachtlichen Wellen breitseits und das Schif schaukelte beachtlich. Im Konferenzraum ist ein Gradmesser an der Wand angebracht, wo man die Neigung des Schiffes ablesen kann. 8,5 Grad war das Maximum. Das klingt zwar nicht viel, aber wenn man es nicht gewöhnt ist... Jutta ging es nicht ganz so gut bei der Schaukelei, aber dank der Reisetabletten, die sie eingenommen hatte, überstand sie diese Phase doch ganz gut.

die ATLANTIC SEA (Foto von Claus Schaefe)

unser Schiff wird beladen

im Hafen von Antwerpen

Unmengen von Autos warten auf ihre Verladung

Einfahrt in die weltgrößte Schleuse in einem Hafen


immer noch in Antwerpen

In der Nacht vom 18. zum 19.4. liefen wir in den Hafen von Liverpool ein. Dort machten wir zusammen mit den anderen Passagieren einen Abstecher in die City. Ein Taxi brachte uns bis fast vor die Tür des Cavern Club, den wir natürlich sofort enterten. Mehrere Treppen führten tief hinunter ins Kellergeschoss. Laute Live-Musik empfing im schwach beleuchteten Kellerraum. Das Publikum bestand aus überwiegend älteren Herrschaften, die offensichtlich in Erinnerungen an ihre Jugendjahre schwelgten. Die Füße wippten im Takt zu hauptsächlich Beatles-Songs, die der junge Mann auf der Bühne live sang. Hier begann also vor knapp 50 Jahren die steile Karriere der Beatles. Die damals noch völlig unbekannte Gruppe spielte 292 mal in der Zeit von Februar 1961 bis März 1963 in diesen Räumen. Heute kann man hier täglich bei Live-Musik sein Guinness-Bier trinken und Souvenirs kaufen.

es schaukelte schon ein bisschen...

im Ärmelkanal

Regenbogen in der Gischt der Bugwelle

heftiger Wind weht

Off-Shore-Windkraftanlage vor Liverpool

Bohrinsel

im Hafen von Liverpool


Cavern Club in Liverpool








Währenddessen liefen im Hafen die Ent- und Beladungsarbeiten an unserem Schiff auf Hochtouren. Die riesigen Kräne transportierten ohne Unterbrechung die Container hin und her. Autos verließen den Bauch des Schiffes, andere fuhren hinein. Das dauerte bis weit nach Mitternacht, bis dann von uns unbemerkt das Schiff den Hafen wieder verließ.

An den folgenden drei Tagen zeigten und erklärten uns der Kapitän und sein 1. Offizier das ganze Schiff. Es war unglaublich interessant, so ein riesiges Schiff besichtigen zu können. Es ist immerhin das weltgrößte ConRo-Schiff. Wirklich beeindruckend wirkten die gewaltigen Laderäume, wo man meinen könnte, in einer riesigen Werkhalle zu stehen. Sehr viel Fracht hat das Schiff z. Zt. nicht an Bord, dafür aber schwere und sehr wertvolle Ladung.

Blick zum Heck



dichter Nebel

auf der Brücke

Kapitän Piotr Kaminski

unser kleiner Gecko im Bauch des riesigen Schiffes

langer Gang zum Heck

riesige Frachträume


In schwindelerregender Höhe liegt auf einer 45-Grad-Rampe das 45 Personen fassende und angeblich unsinkbare Rettungsboot. Aus gut 20 Meter Höhe wird es ins Wasser fallen gelassen, wenn alle Mann an Bord sind. Bei einem Probealarm wurde das Anlegen der Rettungswesten geübt. Wer wollte, konnte auch den roten Neopren-Rettungsanzug anprobieren, der das Überleben im eiskalten Wasser des Nordatlantik für für bis zu einer Stunde sichern soll. Wir hoffen, dass wir all diese Dinge nicht wirklich brauchen werden.

Sammelplatz für den Notfall

das Rettungsboot...

...liegt auf einer Rampe
der Käpt'n in seinem Lebensrettungsanzug

das Anlegen der Rettungswesten wird geübt


Am beeindruckendsten fand ich jedoch den gewaltigen Motor des Schiffes. Der 8-Zylinder-Reihenmotor ist geschätzt 10 Meter lang und vielleicht 5-6 Meter hoch. Ein gewaltiges Getöse herrscht in dem riesigen Raum, in dem dieses Ungetüm unermüdlich seine Arbeit verrichtet. Hier ein paar technische Daten:
  • Leistung: 22000 kW
  • Verbrauch bei normaler Fahrt: 80 Tonnen Schweröl / Tag
  • Tankkapazität: 1600 Tonnen Schweröl
  • Motoröl-Verbrauch: 400 Liter / Tag
  • Kolbendurchmesser: 68 cm
  • Drehzahl bei normaler Fahrt: 90 Umdrehungen / Minute
Mit der gleichen Drehzahl dreht sich auch der Propeller am Heck des Schiffes. Die Verbindung zwischen Motor und Propeller stellt eine stählerne Welle mit ca. 70 cm Durchmesser her. Vier riesige Generatoren können den benötigten Strom produzieren. Das Schiff besitzt eine Meerwasser-Entsalzungsanlage mit einer Kapazität von 50 Tonnen Frischwasser / Tag. Es gibt eine komplette Schlosserwerkstatt mit einer Drehbank an Bord, um anfallende Reparaturen durchführen zu können. Und was uns auch noch auffiel: Es herrscht auf dem gesamten Schiff peinliche Sauberkeit! Kein Ölfleck, kein Putzlappen, nichts! Wir spürten, dass sowohl der Kapitän als auch sein 1. Offizier stolz auf ihr Schiff sind. Zu recht, wie ich meine.

der 1. Offizier erklärt die Steuerzentrale des Motors

Windgeschwindigkeit 88,6 km/h!

der gewaltige 8-Zylinder-Motor


die kleine Jutta am Zylinder 8

die Antriebswelle

Eines Morgens wurden wir schon sehr früh wach, weil das Schiff wieder heftig schwankte und in den 4 – 5 m hohen Wogen hin und her rollte. Weiße Schaumkronen riss der mit über 90 km/h über den Ozean brausende Sturm von den Wellenkämmen. Gut, dass die Schaukelei am späten Nachmittag wieder nachließ. Von da an lag das Meer sehr ruhig vor uns. Manchmal schien die Sonne, trotzdem mussten wir uns dick einpacken, wenn wir hinaus aufs Deck gingen. Der Wind brauste hier ständig sehr heftig und blies uns eiskalte Luft um die Ohren. Einmal trauten wir unseren Augen kaum, als wir in mehreren hundert Metern Entfernung Wasserfontänen aufsteigen sahen. Wale! Leider waren wir zu weit entfernt, dass wir die Tiere selbst hätten sehen können.

bei diesen Wellen schwankt das Schiff schon ganz schön




Sonnenaufgang vor unserem Fenster

Die Tage vergingen fast wie im Fluge. Die Crew war ständig freundlich, das Essen gut und sehr reichlich (mittags und abends warm mit Vorsuppe und Obst als Nachtisch), aber trotz des asiatischen Kochs fast ohne jede Gewürze zubereitet. Alkohol haben wir zugeteilt bekommen. Pro Person und Tag gab es zwei kleine Dosen bzw. Fläschchen, wobei man die Wahl hatte zwischen Bier (Oettinger Export, igittigit!), Rotwein oder Weißwein. Wasser, Kaffee und Tee konnte man trinken, so viel man wollte.

Heute ist nun der letzte Tag an Bord. Bei dickem Nebel und Regen steuern wir auf den Hafen von Halifax zu, den wir voraussichtlich gegen 20 Uhr erreichen werden. Das Schiff müssen wir auf jeden Fall nach Ankunft im Hafen verlassen, da es schon am frühen Morgen weiter nach New York fährt. Wenn wir Glück haben, können wir noch in der Nacht oder am Morgen unser Auto in Empfang nehmen. Es kann aber auch passieren, dass wir es erst am Montag, den 30.4. bekommen. Hoffen wir, dass beim Zoll und vor allem bei der Sauberkeitskontrolle alles reibungslos verläuft.

Wie es uns im Hafen und in Halifax ergangen ist, erfahrt Ihr dann im nächsten Bericht. Bis dahin bleibt schön neugierig!