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Donnerstag, 22. Dezember 2016

24 Grad und Sonne pur

Um es vorweg zu nehmen: Marrakesch hat uns nicht so sehr begeistert. Das lag sicher am kalten und regnerischen Wetter, zum anderen vielleicht auch an uns.

Doch der Reihe nach. Mit dem Taxi fuhren wir ins Stadtzentrum zum „Platz der Gehängten“. Dort begannen wir unseren Bummel durch die Medina, einem unüberschaubaren Gewirr aus größtenteils überdachten engen und dunklen Gassen und Gängen. Ein Verkaufsstand reiht sich an den nächsten.Gehandelt wird praktisch mit allem. Fast jeder Händler preist uns seine Waren an, Orangen, duftende Gewürze, Brot, Stoffe, Kleider, Schuhe, Lederwaren, aber auch uralte, verdreckte Fotoapparate und völlig abgetragene Klamotten.Ich tue meistens so, als würde ich ihre Worte nicht hören und nichts verstehen. Sobald man auch nur die kleinste Reaktion zeigt, haben sie dich schon am Haken und verwickeln dich in ein Verkaufsgespräch, und das manchmal ziemlich aggressiv. Es nervte zunehmend.

Manche Gewürzläden locken mit verführerischen Düften, zwei Ecken weiter stinkt es erbärmlich aus einem finsteren, verdreckten Hauseingang. Wir sind hin- und her gerissen.








Nach zwei Stunden spricht uns ein junger Bursche freundlich an und fragt, ob wir Interesse an einem Berber-Festival hätten, das in der Nähe stattfinden würden. Wir könnten dort richtig gute Fotos machen.

Gutgläubig trabten wir hinter ihm her, während er in gebrochenem Deutsch Smalltalk versuchte. Die Gassen wurden ein bisschen breiter und führten nun vorbei an den braunroten Häusern der Berber-Stadt. Wohlweislich versuchte ich, mir den Weg einzuprägen, schon ahnend, dass es Schwierigkeiten geben könnte. Letztlich landeten wir eben doch in einem Shop, in dem Lederwaren verkauft wurden. Das wollten wir ja aber auf jeden Fall vermeiden!

Vorher bekamen wir die Gerberei gezeigt. Zur Begrüßung bekam jeder einen Zweig frische Minze. Mit diesem unter der Nase konnte man den üblen Gestank,der über der ganzen Anlage hing, für einige Atemzüge vergessen. In vielen in den Boden eingelassenen Betonbecken stand dicke, graue Brühe, in der die Felle von Ziegen, Schafen, Kühen und Kamelen behandelt wurden, zuerst mit Kalkschlamm, dann mit Ammoniak.Fellfetzen gammelten in den Ecken vor sich hin. Vor einer Hauswand trockneten aufgehängte Kamelhäute. Und überall hing dieser widerwärtige Gestank in der Luft. Jutta kämpfte tapfer gegen den Brechreiz.

In einem weiteren Hinterhof stapelten sich Schaffelle zu großen, grauen Haufen. Man konnte kaum noch atmen, so bestialisch stank es. Wie mag es erst im Sommer bei großer Hitze sein? Wir sahen einem jungen Burschen zu, der in einem fast stockdunklen Raum mit krumm gebeugtem Rücken das Leder einer Ziege walkte. Arbeitsbedingungen, schlimmer als im Mittelalter. Unglaublich, wie die Menschen das aushalten.

Mit dem Wissen um diese unmenschlichen Zustände bearbeitete uns dann der Verkäufer in dem Shop, in dem Schuhe, Taschen und hauptsächlich Puffs (runde Sitzkissen) angeboten wurden. Wir sollten doch die hart arbeitenden Menschen in dieser Kooperative unterstützen. Schließlich kaufte ich doch einen Gürtel aus Kamelleder für viel zu viel Geld.

Richtig ärgerlich wurde es aber, als beim Verlassen des Ladens der Führer durch die Gerberei und der junge Schlepper auch noch energisch Geld verlangten. Sie baten nicht, sie forderten! Schließlich trat noch ein Dritter auf den Plan, der aggressiv Geld forderte. Um die Situation nicht endgültig eskalieren zu lassen, gab ich ihnen statt der geforderten zehn eben fünf Euro (Dirham wollten sie nicht!), woraufhin alle mit grimmiger Miene abzogen. Situation gerettet, Stimmung versaut.

Nun zeigte sich, wie hilfreich es war, dass ich mir den Weg genau eingeprägt hatte, denn unser Führer war ja verschwunden. Ohne weitere Probleme langten wir wieder am Ausgangspunkt an.

Berberstadt







Wieder zurück in der Medina spülten wir unseren Ärger in einem kleinen Cafe mit köstlichem Tee runter. Vom zweiten Stock beobachteten wir das bunte Markttreiben unter uns. Unsere Stimmung besserte sich noch einmal, als wir jeder eine wunderbare Tajine serviert bekamen. Jutta aß vegetarisch, ich hatte Rindfleisch mit Zitrone. Ein nie gekannter, aber sensationell guter Geschmack.



Später versuchten wir einige der Sehenswürdigkeiten Marrakeschs zu finden, doch kam ich mit der Beschreibung eines Stadtrundgangs im Reiseführer einfach nicht klar. Schade, sehr schade! Wir waren auch ziemlich pflastermüde und doch ziemlich genervt vom ständigen Abwehren der Verkäufer und Händler.




Den Abend verbrachten wir gemütlich zusammen mit den beiden Bayern Ritchie und Hermann, die mit einem komfortablen MAN unterwegs sind. Es gab viel zu erzählen. Auch sie haben eine interessante Web site: www.bayerman-on-tour.de

Nur 4 Grad am nächsten Morgen (18.12.2016) erleichterten uns den Entschluss, wieder zurück an die Atlantikküste zu fahren, wo es doch entschieden wärmer ist. Bis Essaouira waren es 174 km, wo wir uns auf einem großen Parkplatz hinter den Dünen neben rund 20 WoMos ein Plätzchen für die Nacht suchten. Wir liefen noch 2 km bis zur nahen Stadt und genossen dort bei einem Tee den schönen Sonnenuntergang.



Eine landschaftlich sehr reizvolle Strecke führte uns durch viele Kurven und über einige Hügel nach Imessouane, dessen Campingplatz schön auf der Steilküste liegt. Direkt davor erfreuen sich viel Surfer an den grandiosen Wellen.










Am 20.12. machten wir einen Abstecher durch das Paradise Valley (Paradiestal) bis hinauf in eine Höhe von 1200 m bis zu den dortigen Kaskaden. Wir wollten natürlich keinen Guide haben, um vom Parkplatz zum Wasserfall zu laufen. Aber Mohammed, der sehr gut Deutsch spricht, lief einfach vorweg und ließ sich auch durch meine Ablehnung nicht abhalten. Der große, 95 m hohe Wasserfall führt schon seit drei Jahren kein Wasser mehr. Mohammed kletterte mit uns über Felsen hinauf zu einem kleineren Wasserfall.

Obwohl wir es hier nun wirklich nicht erwartet hatten, landeten wir auch hier nach mühseliger Kraxelei und der Überquerung eines Baches vor einigen Verkaufsständen. Mohammed lud uns schließlich noch in seine selbst gebaute, dunkle und kalte Hütte ein. Er servierte uns Brot, bestrichen mit einer Paste aus Arganöl und Mandeln. Den Namen dieser sehr gut schmeckenden Pate habe ich leider vergessen.

Als wir ihn nach seinem Lohn fragten, traute ich meinen Ohren kaum. Er meinte, manche Leute würden 100 Euro geben, um seine Familie zu unterstützen. Wir gaben ihm 400 DH, was einen Stundenlohn von rund 20 Euro bedeutete. Immerhin führte er uns an Stellen, an die wir ohne ihn nie gelangt wären und erkärte uns vieles anschaulich. Trotzdem blieb ein schaler Beigeschmack... Die Nacht verbrachten wir in fast unheimlicher Stille auf dem CP von Aourir.









Nur 100 km weiter nach Süden fuhren wir am 21.12. bis nach Aglou, wo wir nun auf einem großen CP mit fast ausschließlich französischen WoMos stehen. Herrliche 23 Grad Wärme und Sonne pur verwöhnen uns hier. Am Nachmittag bummelten wir hinunter in den kleinen Ort. Auf der hübschen Strandpromenade verstand man kaum noch sein eigenes Wort, solchen Höllenlärm verursachten die heranbrausenden Wellen. Ihre Gischt zerstob zu feinem Nebel, der hinüber zu den nahen Bergen zog.Die tiefer sinkende Sonne tauchte die gesamte Landschaft in ein fast unwirkliches oranges Licht.

Heute (22.12.) genossen wir wieder das traumhafte Wetter. Blog schreiben, Auto abschmieren, in der Sonne sitzen und keinerlei Weihnachtsstress. Herrlich!

Morgen wollen wir noch weiter in den Süden fahren und uns dort am über 100 km langen Plage Blanche einen Stellplatz für die nächsten Tage suchen. Dort werden wir vermutlich keinen Zugang zum Internet haben, so dass wir uns erst später wieder hier im Blog melden werden.

Bis dahin bleibt schön neugierig...