Freitag,
16. Juni 2017
Bei
wiederum strahlendem Sonnenschein brachen wir auf. Wir folgten der A1
gen Norden. In Salacgrive tankten wir und kauften noch mal ein, da
das Leben in Estland vermutlich etwas teurer sein wird.
Ein
Foto an der Grenze mit dem Landesschild Estlands musste entfallen, da
es kein solches gab. Witzig fand ich, dass in den ehemaligen
Grenzabfertigungsgebäuden nun Spezialmärkte für Alkoholika
untergebracht sind.Die bisherige A1 heißt in Estland einfach 4. Ihr
folgten wir zunächst bis nach Pärna, um uns dann auf kleinen
Sträßchen immer entlang der Küste zu bewegen.
Unterschiede
zu Lettland bemerkten wir zunächst kaum. Lediglich die Ortsnamen
muteten schon fast finnisch an mit vielen ä und ö, und diese
möglichst auch noch doppelt. Kein Wunder, denn Estnisch und Finnisch
gehören der gleichen Sprachgruppe an.
Auch
hier in Estland ist es schwierig, einen Stellplatz am Strand zu
finden, da sich fast alles in privater Hand befindet. Die Grundstücke
hier erwecken alle einen sehr gepflegten Eindruck, noch schöner als
in Lettland.
Laut
Karte und Navi sollte sich bei Kulli ein Campingplatz befinden. Den
fanden wir auch. Ein wunderschöner Platz direkt am Meer, das Gras
frisch gemäht, aber das Tor war verschlossen und niemand war zu
sehen. Schließlich fanden wir doch einen jungen Mann, der an einem
der etwas älteren, aber hübschen Holz-Gästehäusern herumwerkelte.
Er sprach gut englisch, telefonierte mit der Besitzerin und meinte
dann ganz freundlich, wir könnten für 3 Euro pro Person und Nacht
bleiben.
Wieder
einmal hatten wir einen riesigen Platz für uns ganz alleine. Schnell
stellte sich jedoch Gesellschaft ein, unangenehme Gesellschaft! Ganze
Mückenschwärme lechzten nach unserem Blut! Und am Abend würden es
noch viel mehr werden, prophezeite der junge Mann. Das kann ja heiter
werden.
Später
liefen wir hinüber zum total flachen Strand. Unglaublich, das Wasser
hatte fast Badewannentemperatur, geschätzt 27 bis 28 Grad. Klar, es
war nur wenige Zentimeter tief und die Sonne ballerte wie verrückt.
Weiter draußen, so ca. 50 bis 70 Meter, wären es 16 Grad, hatte der
junge Mann schon angekündigt.
Am
Abend spazierten wir ein paar hundert Meter hinüber zu einem kleinen
Motel, das aber noch geschlossen war. Auch hier alles wunderschön
angelegt. Das Meer lag ruhig wie ein Spiegel vor uns. Auf einer
kleinen Insel in 200 m Entfernung schnatterten und kreischten Vögel.
Wir gingen zurück, standen noch eine Weile am Strand und genossen
die nun herrschende unglaubliche Stille. Es war ein Paradies! Wenn
nur die verdammten Mücken nicht gewesen wären! Noch ein bisschen in
der Dämmerung draußen sitzen ging einfach nicht. Spray und
Moskitospiralen schienen die Biester noch anzulocken.
ein riesiger Platz ganz allein für uns |
Wasser - warm... |
...und flach |
Standort:
N 58.43060 E 23.68850
gefahrene
Strecke: 142 km
Sonnabend,
17. Juni 2017
Selbst
am frühen Morgen flogen die Mücken ihre Attacken. Gern wären wir
hier noch einen Tag länger geblieben, aber leider...
Als
wir weiterfuhren, staunten wir immer wieder über die sehr gepflegten
Grundstücke und Häuschen, die da und dort hauptsächliche im Wald
auftauchten. Wir erreichten die 10 und bogen dann auf die 31 ab. Oft
warnten Schilder vor Elchen, doch leider sahen wir keinen dieser
Kolosse.
Kurz
vor Haapsala wurden wir gestoppt. Ein großer Pulk Radrennfahrer
preschte an uns vorüber. Es müssen weit über hundert Fahrer
gewesen sein, wahrscheinlich alles Amateure, denn Begleitfahrzeuge
gab es, außer den beiden Vorauswagen, keine.
Nach
9 km auf der 9 zweigten wir nach Norden ab, bis wir bei Elbiku einen
Campingplatz ansteuerten. Zum wild Campen gab es wieder keine
Möglichkeit. Was wir fanden, war kein richtiger CP. Es nannte sich
„Roosta Conference and Holiday Village“ (www.roosta.ee).
35 oder noch mehr dunkelrot gestrichene Holzhäuser verteilten sich
locker in einem Kiefernwald. Neben den asphaltierten Wegen gab es
einige kleine Plätze für jeweils ein Wohnmobil. Nicht gerade unser
Stil, aber für eine Nacht und 13 Euro ganz ok.
Zum
wiederum herrlichen, fast weißen breiten Sandstrand waren es nur 200
m Fußweg. Ein Surfbrettverleih machte noch keine großen Umsätze,
da nur wenige Gäste den Strand bevölkerten. Direkt vor unserem
Stellplatz lag das Ende eines scheinbar doch recht langen
Kletterparcours hoch in den Bäumen. Einige Mutige nutzten die
Gelegenheit.
Einen
Schreck jagte Jutta uns ein, als sie die Hecktür vom Gecko zuwarf
und anschließend meinte: „Den Schlüssel hast du doch, oder?“
Ich hatte ihn natürlich nicht einstecken. Stattdessen lag er im nun
rundum verschlossenen Auto. Na prima! Alles war aber nur halb so
schlimm. Mit einem Trick, den ich hier natürlich nicht verraten
werden´, konnte ich doch das Auto wieder öffnen. Ohne diesen Trick
hätten wir erst mal ein richtiges Problem gehabt.
Spät
am Abend spazierten wir noch mal hinunter zum Strand. Spiegelblank
lag das Meer vor uns. Kaum eine Welle kräuselte die spiegelnde
Wasseroberfläche. Tiefe Stille umgab uns, kein Lüftchen regte sich.
Was für ein krasser Gegensatz zum Sturm an den letzten Tagen. So
ruhig hatte ich noch nie ein Meer gesehen. Es war schon nach 22 Uhr
und die Sonne schickte sich an, hinter dem Horizont abzutauchen.
Unglaublich zarte Farben umspielten den orangeroten Feuerball, dessen
Strahlen immer noch ein bisschen wärmten. Blassblau über
Hellviolett und leicht grünliche Töne bis zu dunklem Grau tief
unten an der Horizontlinie ergaben ein so erhabenes und auch
beruhigendes Bild, wie es kein Maler sich je erdenken könnte. Weit
draußen auf dem Meer schickte ein Fischerboot sein tiefes,
gleichmäßiges Brummen zu uns ans Ufer. Langsam, sehr langsam sank
die nun rotglühende Sonne immer tiefer, bis sie um 22:40 Uhr
endgültig verschwunden war. Was für ein Schauspiel, das wir erleben
durften!
Zurück
am Auto holte uns die Wirklichkeit schnell wieder ein. Einige Russen
feierten bei lauter Musik bis weit in den Morgen hinein.
Standort: N 59.15735 E 23.51928
gefahrene Strecke: 119 km
Sonntag,
18. Juni 2017
Trotz
bedeckten Himmels beschlossen wir, einen weiteren Tag hier zu
verbringen. Allerdings zogen wir an eine viel schönere Stelle um,
direkt hinter den flachen Dünen am Strand. Hier störte uns kein
Lärm der anderen Gäste, dafür hörten wir das Rauschen der Wellen,
die die ruhige See von gestern Abend abgelöst hatten. So gefiel uns
das schon viel besser!
Am
Nachmittag kamen zwei junge lettische Familien vorbei und
interessierten sich für unser Auto und die Route von 2015, die ja
noch auf den Seitenflächen klebt. Mit Englisch konnten wir uns gut
verständigen. Als ich über die Freundlichkeit der Menschen in
Zentralasien sprach, sagte einer zwei bemerkenswerte Sätze: „Gehst
du freundlich auf die Menschen zu, werden sie auch freundlich zu dir
sein. Kommst du als Idiot, wirst du nur auf Idioten treffen.“ Das
sollte sich so mancher Tourist hinter die Ohren schreiben!
Am
Abend wollten wir duschen gehen. Dazu mussten wir an der Rezeption
den Schlüssel holen. Da die Dusche schon belegt war, bekamen wir den
Schlüssel für die Sauna, die wir sogar benutzen durften. Kostenlos!
Das hätte sonst 25 Euro gekostet. Wir ließen es uns nicht zweimal
sagen und genossen es.
Wieder
am Gecko angelangt, entzündete ich ein kleines, gemütliches Feuer.
Das Holz hatte ich schon am Nachmittag gesägt. In Ermangelung von
Birkenrinde dienten trockene Kiefernnadeln als Starter. Funktionierte
einwandfrei. Doch kaum loderten die Flammen lustig empor, als der
Regen einsetzte. Schade. Wir verzogen uns ins Auto und horchten bald
an den Isomatten.
dieser Platz gefiel uns schon viel besser |
eine harmlose Blindschleiche kroch direkt unter unseren Stühlen entlang |
gefahrene Strecke: 0 km
Montag,
19. Juni 2017
Die
Regenwolken waren verschwunden. Die Sonne brannte schon am Vormittag
vom wolkenlosen, dunkelblauen Himmel. Kaiserwetter oder, wie wir
früher gesagt haben (als wir noch jünger waren), Wetter zum Helden
zeugen.
Wir
wanderten ein ganzes Stück den Strand entlang. Außer einem Pärchen
mit einem riesigen wolfsartigen Hund sahen wir keinen Menschen.
Im
Wasser waberten direkt am Ufer schwarzgrüne Algen. Wer ins Wasser
will, muss erst durch diese eklige Brühe hindurch waten. An manchen
Stellen lagerte sich das Zeug auf dem Sand ab und bildete dort fast
schwarze, übel riechende Haufen. Aber was soll`s. Das ist Natur.
Wir
sahen viele kleine verendete silbrige Fischchen auf dem Sand liegen.
Ob das Sprotten waren? Nur Bernstein fanden wir keinen. Dafür stehen
die Chancen in dieser Jahreszeit wohl eher schlecht. Im Herbst und
Winter findet man ihn eher.
Die
Sonne brannte. Eine leichte Brise brachte willkommene Abkühlung.So
einen herrlichen Tag wollten wir nicht im Auto sitzen und fahren.
Also verlängerten wir noch einmal um eine Nacht.
Den
Nachmittag verbrachten wir lesend und in der Sonne dösend. Einfach
herrlich! Diesmal störte auch kein Regen unser abendliches
Lagerfeuer. Nervig war lediglich der stärker werdende Wind, der
ständig seine Richtung änderte, wodurch wir vom Rauch des Feuers
regelrecht geräuchert wurden.
duftende Heckenrosen |
gefahrene Strecke: 0 km
Dienstag,
20. Juni 2017
Regen
trommelte aufs Geckodach und weckte uns. Tallinn, das frühere Reval
und die Hauptstadt Estlands, war unser heutiges Ziel. Nur knapp 100
km lagen vor uns.
Grün,
so weit das Auge blickte. Wälder, hauptsächlich aus Kiefern
bestehend, Wiesen und Weiden zogen an uns vorüber. Hier und da ein
Dorf oder auch nur einzelne Häuser. Ab und zu auch auch verfallene
Stall- und Wirtschaftsgebäude von früheren Kolchosen oder auch
verrottende Fabrikhallen aus Sowjetzeiten.
Schnell
fanden wir im historischen Stadtkern Tallinns einen sogar kostenlosen
Parkplatz. Wieder einmal hatte sich die Sonne durchgesetzt und
schenkte uns gutes Licht zum Fotografieren. Außerdem wärmte sie uns
ein bisschen, denn es hatte sich merklich abgekühlt und ein
kräftiger Wind blies durch die alten Gassen.
Rund
um den Rathausplatz walzten die Touristenmassen über das alte
Pflaster.Auch hier treten Asiaten mit ihren unmöglichen
Selfie-Sticks in unglaublichen Mengen auf. Wir bummelten durch die
alte Stadt, betraten und bewunderten zwei Kirchen und andere uralte
Gebäude. An vielen Stellen findet man Infotafeln in estnischer und
englischer Sprache, auf denen man sehr häufig deutsche Namen
ehemaliger Bewohner liest. Die Deutschen spielten eine große Rolle
in der wechselvollen Geschichte der Stadt.
Will
man in einem der vielen Restaurants rund um den Rathausplatz etwas
essen, muss man eine dicke Brieftasche mitnehmen. Dort nimmt man
schon fast utopische Preise. Nichts für uns. Ein paar Straßen
weiter kann man für wesentlich weniger Geld satt werden.
Rathausplatz in Tallinn |
Blick über die Stadt |
Touristen-Gewimmel |
Freiheitsdenkmal |
sowjetische "Baukunst" |
russische Baukunst |
Ca.
30 km östlich der Hauptstadt suchten wir nach einem Campingplatz.
Der erste lag direkt am Meer. Der einzige windgeschützte Platz war
schon besetzt. Als nächstes fanden wir einen wunderschön angelegten
Platz auf einem riesigen Privatgrundstück. Highlights waren hier die
großen erotischen Holzplastiken. 20 Euro für eine Nacht schreckten
uns dann aber doch ab. Zehn Kilometer weiter fanden wir dann endlich
einen idyllischen Platz des RKM (staatliche Forstverwaltung) an einem
kleinen, verschilften Teich mitten im Kiefernwald. Die hohen Bäume
boten Schutz vor dem heftigen Wind. Auch hier standen wir wieder ganz
alleine.
Einen
Wermutstropfen gab es heute doch. Ich musste feststellen, dass die
GoPro-Actioncam eine Macke hat. In ausgeschaltetem Zustand entlädt
sie einen voll geladenen Akku in weniger als einem Tag. Ich habe wohl
einfach kein Glück, wenn ich irgendwelche Technik kaufe...
Im nächsten Bericht könnt Ihr lesen, ob und wie gut wir die estnisch-russische Grenze passieren konnten und wie es in Russland weitergeht. Bleibt also weiterhin schön neugierig...
Im nächsten Bericht könnt Ihr lesen, ob und wie gut wir die estnisch-russische Grenze passieren konnten und wie es in Russland weitergeht. Bleibt also weiterhin schön neugierig...
noch idyllischer geht es doch kaum, oder? |
gefahrene Strecke: 163 km
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