Eine lange Durststrecke liegt hinter
uns. Euch Leserinnen und Leser dürstete es nach neuem Lesestoff und
wir Reisende lechzten nach Sonnenschein. Diese Periode liegt nun
hinter uns. Ihr könnt endlich lesen, wie unsere Reise in den
vergangenen drei Wochen verlief, und wir durften aktuell zwei Tage
mit einigermaßen Sonnenschein und tollen Erlebnissen genießen. Und
schwupp, ist auch die Lust zum Schreiben wieder vorhanden. Ich gebe
zu, dass diese mich in der letzten Zeit verlassen hatte. Tag für Tag
Regen und grauer Himmel und Tagestemperaturen von 5 bis 12 Grad
wirkten sich nicht gerade förderlich auf meine
„schriftstellerischen“ Ambitionen aus, obwohl mir sonst
Schlechtwetterperioden wenig bis nichts anhaben können. Es ist eben
doch ein großer Unterschied, ob ich mich in so einer Phase gemütlich
zu Hause in die warme Stube setzen und am Computer schreiben kann,
oder ob ich hier unter sehr bescheidenen Platzverhältnissen (wir
leben schließlich seit einem halben Jahr auf vier Quadratmetern!)
bei widrigen Temperaturen (auch wenn wir eine gut funktionierende Standheizung haben) den
nächsten Blogbeitrag verfasse.
Ja, so sehr wir dieses Zigeunerleben
lieben, es hat eben auch so seine Nachteile, die wir aber gerne in
Kauf nehmen. Zigeunerleben sagt man heute wohl nicht mehr, ebenso
wenig wie Neger und Eskimo. Sinti und Roma, Afrikaner und Inuit
sollen wir sie jetzt nennen. Ob die Sinti und Roma etwas gegen die
Bezeichnung Zigeuner haben, weiß ich nicht, da ich keinen persönlich
kenne. Warum "Neger" inzwischen verpönt ist, verstehe ich beim besten Willen nicht. Das Wort ist ja wohl irgendwie von negro abgeleitet, was
nichts anderes als schwarz bedeutet. Die dunkelhäutigen Menschen
finden es völlig normal, wenn wir sie Schwarze nennen, da sie uns ja
auch als Weiße bezeichnen. Die Schwarzen aus meinem Bekanntenkreis
werde ich demnächst fragen, was sie von der Bezeichnung Neger
halten. Und dann sind da noch die Eskimos, die sich selbst so
bezeichnen. In Inuvik gibt es ein Eskimo-Cafe, in Fairbanks fand die
Olympiade der Eskimos und First Nations statt. Es gibt noch viele
weitere Beispiele, die belegen, dass es nicht falsch sein kann, von
Eskimos zu reden. Aber das ist meine persönliche Meinung, die ja
nicht jeder teilen muss. Und ich bin auch sehr dafür, dass unsere
Weihnachtsmärkte weiterhin so genannt und nicht zu Jahresend-Märkten
umfunktioniert werden, wie mancherorts schon geschehen.
Entschuldigt bitte diese Abschweifung,
aber das wollte ich einfach mal loswerden. Zurück nach Kanada. Man
soll ja immer versuchen, jeder Situation möglichst etwas Gutes zu
entnehmen. Nun, diese Schlechtwetterperiode hatte tatsächlich eine
gute Seite: seit Wochen haben wir keinen einzigen Moskito mehr
gesehen. Und das will in Kanada schon etwas heißen. Übrigens haben
uns einige Einheimische unabhängig voneinander bestätigt, dass
dieser Sommer in Kanada viel zu kalt war.
Ich komme einfach nicht weg vom Thema
Wetter, doch Folgendes muss ich euch berichten. An dem Tag, als ich
den letzten Bericht in unseren Blog hochlud, lag die
Tageshöchsttemperatur bei 4 Grad. Es war der 22. September. Es
nieselte den ganzen Tag. Am Abend setzte Schneeregen ein. Am nächsten
Morgen bogen sich die Laubbäume, die ja noch nicht mal ihre Blätter
abgeworfen hatten, unter der Schneelast bis zum Boden und versperrten
uns zeitweise den Weg. Einen halben Tag lang fuhren wir durch ein
winterliches Ontario. Selbst die Kanadier meinten, dass dieses Wetter
nicht mehr normal sei.
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der See dampft, da sein Wasser noch warm, die Luft aber kalt ist |
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23. September morgens |
Wenige Tage später erreichten wir den
flächenmäßig größten Binnensee der Erde, den Lake Superior. An
dessen Nordufer befindet sich eine ganze Reihe Amethyst-Minen. Der Amethyst ist ein
meist lilafarbener Halbedelstein, der hauptsächlich zu Schmuck
verarbeitet wird. Eine dieser Minen besuchten wir. Besucher können
dort selbst in der Erde nach den begehrten Steinen buddeln. Wir taten
es natürlich auch, selbstverständlich bei eisigem Nieselregen (was
auch sonst!). Die Ausbeute wurde gewogen, wir beließen es bei ca.
1,5 kg, und für relativ wenig Geld durften wir die Steine mitnehmen.
Dabei waren wir uns sicher, dass alles schon vorher durchsucht worden
war, denn wirklich schöne größere Kristalle konnten wir nicht
finden. Nebenbei: die Mine nennt sich „Panorama“, weil man con
dort eine wunderbare Aussicht auf den Lake Superior haben soll. Wir
können es leider nicht bestätigen, da wir außer Nebel und dicken
Regenwolken nichts sahen.
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am Lake Superior (Oberer See heißt er im deutschen Sprachgebrauch) |
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allmählich macht sich Herbststimmung breit |
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auch dem Eichhörnchen schmecken Pilze |
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Sturm am Lake Superior |
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Wellen wie am Meer |
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Jutta als Fotografin |
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Amethyst-Mine "Panorama" |
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so große Kristallstufen fanden wir natürlich nicht |
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Amethyste können auch braun oder schwarz aussehen |
Wir folgten dem Trans Canada Highway
immer weiter nach Osten. In dem winzigen Dörfchen Huron Shore
östlich des Lake Huron besuchten wir einen Farmer-Markt, der von
einem einzelnen Farmer bestritten wurde. Dieser begrüßte uns in
einem eigenartigen deutschen Dialekt, nämlich Pennsylveniadeutsch.
Er gehört den Amishe an, einer christlichen Glaubensgemeinschaft. Es
war sehr interessant, sich mit ihm über das Leben dieser Leute zu
unterhalten, die fast wie vor 300 Jahren leben. Sie lehnen praktisch
jeglichen Fortschritt ab, nutzen keine Autos und auch keinen
elektrischen Strom. Sie versuchen, sich weitgehend von der übrigen
Welt abzukapseln. Ihre Kinder gehen in eigene Schulen, aber nur acht
Jahre. Weiterführende Schulen und Universitäten besuchen sie nicht.
Sie leben hauptsächlich von der Landwirtschaft. Als
Fortbewegungsmittel nutzen sie einfache schwarze Kutschen, die sie
„Buggy“ nennen. Sie haben keine Handys und Computer bezeichnen
sie als Teufelszeug und sie lehnen es kategorisch ab, fotografiert zu
werden, was ich natürlich akzeptiert habe. Immerhin durfte ich
seinen Buggy fotografieren.
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in dieser 12-seitigen historischen Scheune fand der Farmermarkt statt |
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mit solchen Buggys sind die Amishe unterwegs |
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leider kein Foto des Amishe-Farmers, da diese das Fotografieren kategorisch ablehnen |
Der 1. Oktober wurde für uns zu einem
denkwürdigen Tag, denn es war seit drei Wochen der erste Tag, an dem
kein einziger Regentropfen fiel. Ab und zu schien die Sonne und die
Temperatur stieg auf 13 Grad. Am gleichenTag erreichten wir den
Algonquin Provincial Park, der im Herbst von Touristen aus aller Welt
besucht wird. Angelockt werden die Massen durch den Indian Summer.
Und tatsächlich prangte das Laub der Bäume in wundervollen Farben.
Von hellem Gelb über leuchtendes Orange und feurigem Rot bis zu
dunklem Karmin reichte die Farbpalette. Leider versteckte sich die
Sonne schon wieder und wir fragten uns, wie prächtig diese Farben
erst erscheinen würden, wenn die Sonne sie zum Leuchten brächte.
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im Algonquin Provincial Park |
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endlich mal wieder Sonnenschein |
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schon hat die Sonne uns wieder verlassen |
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wie schön muss das erst bei Sonnenschein aussehen... |
Mit Erreichen der Provinz Quebec
mussten wir unsere Uhren um eine weitere Stunde vorstellen, so dass
der Zeitunterschied zu Deutschland nur noch sechs Stunden beträgt.
In Quebec, wo hauptsächlich französisch gesprochen wird, ist es
recht schwierig, einen Stellplatz für die Nacht zu finden, da sich
fast alles Land in Privatbesitz befindet und sämtliche See- und
Flussufer nicht erreichbar sind. Selbst im kleinsten Waldweg
versperrt eine Schranke, ein Seil oder ein Schild „Privé“ die
Zufahrt. Da inzwischen auch die meisten Campingplätze geschlossen
sind, kann die Suche nach einem sicheren Platz für die Nacht schon
mal ein paar Stunden dauern.
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nördlich der Stadt Quebec auf dem Mont-Belair |
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Nebel und kein Stellplatz für die Nacht |
Auch am St-Lorenz-Strom ist das kaum
anders. Dort erwarteten uns zwei andere tolle Erlebnisse. Von
Tadoussac aus starteten wir zu einer Wal-Beobachtungs-Tour. Wir zogen
so ziemlich alle Klamotten an, die wir dabei haben. Zusätzlich
bekamen wir wasserdichte Anzüge. 25 Personen quetschten sich auf die
engen Sitze eines Zodiak-Schlauchboots. Bald merkten wir, wie gut es
war, dass wir uns so warm angezogen hatten, denn auf dem Strom pfiff
uns der eiskalte Fahrtwind um die Ohren und Nasen. Es dauerte nicht
lange, bis die ersten Meeressäuger auftauchten. Oft sahen wir schon
solche Bilder im Fernsehen, doch diese Riesen, ein Buckelwal kann bis
zu 25 m lang werden, leibhaftig in wenigen Metern Entfernung vor sich
elegant durchs Wasser gleiten zu sehen und zu hören, wie sie
geräuschvoll ausatmen und dabei meterhohe Wasserfontänen in die
Luft pusten, ist etwas ganz anderes. Es ist einfach großartig, im
wahrsten Sinne des Wortes. Wir haben nicht gezählt, wie oft wir
bewundern konnten, wenn die Wale zuerst ihren riesigen Körper zu
einem Buckel aus dem Wasser wölben und dann geräuschlos in die
Tiefe abzutauchen, wobei die gewaltige Fluke (Heckflosse) zunächst
hoch in die Luft ragt und dann fast ohne Spritzer im silbrigen Nass
verschwindet. Auch Jutta war total begeistert von diesem
Naturschauspiel. Für sie hatte sich die Fahrt doppelt gelohnt, denn
sie wird sehr schnell seekrank. Aber sie hatte allen Mut
zusammengenommen, ein paar Reisetabletten eingeworfen und konnte nun
auch auf sich selbst stolz sein, dieses Abenteuer bestanden zu haben.
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schönes Herbstwetter für wenige Stunden |
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Blick auf den St.-Lorenz-Strom |
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herrlich, oder? |
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Fjord-du-Saguenay |
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Was haltet Ihr vom neuen Gartenzwerg-Model(l)? |
Einen Tag später setzten wir mit der
Fähre über den St.-Lorenz-Strom, der an dieser Stelle ca. 30 km
breit ist, auf die Ostseite über. Wale bekamen wir diesmal nicht zu
Gesicht, dafür aber eine ganze Menge Delfine. Ganze Gruppen oder
Schulen, wie man bei Delfinen sagt, schwammen neben der Fähre her.
Immer wieder tauchten ihre dunkel glänzenden schlanken Körper mit
der spitzen Rückenflosse auf, um im nächsten Moment schon wieder
ins diesmal dunkle Wasser abzutauchen. Spielerisch leicht wirken ihre
Bewegungen. Wer diese herrlichen Tiere einmal in ihrer freien
Wildbahn beobachten konnte, kann nur jede Delfin-Show verurteilen, in
der die Delfine gezwungen werden, abartige und ihrer Natur völlig
widersprechende Kunststücke vorzuführen.
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perfekt eingekleidet für die Whale Watching Tour |
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es ist WIRKLICH kalt! |
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unser Boot war etwas größer |
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der Wal macht einen Buckel, ... |
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... um dann in die Tiefe abzutauchen |
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Kolission zweier Wale |
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der Blas eines Wales, wenn er ausatmet |
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zum Schluss eine Robbe |
Nun liegt noch die Gaspesie-Halbinsel
und der Rückweg nach Halifax vor uns. Dort werden wir unseren Gecko
wieder seefest machen und an die Reederei übergeben, damit sie ihn
sicher nach Hamburg schippert. Und so, wie alles einmal zu Ende geht,
nimmt auch unsere Reise ihr Ende. In zwei Wochen, nach mehr als sechs
Monaten, werden wir wieder deutschen Boden unter unseren Füßen
haben und endlich (ja, wir sehnen uns danach!) in einem richtigen
Bett schlafen, nämlich zu Hause.
Was wir auf den letzten ca. 1000
Kilometern erleben werden und wie sich unser Rückflug gestaltet,
könnt ihr natürlich wieder hier im Blog lesen. Und ich werde auch
wieder einen zusammenfassenden Bericht mit ein bisschen Statistik
vorbereiten, doch das wird ein bisschen länger dauern.
Bleibt also auch weiterhin neugierig
und uns bis zum Ende treu.
Bis bald... :-)
P.S.: Gestern schrieb ich diesen Text. Jetzt sitzen wir wieder mal in einem Tim-Hortons-Cafe in Sainte-Anne-des-Monts (zum zweiten Mal ohne Steckdosen, also muss ich mich beeilen, damit die Akkuladung des Laptops reicht) und draußen regnet es bei 5 Grad in Strömen. Es ist wirklich zum Verzweifeln...