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Samstag, 22. Juli 2017

Vom Nordkap zu den Lofoten

Sonntag, 16. Juli 2017

Bei herrlichem Sonnenschein fuhren wir auf der 98 am Tanafjord gen Norden. Zwischen Blumenwiesen rollten wir dahin und stoppten mal da, mal dort, um den Blick auf das blaue Wasser des Fjords und die Schneegipfel weit dahinter zu genießen.





Wir bogen ab auf die 888. Bald umgab uns wieder die Tundra. Am Ortseingang von Gamvik trauten wir unseren Augen kaum. Ein Schild mit einem Willkommensgruß stand inmitten eines Feldes sattblau blühender Lupinen. Dass diese herrliche Blumen sogar hier oben in diesem rauen Klima gedeihen, hätte ich nicht für möglich gehalten.

Lupinen

In dem kleinen Ort leben etwa 1000 Menschen. Die bunten Häuschen strahlten in der Sonne. Nach weiteren drei Kilometern erreichten wir Slettnes fyr, den nördlichsten Leuchtturm auf europäischem Festland. Er steht auf dem 71. Breitengrad (N 71° 05' 33“). Nur noch wenige hundert Meter weiter befindet sich auch der nördlichste Punkt des europäischen Kontinents.


Slettnes fyr

Nun spürten wir deutlich, dass wir uns sehr weit im Norden aufhielten. Obwohl die Sonne schien, zeigte das Thermometer nur noch 9 Grad an. Der heftige Wind, der uns um die Ohren blies, ließ uns frösteln.

Unseren Plan, hier zu übernachten, ließen wir schnell fallen, denn es gab nirgends ein windgeschütztes Fleckchen. Also ging es am Nachmittag die gleiche Strecke auf der 888 zurück. Bei dem Örtchen Lebesby fanden wir eine schöne Stelle für die Nacht. Doch zwei Stunden nach unserer Ankunft schüttelten äußerst heftige Windböen den Gecko dermaßen durch, dass wir um unser Klappdach fürchten mussten. Was half es, wir mussten wieder alles zusammenpacken und nach einem ruhigeren Platz suchen. In der Tundra einen windgeschützten Platz zu finden, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Deshalb mussten wir zurück bis zur 98, wo wir 4 km westlich von Ifjord endlich fündig wurden.

Standort: N 70° 27' 17.8“ E 26° 59' 48.8“
gefahrene Strecke: 324 km





Montag, 17. Juli 2017

Unser heutiges Ziel war das berühmte Nordkap. Auf der 98 fuhren wir bis Lakselv, wo wir auf die E6 trafen. Bei Olderfjord ging es auf der E69 immer weiter nach Norden. Ständig staunten wir über die einmalig schöne Landschaft. Die fast schwarzen Berge fallen an manchen Stellen fast senkrecht ab in den Porsangen genannten Fjord. Die Straße klebte dann förmlich an den Felsen, um dann zum wiederholten Mal in einem Tunnel zu verschwinden. In einem der Tunnels tropfte so viel Wasser von der Decke, dass ich mehrmals die Scheibenwischer einschalten musste.

Der längste Tunnel auf dieser Strecke verbindet mit seinen knapp 7 km Länge die Insel Mageröya, auf der sich das Nordkap befindet, mit dem Festland. Steil geht es im Tunnel abwärts bis 212 m unter der Wasseroberfläche. Eine zehnprozentige Steigung führt wieder zurück ans Tageslicht. Die Benutzung des Tunnels ist übrigens seit 2012 kostenlos.



Bis zum Nordkap geht es nun ständig bergauf und bergab. Die vielen Radfahrer, die in beiden Richtungen unterwegs waren, nötigten uns höchsten Respekt ab.

auf dem Weg zum Nordkap

viele Rentiere sahen wir hier


Bevor wir endlich den nördlichsten Punkt unserer Reise erreichten, wurden wir erst mal kräftig zur Kasse gebeten. 270 Kronen verlangte die nette Frau im Kassenhäuschen von mir. Pro Person! Ich wusste aber, dass es auch Tickets für 180 Kronen gibt. Nur widerwillig verkaufte sie diese an uns und wies nachdrücklich darauf hin, dass wir nicht über Nacht bleiben dürften, den Nordkap-Film nicht sehen und das Museum nicht besuchen könnten.

Auf dem riesigen Schotterparkplatz reihten sich die Womos in mehreren Reihen wie auf Perlenschnüren auf. Ungefähr 20 Reisebusse standen auch schon da. Massentourismus eben. Entsprechend groß war dann der Andrang an dem weltbekannten stählernen Globus, denn jeder wollte davor fotografiert werden. Wir natürlich auch.



Massenbetrieb


Wir ließen den Trubel jedoch bald hinter uns und liefen ein Stück an der Kante des Felsplateaus entlang, das 307 m hoch aus dem Wasser des Polarmeeres herausragt. Weit schweiften unsere Blicke hinaus auf die Barentssee, die völlig ruhig vor uns lag. Da standen wir nun auf 71° 10' 21“ nördlicher Breite und wussten, dass der Nordpol nur noch lächerliche 2100 km entfernt war. Und wir wussten auch, dass das Nordkap natürlich nicht der nördlichste Punkt Europas ist, wie von der Tourismusbranche immer gern behauptet wird. Uns war es egal. Wir genossen den Augenblick. Das Beste daran war, dass schließlich sogar die Sonne heraus kam, was am Nordkap wohl nur sehr selten passiert.


Vermutlich hätten wir uns auch den 14-minütigen Film und das Museum ansehen und auch über Nacht bleiben können, denn nirgends wurde kontrolliert. Wie auch. Für 180 Kronen gab es ja nicht mal eine Eintrittskarte. Lediglich einen schnöden Kassenbon wie im Supermarkt hatten wir bekommen.

Am frühen Abend machten wir uns auf den Rückweg. 25 km vor Olderfjord übernachteten wir auf einem Parkplatz in windgeschützter Lage.

Standort: N 70° 40' 03.7“ E 25° 23' 19.0“
gefahrene Strecke: 380 km




wie viele Trolle seht Ihr hier?

auch am Nordkap laufen Rentiere herum




Dienstag, 18. Juli 2017

Von heute an geht es nur noch nach Süden. Zunächst fuhren wir bis Alta. Die Nordlichtkathedrale als touristisches Highlight war nicht schwer zu finden. Eine moderne Kirche mit kühner Architektur, die uns wirklich gut gefiel. Natürlich wollten wir sie auch von innen sehen. ABER: Die Norweger spinnen! 150 Kronen Eintritt p.P. Für die Kirche! Nee, liebe Wikinger, wir finden das Geld auch nicht auf der Straße. Und seit wann muss man in einer Kirche Eintrittsgeld bezahlen, gleich wenn darin noch eine Ausstellung gezeigt wird?

Nordlichtkathedrale in Alta

Weiter ging unsere Reise erst am Ufer des Altafjorden entlang, danach am wunderschönen Langfjorden. Steil und schwarz ragten die Berge am gegenüber liegenden Ufer aus dem Wasser auf. Dunkle Wolken zogen darüber hinweg und zauberten dramatische Bilder in die Landschaft. Wie mag es erst bei Sonnenschein hier aussehen?

Immer wieder sahen wir, wie weiß leuchtende Wassermassen in zahlreichen Bächen von den Bergen in den Fjord stürzten. Noch beeindruckender sind die vielen riesigen Wasserfälle. Vor einer dieser gewaltigen Kaskaden fanden wir einen hervorragenden Platz, von dem aus wir sowohl den Wasserfall als auch den Fjord bewundern konnten. Schade nur, dass es immer wieder regnete.

Standort: N 70° 03' 42.7“ E 22° 31' 16.2“
gefahrene Strecke: 189 km



fast Weltuntergangs-Stimmung




Mittwoch, 19. Juli 2017

Leider zeigte sich auch heute wieder das Wetter von seiner miesen Seite. Kalter Wind bei 12 bis 13 Grad und häufige Regenschauer ließen uns die Sonne herbeisehnen. Wenn wir uns schon nicht über das Wetter freuen konnten, gab es Grund zur Freude an einer Tankstelle. Hier kostete der Liter Diesel „nur“ 12,49 Kronen (1,33 Euro). Beim ersten Tankstopp in Norwegen mussten wir noch 15,29 Kronen (1,63 Euro) bezahlen. Wenig Spaß machte dann das Einkaufen in einem Supermarkt. Hier ist einfach alles teuer. Lediglich einfaches Brot hat einen ähnlichen Preis wie in Deutschland. Nur mal ein paar Beispiele: 250 g Butter 21,90 Kronen (2,36 €), 5-Liter-Flasche Wasser 29,50 Kronen (3,18 €), 850 g Joghurt naturell 25,90 Kronen (2,79 €). Bei Alkohol haben wir gar nicht erst nachgeschaut.

Später lenkte uns die faszinierende Fjordlandschaft vom Einkaufsschock ab. Diese gewaltigen Berge, auf denen immer noch Schneereste weiße Muster zeichnen, davor das ruhige Wasser des Fjords, dann wieder die hübschen Häuser am Wegrand. Es gab immer etwas zu sehen. Es machte wirklich Spaß, so durch dieses wunderschöne Land zu reisen.

Durch die steil abfallenden Berge sind Stellplätze hier nicht leicht zu finden. Diesmal nutzten wir einfach einen der seltenen Waldwege, um für die taghelle Nacht von der Straße aus unsichtbar zu sein.

Standort: N 69° 09' 43.6“ E 19° 04' 40.2“
gefahrene Strecke: 273 km




leider sahen wir hier in Norwegen noch keinen Elch

Donnerstag, 20. Juli 2017

Auf der E6 ging es heute weiter nach Westen, bis wir auf die 825 abbogen. Fast ständig fuhren wir an Fjorden entlang. Schade nur, dass auch heute wieder die dicken Wolken sehr tief hingen und wir die schönen Landschaften nur erahnen konnten.


aus solchen Anlagen kommen die norwegischen Lachse

An der Stelle, wo die 825 auf die E10 trifft, brachte uns eine gewaltige Brücke über den Vagsfjord. 


Danach fuhren wir auf der 83 bis Harstad. Dort biegt die Straße direkt nach Westen ab, überquert einen Bergrücken und folgt dann der Küstenlinie des Güllesfjord bis Refsnes. Von dort brachte uns eine Fähre für akzeptable 115 Kronen in knapp einer halben Stunde nach Flesnes.


Irgendwann tauchte vor uns das Schild mit der Aufschrift „Lofoten“ auf. Diese Inselgruppe wollten wir heute erreichen. Nach einem der zahlreichen Tunnels, irgendwann hatte ich aufgehört mitzuzählen, strahlte uns doch tatsächlich die Sonne entgegen. Das Wasser des Fjords leuchtete plötzlich hellblau. Viele kleine Insel ragten dunkel aus dem Wasser. Die steil aufragenden, spitzen Berge, die sich dunkel vor dem plötzlich blauen Himmel abzeichneten, umrahmten das Bild majestätisch. So hatten wir uns die Lofoten gewünscht, und so genossen wir sie nun.

Standort: N 68° 27' 43.4“ E 15° 05' 30.0“
gefahrene Strecke: 293 km




Freitag, 21. Juli 2017

Draußen in der Sonne sitzend frühstücken, das konnten wir heute seit längerer Zeit endlich mal wieder. Da fing der Tag gleich richtig gut an. Ursprünglich hatten wir uns vorgenommen, heute einen Campingplatz anzusteuern. Wäsche und Haare waschen waren dringend angeraten. Doch wie so oft kam es anders.

Nach einem tiefen Unterwassertunnel verließen wir die E10, um ganz gemütlich an der Nordküste der Insel Austvagöy die Aussicht zu genießen. Es machte unheimlich Spaß, gemächlich auf der schmalen Asphaltstraße dahinzurollen. Natürlich legten wir den einen oder anderen Fotostopp ein. Hier lockt fast jede Aussicht, auf den Auslöser zu drücken. Bei Sonnenschein sieht eben doch alles noch viel schöner aus. Das, was an den letzten Tagen nur Grau in Grau schien, leuchtete nun in den buntesten Farben. Da hier das Land an der Küste etwas flacher ist, gibt es viele saftig grüne Wiesen, die teilweise schon gemäht wurden. Bunte Wiesenblumen säumten die Straßenränder. Wie überall hier leuchteten die Häuser in rot, gelb und manchmal auch weiß. Auf der Landseite ragen steil die gestern noch grauen Berge auf, heute nun in dunklem Grün von Bäumen, Sträuchern und Flechten. Zwischen den Zacken und Spitzen der Berge leuchten weiß die letzten Reste des Schnees vom vergangenen Winter. Und schließlich das Meer. Je nach Lichteinfall wirkt es mal dunkelblau, dann leuchtet es in hellem Türkis wie in der Karibik, aber es kann auch mal ein dunkles Flaschengrün annehmen. Wir konnten uns kaum satt sehen an dieser Pracht.








Irgendwo zweigte ein holpriger Feldweg ab, dem wir folgten. Vielleicht bringt er uns zu einem hübschen Stellplatz, wo wir diesen herrlichen Tag verbringen könnten. Der Gecko zwängte sich dann durch dichtes Gebüsch, bis wir auf einer Art Damm standen. Vor uns das blaue Meer und genug Platz, wo wir ungestört hätten stehen können. Doch es stellte sich uns eine ganze Kuhherde in den Weg. Normalerweise scheuen Tiere vor Fahrzeugen zurück. Nicht so diese Rindviecher. Zentimeter für Zentimeter ließ ich den Gecko auf sie zu rollen. „Die gehen schon beiseite,“ sagte ich zu Jutta. Doch genau das Gegenteil geschah. Sie kamen uns auf dem Damm entgegen, guckten ganz neugierig und schnupperten interessiert an Stoßstange und Kühlergrill. Hinter einem kleinen Felsen kamen noch mehr Kühe und drängten nach vorn. Alle wollten wohl diesen Eindringling beäugen.

Gegen die Kühe hätten wir uns sicher noch durchsetzen können, nicht jedoch gegen die Fliegenschwärme, die um sie herum schwirrten. Wir schlossen die Fenster und traten den Rückzug an. Das hieß, ich musste auf diesem Damm, also auf engstem Raum, wenden. Nach X-mal vor- und zurückstoßen und unter Juttas todesmutigem Einsatz als Einweiserin, sie war ja dabei ständig der Bedrohung durch diese wilden Bestien ausgesetzt, gelang das Wendemanöver und wir konnten zurück fahren. Was für ein Abenteuer... ;-)

Nur wenige Kilometer weiter ließen wir uns direkt am Ufer eines Armes des Vatrifjords nieder. Wir standen zwar nur wenige Meter von der Straße entfernt, doch bei so wenig Verkehr störte uns das kaum. Sicherheitsbedenken haben wir hier in Norwegen sowieso keine.

Hinter dem Fjord ragte ein spitzer Berg auf wie eine riesige Haifischflosse. Links und rechts von ihm gezackte Bergrücken mit Schneeresten. Und direkt vor uns blinkte das glasklare blaue Wasser. Völlige Stille umgab uns. Die Sonne heizte uns mächtig ein. Ein perfekter Platz!

Wir packten unsere bequemen Stühle aus, setzten uns hin und taten nichts. Einfach nichts. Nur da sitzen, schauen und genießen. Herrlich!

Auf der anderen Straßenseite plätscherte in einiger Entfernung ein Gebirgsbach herab. Sein Wasser nutzten wir später zum Haare- und Wäschewaschen. Wozu also einen teuren Campingplatz ansteuern, wo es doch hier in der Natur alles gratis gibt? Jutta spielte dann noch Friseuse und schnitt mir die Haare. Und dann war wieder faulenzen angesagt auf diesem traumhaft schönen Fleck bei traumhaft schönem Wetter.

Standort: N 68° 21' 13.5“ E 14° 29' 26.0“
gefahrene Strecke: 56 km





23 Uhr

1 Uhr morgens

Dienstag, 18. Juli 2017

Do swidanija, Rossija – Hej Norge

Donnerstag, 13. Juli 2017

Die Sonne weckte uns. Wir konnten sogar draußen frühstücken, da ein kräftiger Wind uns die Mücken weitestgehend vom Hals hielt. Doch bald zog eine dunkle Wolkenfront heran. Wir schafften es gerade noch, alles zusammenzupacken als der Regen auch schon anfing.

Auf der P21 ging es nun weiter westwärts. Wir kamen ins „Tal des Ruhmes“. Hier erinnert eine Gedenkstätte an die gefallenen Sowjetsoldaten, die in diesem Gebiet im September 1944 die Angriffe der deutschen Faschisten, die Murmansk erobern wollten, erfolgreich abwehrten und zurückschlugen. An einer langen Wand sind mehr als 320 schwarze Tafeln angebracht, jede mit 26 eingravierten Namen gefallener Soldaten. Vor der Wand liegen viele Gräber mit weiteren Namen. Weit über 8000 Gefallene gab es auf sowjetischer Seite. Wie viele Deutsche hier ihr Leben ließen, ist mir nicht bekannt.

Auch wenn wir mit diesem unseligen Krieg nichts zu tun hatten, fühlen wir uns an solchen Gedenkstätten zwar nicht schuldig, aber uns beschleicht jedesmal die Scham. Wir schraken zusammen, als ein vorbeifahrendes Auto lange hupte. Bis wir bemerkten, dass fast jedes Auto hupte. Es ist wohl ein Gruß der Vorbeifahrenden an ihre toten Helden.


Da wir wissen, wie sehr die Russen ihre Helden verehren, erscheint es uns umso unverständlicher, dass sie solche Gedenkstätten nicht besser pflegen. Auch einige weitere kleine Mahnmale in der Nähe entlang der P21 befinden sich in keinem guten Zustand. In Wolgograd, das wir vor zwei Jahren besuchten, sah das entschieden anders aus.


gepflegt sieht anders aus

Der Eindruck, dass hier im hohen Norden Russlands kein Wert auf Äußerlichkeiten gelegt wird, verstärkte sich noch einmal in Zapoljarny. Auch dort befinden sich die alten Wohnblocks in einem katastrophalen Zustand. Geld scheinen die Menschen jedoch zu haben, denn viele dicke und neue Autos fuhren durch die Stadt.

Wir tätigten die letzten Einkäufe und wollten auch ein letztes Mal, bevor wir nach Norwegen ausreisten, günstig Diesel tanken. Doch Pustekuchen, die einzige und letzte Tankstelle vor der Grenze war wegen eines technischen Defekts geschlossen. Na prima!

Da wir schon auf der Strecke bis hierher an vielen militärischen Einrichtungen vorbei gefahren waren, wurde uns bald klar, dass wir vor der Grenze keinen Stellplatz mehr finden würden. Einige Kilometer nach Zapoljarny wies ein Schild darauf hin, dass wir uns im Grenzgebiet befinden (ca. 50 km vor der Grenze!). Viele Kilometer fuhren wir nun an einem Zaun entlang, der an vielen Stellen mit Videokameras überwacht wurde. Man ist gerade dabei, die Straße perfekt auszubauen.

Um 15:37 Uhr kamen wir am Grenzübergang an. Großes Rätselraten, wie lange wir diesmal brauchen würden. Nur ein Auto stand vor uns. Wir waren optimistisch, da die Ausreise aus Russland bisher immer problemlos verlief. Die Passkontrolle erfolgte sowohl freundlich als auch schnell. Nur der Zollbeamte hatte sich offensichtlich in unser Auto verliebt. Der Drogenhund merkte schnell, dass da nichts zu holen ist. Dafür gab sich der Zöllner größte Mühe. In sämtlichen Fächern und Kästen wühlte er herum, verlor dabei mehrmals sein fesches Mützchen und kam schließlich schwitzend aus dem Gecko gekrochen. Freilich hätte ich ihm die Suche erleichtern können, indem ich das Dach hochgeklappt hätte, aber schließlich hatte ich ihn nicht darum gebeten, in unserem Auto so herumzukramen. Schließlich durfte ich auch noch die Dachbox öffnen. Als er auch dort nichts fand, was er beanstanden konnte, zog er missmutig und grußlos davon. Nun ja, er hat seinen Job gemacht. Do swidanija, Rossija!

Dann waren die Norweger an der Reihe. Hej Norge! Freundlich lächelnd begrüßten sie uns und waren richtig locker drauf. Was für ein Unterschied! Der Zöllner guckte mal da und mal dort, fragte nach Schnaps und Bier und glaubte mir natürlich, dass wir nur die eine angebrochene Flasche Wodka und fünf Dosen Bier dabei hatten. Und das war's schon! Neuer Rekord! Nach insgesamt genau einer Stunde ließen wir die Grenze hinter uns.

Und dann fühlten wir uns plötzlich wie in einer anderen Welt. Die ersten Häuschen tauchten auf. Schöne, saubere Farben, gepflegte Gärten, das hatten wir alles schon lange nicht mehr gesehen. Das hier ist Skandinavien, aber die russischen Seite gehört doch auch zu Skandinavien. Wie kann es nur zu solch gravierenden Unterschieden kommen!? Es liegt wohl an den Menschen selbst.

Unser Fazit zu Russlands Nordwesten fällt ernüchternd aus. Auch im fernen Sibirien trafen wir vor zwei Jahren auf große Armut, doch dieses Desinteresse an den eigenen Lebensumständen war für uns neu. So manches könnten die Russen mit geringem Aufwand ändern, wenn sie nur wollten. Aber vielleicht gibt es ja auch ganz andere Gründe, die uns verborgen geblieben sind. Ein Urteil darüber zu fällen wäre anmaßend. Das uns als Ausländer, Gäste und Touristen nicht zu.

In der norwegischen Grenzstadt Kirkenes begrüßte mich der Geldautomat (wir brauchten ja norwegische Kronen) auf Deutsch! Ein paar Kilometer weiter hielten wir an einem schönen Rastplatz mit Tischen, Bänken, sauberen Toiletten und frisch gemähtem Rasen. Wie ungewohnt! Als wir uns an einen der Tische setzten, gab es nur drei große, tief eingeschnittene Buchstaben. Es waren kyrillische Zeichen. Kein Kommentar. Nebenbei: Auf unserer Fahrt durch Russlands Nordwesten kamen wir natürlich auch an vielen Felsen vorbei. Ich glaube, es war kein einziger dabei, der nicht irgendwie beschmiert worden war. Noch einige Kilometer weiter fanden wir einen Stellplatz für die Nacht.

Standort: N 70° 11' 27.3“ E 28° 11' 59.4“
gefahrene Strecke: 315 km


Freitag, 14. Juli 2017

Unser heutiges Ziel war Verdö auf der Halbinsel Varanger und danach das verlassene Fischerdorf Hamningberg. Die Fahrt dorthin auf der E75 war einfach wunderschön. Uns gefiel einfach alles, die bunten Holzhäuschen, der Blick auf den Varangerfjord, das zunächst flache Land. Auch das miese Wetter, Nieselregen aus tief hängenden, grauen Wolken bei 12 Grad, tat unserer Begeisterung keinen Abbruch.

In dem kleinen Ort Nesseby besuchten wir die hübsche Kirche, eine der wenigen, die nicht durch die Deutschen im WK II niedergebrannt wurden. Das dortige Vogelschutzgebiet hätte uns auch interessiert, aber der eiskalte Wind hielt uns von einem Besuch ab (Weicheier!)

Kirche von Nesseby



Je weiter östlich wir kamen, desto hügeliger wurde das Land, aber auch immer kahler. Von Verdö aus führt eine sehr schmale Straße nach Hamningberg. Aller paar hundert Meter gibt es Ausweichstellen, wo auch die hier häufig fahrenden Womos aneinander vorbei kommen. Wie schön muss es hier erst sein, wenn die Sonne scheint. Überall blühten weiße Blumen, gelbe Butterblumenteppiche breiteten sich aus, oft unterbrochen von lila Blütenmeeren. Selbst direkt am Straßenrand blühte es überall. Wunderschön, trotz Regen und Nebel!

Dann erhoben sich mächtige Berge vor uns und es wurde richtig bizarr. Das schmale Asphaltband schlängelte sich nun zwischen schroffen Felsklippen hindurch. Nebelschwaden waberten dazwischen. Es fehlten nur noch die Trolle!

Diese sahen wir dann in Hamningberg vor einigen Häusern, kleine, liebevoll gestaltete Kobolde. Der Ort besteht aus einem reichlichen Dutzend Häusern, die nur noch im Sommer genutzt werden. Bis in die sechziger Jahre wurde hier fleißig Fisch gefangen, doch dann lehnte man den Ausbau des Hafens ab und das Leben hier kam zum Erliegen.

Nach einem Spaziergang durch den Ort wollten wir uns im einzigen Cafe etwas aufwärmen. Zum Glück studierten wir die draußen neben der Tür ausgehängte Preisliste vorher. Eine Fischsuppe 150 Kronen, ein Bier 85 Kronen, eine Waffel 50 Kronen. Bei einem Kurs von knapp 1:10 kostet die Fischsuppe also mehr als 15 Euro. Nein danke!

Wir fuhren ein Stück zurück und stellten uns zwischen den zerklüfteten Felsen, die aus Schiefer bestehen, für die Nacht auf. Der Nebel wurde immer dichter. Das Thermometer zeigte nur noch 9 Grad an. Gut verpackt unternahmen wir noch einen kurzen Spaziergang am arktischen Sandstrand. Durchgefroren wollten wir im Gecko die Standheizung in Gang setzen, doch die sprang nicht an. Wir hatten wohl die Bordbatterien etwas zu stark beansprucht. Zum Glück wärmen die Schlafsäcke recht ordentlich.

Standort: N 70° 30' 11.8“ E 30° 35' 18.7“
gefahrene Strecke:178 km


Kirche von Hamningberg

alte Häuser mit Grasdächern


Hier oben im Hohen Norden müssen die Satellitenschüsseln leicht nach unten ausgerichtet werden, um den Empfang zu sichern.

Rentiere im Ort


Sonnabend, 15. Juli 2017

Der Nebel von gestern Abend hatte sich noch nicht verzogen. Bei schönem Wetter wären wir gerne noch einen Tag an diesem Platz geblieben. So jedoch fuhren wir die gleiche Strecke zurück, die wir gestern hierher gekommen waren. Noch einmal ging es durch diese bizarre Felsenlandschaft, die an manchen Stellen durch den Nebel schon fast mystisch anmutete. Um nach Vardö, der östlichsten Stadt Norwegens, die auf der Insel Vardöya liegt, zu gelangen, mussten durch einen fast 3 km langen Tunnel fahren, der an seiner tiefsten Stelle 88 m unter der Wasseroberfläche liegt. Wir wollten es kaum glauben, dass wir uns nun weiter östlich befanden als St. Petersburg, Kairo und Istanbul.









Zuerst suchten wir den Hafen auf, da wir die berühmte Vogelinsel Hornöy besuchen wollten, wo unglaublich viele Vögel, u.a. auch die Papageientaucher leben. Bei einem Preis von 400 Kronen (fast 42 Euro) p.P. Verging uns jedoch die Lust. Später erfuhren wir, dass wenige Tage zuvor auf der Insel ein großer Felsen weggebrochen sei, so dass z. Zt. nur ein Drittel der Insel zugänglich ist.

Stattdessen spazierten wir einmal um die achteckige, sternförmig angelegte Festung mit vielen alten Kanonen. Sie ist die nördlichste Festung der Welt. Inzwischen hatte sich der Nebel verflüchtigt und die Sonne lachte vom Himmel.

Festung von Vardö
Kirche in Vardö
Oft steht im Garten ein kleines Häuschen, das dem großen stark ähnelt. Darin wohnt der Troll des Hauses. (Skandinavier sind abergläubisch!)


Den nächsten Versuch, seltene Vögel beobachten zu können, starteten weiter südlich auf der Halbinsel Ekkeröy. Auf dem ca. 1,5 km langen Anmarsch zum ersten Vogelfelsen kamen wir an Überresten des WK II vorbei. Die Deutschen hatten hier 1941 zwei große Kanonen mit einer Reichweite von 30 Kilometern, Unterkünfte Bunker usw. errichtet. Davon wollten wir uns nicht beeindrucken und die Laune verderben lassen und liefen weiter. Schon von Weitem hörten wir das Geschrei der Unmassen von Möwen und anderen Vögeln. Außerdem rochen wir es schon von Weitem. Z. Zt. sollen rund 20000 Dreizehen-Möwen hier an den hohen, senkrecht ins Meer abfallenden Felsenklippen leben und brüten. Jeden noch so kleinen Felsvorsprung nutzen die hübschen Möwen, um darauf zu brüten.Wir konnten sogar ein Möwen-Küken beobachten, wie es von einem Altvogel gefüttert wurde. Über 22 verschieden Vogelarten soll es hier geben.

Da die Sonne wieder verschwunden war, kühlte es sich auch schnell wieder stark ab. Wir liefen zurück zum Auto und übernachteten dann auf dem gleichen Stellplatz wie schon zwei Tage zuvor.

Standort: N 70° 11' 27.3“ E 28° 11' 59.4“

gefahrene Strecke: 175 km


rund 20000 Dreizehen-Möwen sollen z. Zt. hier leben

auch der kleinste Felsvorsprung genutzt


Fütterungszeit