2.
September 2015
Bevor
wir nach einem geruhsamen Ruhetag wieder losfuhren, blies ich mit dem
Kompressor den Luftfilter durch und befreite ihn von Unmengen Staub.
Kein Wunder nach vielen hundert teilweise extrem staubigen Kilometern
durch die Steppen Usbekistans und Kasachstans. Nun kann der Gecko
wieder frei durchatmen.
Auf der
E40 rollten wir immer weiter in Richtung Wolgograd und genossen dabei
regelrecht die perfekte Asphaltstraße. Das war eine Wohltat für die
Nackenmuskulatur und für die in den zuletzt bereisten Ländern arg
beanspruchten Bandscheiben und auch für unsere Nerven.
Obwohl
wir den ganzen Tag parallel zur Wolga fuhren, sahen wir sie nur
selten, da sie meist einen oder zwei Kilometer neben der Straße
dahinfließt.Auch hier ist das Land extrem flach und besteht aus
Steppe und wenigen Ortschaften.
Wir
erreichten die Stadtgrenze von Osten her viel eher als erwartet, da
wir nicht ahnten, dass sich diese Stadt über 100 Kilometer hinzieht.
Die Außenbezirke wirkten erschreckend auf uns, denn sie bestanden
fast vollständig aus Industrieruinen. Wahrscheinlich sind das alles
alte Fabriken aus Sowjetzeiten, die nun unrentabel geworden sind und
aufgegeben wurden. Ab und zu sieht man noch etwas Rauch aus einem
Schornstein aufsteigen oder Dampf aus einem Kühlturm. Und mittendrin
stehen abgewohnte Wohnblocks. Die Menschen, die hier leben müssen,
tun uns wirklich leid.
Je mehr
wir uns dem Stadtzentrum näherten, desto moderner wirkte die Stadt.
Riesige Einkaufsmärkte locken die Leute mit bunter Reklame.
Überhaupt spielt Werbung auf den Straßen eine sehr große Rolle.
Unmengen von überdimensionalen Werbetafeln säumen die Straßen.
Wir
befolgen einen Stellplatztipp und parken unseren Gecko auf dem
Parkplatz des Hotels Tourist, das seine besten Jahre auch schon lange
hinter sich hat. Die Wolga ist zwar nur 100 Meter entfernt, doch
leider versperrt ein Bauzaun die Sicht.
Noch am
Nachmittag laufen wir los und erreichen schon nach wenigen Minuten
den Eingang zur Gedenkstätte, die sich auf dem Mamai-Hügel
befindet. Schon von weitem leuchtet uns die 85 m hohe Betonskulptur
(es existieren unterschiedliche Höhenangaben) entgegen. Ihr Titel
„Mutter Heimat ruft“. Eine athletische, vorwärts stürmende
Frauenfigur reckt den rechten Arm mit langem Schwert in den Himmel und ruft, halb nach hinten gewandt, mit weit geöffnetem Mund zur
Verteidigung der Heimat. Man mag solche monumentalen Kunstwerke schön
finden oder auch nicht, beeindruckend ist dieses Mahnmal auf jeden
Fall. Es erinnert und mahnt an die Schlacht, die hier vom Herbst 1942
bis 2. Februar 1943 tobte und über 700000 Menschen das Leben kostete.
Wir
stiegen eine breite Treppe hinauf, die zum Teil von Mauerresten
zerstörter Gebäude gesäumt wird, die man hierher brachte und dann
mit Szenen der Schlacht versah. Aus Lautsprechern ertönt
Gefechtslärm, kurze Ausschnitte aus originalen Radiosendungen von
damals sind zu hören sowie Kampflieder der Roten Armee. Eine
teilweise beänstigende Szenerie.
"Für unsere sowjetische Heimat" |
Später
betraten wir die kreisrunde Ruhmeshalle, in der ehrfürchtige Stille
herrscht. In der Mitte der Halle reckt eine weiße Hand eine Fackel
mit dem nie erlöschenden Feuer in die Höhe. Mehrere Meter vor ihr
stehen links und rechts regungslos zwei junge Soldaten und halten
Ehrenwache. Die Hallenwand trägt die Namen Tausender gefallener
Sowjetsoldaten stellvertretend für alle, die in dieser Schlacht ihr
Leben lassen mussten. Die Wachablösung zieht natürlich viele
Touristen an. In eigenartiger, langsamer Schrittfolge, die bei
einigen Bewegungen an den Stechschritt der NVA der DDR erinnert,
betreten fünf junge Soldaten mit Gewehren und aufgepflanztem
Bajonett die Halle. Zuerst werden die Soldaten vor der Fackel und
danach die zwei am Ausgang der Halle abgelöst. Ein weiterer Soldat
tupft den Wachsoldaten mal den Schweiß von der Sturm und rückt dann
eine Mütze zurecht. Die Verschlüsse der Kameras klicken, Blumen
werden niedergelegt. Auch wir steuerten einen kleinen Blumenstrauß
bei. Nicht, weil viele es tun, sondern weil es uns ein Bedürfnis
war.
in der Ruhmeshalle |
Viele
Gedanken gingen uns durch den Kopf. Unzählige Menschen haben in
dieser Schlacht und in diesem unseligen 2. Weltkrieg ihr Leben
verloren. Ich persönlich kann keine Schuld empfinden, auch wenn ich
Deutscher und demzufolge Angehöriger des Volkes bin, von dem dieser
Krieg ausging. Nicht das deutsche Volk hatte den Krieg angezettelt,
es waren die Faschisten, denen leider zu viele Deutsche vertrauten.
Wir sind froh, dass wir hier sein dürfen und dass uns niemand
feindlich gegenübertritt, auch wenn viele bemerkt haben dürften,
dass wir Deutsche sind.
3.
September 2015
Eine
unruhige Nacht lag hinter uns. Gegen zwei Uhr ging die Alarmanlage
des neben uns parkenden Lada los und verstummte erst nach einigen
Minuten. Wir dachten, es musste ein Fehlalarm sein, denn es war in
der Dunkelheit niemand zu sehen. Am Morgen stellten wir jedoch fest,
dass die rechte Hintertür des Lada offen stand. Hatte sich doch
jemand daran zu schaffen gemacht?
Am
Panorama-Museum, das erst 10 Uhr seine Pforten öffnete, trafen wir
viel zu zeitig ein. Wir nutzten die Gelegenheit, um das einzige nach
der Schlacht erhalten gebliebene Gebäude zu besichtigen. Es war das
damalige Zentralkaufhaus, in dessen Keller am 31. Januar 1943
Feldmarschall Paulus gefangengenommen wurde. Ich stamme aus Dresden,
das im Krieg auch schwer zerstört wurde. Doch wenn ich mir
vorstelle, dass von der Millionenstadt Stalingrad nur ein einziges
Gebäude erhalten blieb, und das auch nur als Ruine, nein, ich kann
es mir nicht wirklich vorstellen, wie grausam dieser Krieg gewesen
sein muss.
Im
Museum, das der Schlacht um Stalingrad gewidmet ist, mieteten wir uns
ein Audiogerät, das uns im Museum wichtige Dinge erklären sollte.
Im modern gestalteten Museum wird der Verlauf der Schlacht
detailliert beschrieben und viele der sowjetischen Offiziere und
Soldaten geehrt. Uns beeindruckte am meisten ein riesiges Modell
eines Teiles der Stadt, an dem mittels mehrerer Beamer anschaulich
der Verlauf der Schlacht dargestellt wird und natürlich die vier
Panorama-Gemälde. Auf den Gemälden werden Original-Personen an
Original-Schauplätzen ziemlich realistisch dargestellt. Den Eindruck
verstärken diverse Gegenstände, die ähnlich wie bei einer Collage
vor den Gemälden platziert sind und das Dargestellte ergänzen. Alle
diese Gegenstände wie der verbogene Propeller eines abgeschossenen
Flugzeugs, Munitionskisten, Granathülsen, verbeulte Benzinfässer
usw. stammen von den Schlachtfeldern.
Verblüffend
und angenehm empfand ich in diesem Museum, dass die Sowjetsoldaten
nicht als die Superhelden und die deutschen Angreifer nicht als
fiese Schurken dargestellt werden. Es wird der Sieg der Roten Armee
über den Aggressor geschildert. Logisch, dass dabei immer Stolz
mitschwingt, doch wer freut sich nicht über einen Sieg, noch dazu
über einen so schwer erkämpften? Ich jedenfalls verstehe die Russen
und ihren Nationalstolz. Und dann frage ich mich manchmal, worauf ich
stolz sein kann...
Panorama-Museum |
das einzige erhalten gebliebene Gebäude Stalingrads |
Teil eines der vier Panorama-Gemälde |
die Wolga bei Wolgograd |
In einem dieser irrsinnig großen Supermärkte ergänzten wir unsere Lebensmittelvorräte, was dringend nötig war. Man stelle sich vor, vierzig Kassen, und alle sind besetzt. Und ein Warenangebot, wie es breiter nicht sein kann. Auf Grund des zur Zeit sehr günstigen Wechselkurses macht das Einkaufen erst recht Spaß.
Als wir
den wohltemperierten Konsumtempel wieder verließen, schlugen uns 33
Grad schwüle Hitze entgegen. Was für ein Schock.
Nach nur
115 km Fahrt durch die hitzeflimmernde Steppe fanden wir einen Platz
in einem dieser Windschutzstreifen. Es sah fast wie in Afrika aus.
nicht in Afrika, sondern in der russischen Steppe |
4.
September 2015
Weiter
ging es durch die Steppe. Elista erreichten wir am Vormittag. In
Elista steht die mit neun Metern Höhe derzeit größte Buddha-Statue Europas und ein großer, 2005 fertig gestellter buddhistischer Tempel. Den mussten
wir natürlich sehen. Er beeindruckte uns schon ob seiner Größe.
Wir durften ihn sogar betreten, obwohl die Mönche eine Art
Gottesdienst abhielten. Der für unsere Ohren eintönige Singsang der
Mönche hatte auf Dauer etwas Beruhigendes, Besänftigendes. Viele
der anwesenden Buddhisten saßen im Schneidersitz, die Hände mit
nach oben gekehrten Handflächen ruhten auf den Knien. Tief versunken
lauschten sie dem Gesang der Mönche. Die gesamte Atmosphäre gefiel
uns sehr gut.
buddhistischer Tempel in Elista |
typische buddhistische Gebetsfahnen |
Draußen
empfing uns wieder Gluthitze. In Elista, in dem Schach eine große
Rolle spielt, gibt es einen Stadtteil Chess City, den wir uns
eigentlich noch ansehen wollten. Die Gebäude wurden anlässlich der
Schacholympiade 1998 errichtet, sollen jetzt aber größtenteils leer
stehen. Da wir aber bis ans andere Ende der Stadt hätten fahren
müssen, opferten wir diesen Punkt einfach der Hitze.
So
allmählich können wir keine Steppe mehr sehen. Wir sind sozusagen
steppenmüde. 380 km schafften wir heute und fanden 60 km nordöstlich
von Stavropol einen ganz ähnlichen Stellplatz wie gestern, also
wieder in einem Windschutzstreifen, der uns Schutz vor der
nachmittäglichen Sonne und dem fast schon obligatorischen
Nachmittagswind oder -sturm bot. Doch ausgerechnet heute blieb der
Wind, der uns ein bisschen Abkühlung verschafft hätte, aus. Mit der
Folge, dass Unmengen von Stechfliegen uns das Leben schwer machten.
Diese Biester, deren Stich richtig weh tun kann, hatten es natürlich
wieder hauptsächlich auf mich abgesehen. Was habe ich nur
verbrochen, dass sämtliche stechenden Insekten sich immer an mir
austoben müssen???
Aber ein
Highlight gab es noch am Abend. Jutta brutzelte uns zwei wunderbare
Koteletts, die wir schon in Wolgograd gekauft hatten. Seit Wochen das
erste Mal wieder ein ordentliches Stück Fleisch! Was für ein
Genuss!
wieder stehen wir in der Steppe in einem Windschutzstreifen |
vertrocknete Blätter an den Bäumen |
und das bis zum Horizont |
5.
September 2015
Was für
eine Nacht! An Schlaf war anfangs überhaupt nicht zu denken. Es
regte sich kein Lüftchen, die Hitze in unserem Klappdach nahm uns
förmlich den Atem, obwohl wir alle Seitenfenster geöffnet hatten.
Noch vor Sonnenaufgang standen wir auf. Das Thermometer zeigte 30
Grad!
Heute
ließen wir offensichtlich die Steppe hinter uns. Das Land wurde
welliger und grüner. Fast schien es, als würden wir durch einen
riesigen Gemüsegarten fahren, denn überall an den Straßenrändern
boten Leute Unmengen von Tomaten zum Kauf an. Ganze Türme aus
Tomatenkisten standen am Straßenrand. Wer sollte nur diese Mengen
von Tomaten kaufen? Äpfel, Birnen, Wein, Gurken, Melonen, Zwiebeln,
alles wurde angeboten. Das Fahren machte wieder Spaß, weil es wieder
Abwechslung gab.
Am
späten Nachmittag kamen wir an die Grenze Nord-Ossetiens. Viel
Militär, kleiner Rückstau. Ein Uniformierter fragte nur, ob wir
Touristen seien und winkte uns lächelnd weiter. Wenige Kilometer
danach „verschwanden“ wir wieder mal für die Nacht von der
Bildfläche. Am Rand eines Feldes hinter Büschen und Bäumen
versteckt schlugen wir unser Lager auf. Zum Glück wehte hier ein
leichter Lufthauch und machte die abendliche Hitze erträglicher.
Gegen 22 Uhr knallten plötzlich in der Nähe Pistolenschüsse.
Stimmen drangen durch die Dunkelheit zu uns. Es klang aber alles
irgendwie ungefährlich. Wahrscheinlich ballerte jemand aus Jux und
Dollerei in der Gegend rum. Die Stimmen klangen eher belustigt als
aufgeregt. Bis Mitternacht knallten immer wieder mal zwei, drei
Schüsse, mal näher, mal weiter entfernt. Wir beschlossen, dass die
Situation ungefährlich für uns ist und versuchten zu schlafen.
sehen von Weitem täuschend echt aus |
Fake-Polizeiwagen |
6.
September 2015
In der
Nacht gegen halb drei schreckten wir doch noch einmal auf, als die
Schüsse plötzlich von der linken Seite her ertönten. Danach blieb
alles ruhig.
Wenn man
draußen in der Natur übernachtet, schläft man eh anders als zu
Hause oder in einem Hotel. Obwohl man ruhig und fest schläft, sind
die Sinne doch nicht ganz abgeschaltet.Speziell das Gehör arbeitet
immer noch recht gut. Sobald dann ein Geräusch ertönt, dass
irgendwie ungewöhnlich ist, ist man sofort hellwach. Wahrscheinlich
schlafen alle Wildtiere so. Doch in dieser Nacht schliefen wir doch
etwas unruhiger, da wir die Ursache für die nächtliche Knallerei
nicht kannten.
Etwas
unausgeschlafen machten wir uns schon beizeiten auf den Weg zur
georgischen Grenze, die wir gegen 10 Uhr erreichten. Bis dahin
bewunderten wir immer wieder die herrlichen schneebedeckten Gipfel
des Kaukasus. Scheinbar greifbar nahe ragten sie vor uns auf, u.a.
der dritthöchste Berg des Kaukasus, der Kasbek mit seinen 5033
Metern.
Kaukasus |
Schon
weit vor der Grenze wunderten wir uns über den kilometerlangen
LKW-Rückstau. Sollte die Grenze etwa geschlossen sein? Letztlich
standen 24 PKWs vor uns in der Reihe. Schnell stellte sich heraus,
dass die Abfertigung recht zügig vonstatten ging. Sowohl auf
russischer als danach auch auf georgischer Seite wurden wir schnell,
korrekt und freundlich behandelt. Nach nur 1:45 Stunden lag die
Grenze hinter uns. Wenn es doch immer so stressfrei und schnell
gegangen wäre...
Auf der
georgischen Seite stauten sich noch viel mehr LKWs. Es müssen
hunderte gewesen sein. Die armen Trucker, wie lange werden sie wohl
hier zubringen müssen?
Hunderte LKWs stauen sich auf der georgischen Seite |
Die
Georgische Heerstraße wand sich durch eine wunderschöne
Gebirgslandschaft immer weiter in die Höhe, bis wir den Jvari-Pass
in 2395 m Höhe überquerten. Immer neue wunderbare Ausblicke boten
sich uns. Alte Kirchen, Klöster und Burgen thronen auf Bergspitzen
oder schmiegen sich an den Hang. Wir können uns kaum satt sehen. Uns
fallen auch eine Unmenge kleiner Restaurants entlang der Straße auf.
Das eine oder andere werden wir sicher mal ausprobieren.
Neben
einem malerischen Fluss schlugen wir unser Lager auf. Wir
beobachteten, wie die Sonne hinter den Bergen versank, als uns kurz
darauf ein eigenartiger, unangenehmer Geruch um die Nasen wehte. Der
Wind hatte sich gedreht. Dank meiner Spürnase folgte ich dem
widerlichen Gestank und entdeckte keine hundert Meter weiter eine
tote Kuh am Flussufer. Verwesungsgestank wehte also ab und zu zu uns
herüber. Doch es war schon zu spät und zu dunkel, um einen anderen
Stellplatz zu suchen. Glücklicherweise ließ der Wind nach und
drehte wieder zurück in seine ursprüngliche Richtung, so dass wir
in der Nacht bei klarer Luft schlafen konnten.
7.
September 2015
Tbilisi,
die Hauptstadt Georgiens, wollten wir heute besuchen. Sie empfing uns
mit viel Autoverkehr und großer Hitze schon am Vormittag. Einen
Parkplatz zu finden erwies sich als sehr schwierig. Wir kurvten durch
die quicklebendige Stadt mit vielen modernen Gebäuden. Nachdem wir
endlich einen Parkplatz gefunden hatten und durch ein paar Straßen
gelaufen waren, erschlug uns die Hitze förmlich. Wie gesagt, wir
sind nicht so die Städtegucker, und so verabschiedeten wir uns recht
schnell von der georgischen Metropole.
Auf der
wie eine Autobahn perfekt ausgebauten E60 fuhren wir in westlicher
Richtung, verließen aber bei Khashuri die Hauptroute, die nach
Batumi am Schwarzen Meer führt. Batumi ist zwar auch unser Ziel,
doch wir wollen es auf einer Nebenstrecke, die durch den Kleinen
Kaukasus führt, erreichen.
In der
Kleinstadt Khashuri gelang es uns auch endlich, eine georgische
SIM-Karte zu kaufen. Ein entsprechendes Geschäft zu finden, erschien
fast unmöglich.Ich sprach einen jungen Mann an, der eben mit seinem
Handy telefonierte. Er sprach gut englisch und führte mich sofort zu
einem Beeline-Laden, den ich ohne nie gefunden hätte. Für rund vier
Euro können wir nun einen Monat lang online gehen.
Auch
heute stellten wir uns wieder an einem Fluss in einem schönen Tal
für die Nacht auf. Als uns am Abend vom gegenüberliegenden Ufer aus
zwei Männer lange Zeit mit dem Fernglas beobachteten, wunderten wir
uns schon etwas. Man kann ja nie vorsichtig genug sein. Als die
Dunkelheit hereinbrach, klärte es sich allerdings schnell auf.
Hinter Bäumen verborgen stand ein Haus, das wir erst jetzt sehen
konnten, da dort Licht eingeschaltet worden war. Neben dem Haus
erstreckte sich ein riesiger Obstgarten. Die zwei Beobachter waren
sicher in Sorge um ihr Obst. Beruhigt gingen wir schlafen.
8.
September 2015
Wir
hatten letzte Nacht sogar einen Wächter, der auf uns aufpasste. Ein
junger Hund, der gestern Abend plötzlich neben uns stand und uns so
treuherzig ansah, bekam natürlich etwas zu fressen. Selbst trockenes
Brot schlang er gierig herunter. Er musste großen Hunger haben. Zum
Dank blieb er die ganze Nacht neben unserem Auto liegen. Natürlich
belohnten wir ihn am Morgen mit einem ausgiebigen Hunde-Frühstück.
unser "Nachtwächter" |
Gemächlich
rollten wir dann durch eine herrliche Mittelgebirgslandschaft mit
sanften, grünen Hügeln und kleinen Dörfern. Auf vielen winzigen
Feldern waren ganze Großfamilien mit der Kartoffelernte beschäftigt,
die hier noch nach traditioneller Art mit krumm gebeugtem Rücken per
Hand aufgesammelt werden. Einmal fragte Jutta, ob sie ein paar
Kartoffeln kaufen könnte. Sie kam mit einem großen Plastikbeutel
voller erntefrischer wunderbarer Kartoffeln zurück. Der Bauer wurde
richtig böse, als sie ihm Geld für die Kartoffeln anbot. Auf keinen
Fall wollte er Geld annehmen. Er schenkte uns die Kartoffeln und
freute sich, dass wir uns freuten.
In
Ahalcihe stießen wir auf die P1 und folgten ihr westwärts. Als es
wieder in die Höhe ging, endete die Asphaltstraße und wir holperten
wieder mal auf einer Schotterpiste immer weiter hinauf. In knapp 1600
m Höhe fanden wir auf einer großen Waldlichtung einen herrlichen
Stellplatz. Große Fichten und Tannen umgeben uns und rauschen leise
im Wind. Es ist so wundervoll friedlich hier. Von der Schotterstraße
sind wir ein gutes Stück entfernt, so dass wir wieder mal
„unsichtbar“ sind. Beste Voraussetzungen also für eine ruhige
Nacht.
eine der vielen Burgruinen |
der Gecko in leichter Schräglage |
unser einsamer Stellplatz für zwei Nächte |
9.
September 2015
Wie
erhofft lag eine absolut ruhige, aber auch recht frische Nacht hinter
uns. Klare, saubere Luft, angenehme Temperatur, wunderbare Ruhe, hier
bleiben wir einen ganzen Tag zum relaxen. Und zum Blog schreiben.
Hochladen kann ich nichts, da es hier in den Bergen natürlich kein
Netz gibt. Morgen werden wir weiter in Richtung Schwarzes Meer
fahren, wo dann sicher Gelegenheit ist, Text und Fotos für unsere
neugierigen Mitleser hochzuladen.
Am
späten Nachmittag gab es nach einem völlig relaxten Tag doch noch
eine eigenartige Überraschung. Wir saßen beide in der sanften
Nachmittagssonne und lasen, als plötzlich 15 Meter neben uns ein
Mann den Berg hoch kam. Er rief etwas, das wir natürlich nicht
verstanden. Als er sich uns näherte, kamen wir erst recht ins
Grübeln. Er sah völlig verwahrlost aus. Mit einem angespitzten
Stock fuchtelte er in der Gegend herum, was aber nicht bedrohlich
wirkte. Er trug eine uralte, ehemals schwarze Trainingshose und ein
dunkelblaues speckiges Jackett. Wir begrüßten uns per Handschlag,
eine Verständigung war jedoch nicht möglich.
Er sah
so völlig verwahrlost aus, aber nicht verhungert. Parkinson
schüttelte ununterbrochen seine Hände und Arme. Sein Blick wirkte
irgendwie gehetzt oder verängstigt. Nun standen wir schon zum
zweiten Mal vor solch einer eigenartigen Situation. Was macht man da?
Auf Zeichensprache reagierte er überhaupt nicht. Er plapperte
ununterbrochen wahrscheinlich auf grusinisch. Das einzige
verständliche Wort war immer wieder „maschina“, was auch hier
vermutlich „Auto“ heißt. Aber was wollte er nur? Wir zuckten nur
verständnislos die Schultern, obwohl wir uns alle Mühe gaben, zu
verstehen, was er wollte. Nach vielleicht zehn Minuten lief er
langsam mit seinem Stock fuchtelnd davon. Was für eine Begegnung!
Und das mitten in den Bergen, wo weit und breit kein Dorf ist.
Vielleicht haust er ja als Eremit irgendwo im Wald? Wir wissen es
nicht und werden es auch nie erfahren.