2.
August 2015
Die
letzte Nacht war etwas unruhig, da gegen Mitternacht drei Autos mit
jungen Leuten kamen, die dann laute (aber immerhin gute) Musik
spielten, uns aber nicht weiter beachteten. Nach halb drei zog dann
wieder Ruhe ein.
Vom See
weg fuhren wir über einen Pass und dann hinunter nach Kara-Köl. Wir
wollten uns gern die Staumauer ansehen, doch ein versperrtes Tor und
bewaffnete Soldaten verhinderten dies. Wahrscheinlich hat man hier
große Angst vor Terroranschlägen.
bis zur Staumauer durften wir leider nicht |
der Naryn |
In
Kara-Köl war Einkaufen angesagt. Leider gab es auch hier wieder kein
Fleisch zu kaufen. Wir kommen auch mal ein paar Tage ganz gut ohne
Fleisch aus, doch das letzte Stückchen Fleisch, das wir gegessen
haben, war ein Schaschlyk irgendwo in Kasachstan, und das ist nun
schon eine ganze Weile her. Allmählich stellt sich also der Appetit
ein. Es ist nicht so, dass es überhaupt kein Fleisch zu kaufen gäbe,
doch entweder liegt es laut Datumsstempel schon seit Monaten in einer
Tiefkühltruhe, oder ein undefinierbarer Fleischklumpen fristet sein
Dasein auf einer Ladentheke. Beides regt uns nicht zum Kauf an.
Immerhin sind wir schon über 100 Tage unterwegs, ohne dass uns
Montezumas Rache getroffen hätte, und das soll auch so bleiben.
Als ich
im Auto sitzend gerade beim Bloggen war, sprach uns eine junge Frau
an. Sie sei Journalistin und arbeite für eine kirgisische
Nachrichten-Website (www.turmush.kg/ru).
Sie stellte eine Menge Fragen, schoss einige Fotos und verabschiedete
sich wieder mit dem Versprechen, das Interview mit uns auf der
Website zu veröffentlichen. Leider hatten wir bisher noch keine
Gelegenheit nachzusehen, was daraus geworden ist.
Bei
glühender Hitze fuhren wir auf der M41, die hier stets dem Fluss
Naryn folgt, in Richtung Süden. Eigentlich wollten wir heute nicht
sehr weit fahren, doch es fand sich einfach keine Stellmöglichkeit.
Wir fuhren und fuhren auf immer schlechter werdender Straße.
vielleicht wären solche Mahnmale auch in Deutschland hilfreich |
der Tunneleingang sieht nicht gerade vertrauenerweckend aus |
wer sich vor oder nach der Tunneldurchfahrt erleichtern möchte... |
Was uns
schon seit Grenzübertritt auffiel, bestätigte sich hier wieder
auffallend: Kirgistan ist offensichtlich Audi-Land. Unglaublich, wie
viele Audi hier durch die Gegend fahren. Aber auch Mercedes ist stark
vertreten, sowohl PKW, aber vor allem auch Sprinter, die hier
hauptsächlich in Minibus-Ausführung als „Marschrutnaja Taxi“
zur Personenbeförderung eingesetzt werden.
Die
schroffen Berge waren längst sanften Hügeln gewichen, alle um die
600 Meter hoch. Die schwüle Hitze und vor allem die sehr schlechte,
holprige und buckelige Straße machte uns zu schaffen. Was aber
unsere Laune auf den Nullpunkt sinken ließ, war der allgegenwärtige
Gestank. Ein Dorf reiht sich an das andere, und in jedem Dorf brennen
mehrere Feuer, mal groß, mal klein. Offensichtlich verbrennen die
Leute ihren Müll. Als Folge liegt eine Dunst- und Rauchschicht über
dem Land, dass man meint, man müsste ersticken. Hinzu kommen dann
noch diverse Tierkadaver am Straßenrand, die eine weitere „Duftnote“
hinzufügen. Wie die Leute hier das aushalten, ist uns schleierhaft.
Immer
wieder winken uns Menschen zu, Autos hupen beim Überholen, man
begrüßt uns wohl als Gäste, aber unsere Laune bessert sich dadurch
nicht wirklich. Dann hatten wir auch noch irgendwie die Orientierung
verloren. Wir wussten zwar, dass wir auf der M41 in der richtigen
Richtung unterwegs waren, doch keiner der durchfahrenen Orte fand
sich auf unserer Karte. Ortsschilder gab es kaum, und wenn, dann
unterschied sich die Schreibweise stark von der in unserer Karte und
in den Navis.
Irgendwann,
es dämmerte schon, fanden wir dann doch noch einen ruhigen,
rauchfreien Platz zwischen Hügeln und abgeernteten Getreidefeldern.
Gierig und ziemlich kaputt stürzten wir erst mal ein kühles Bier in
unsere durstigen Kehlen.
doch noch ein ruhiges Plätzchen gefunden |
3.
August 2015
Gegen 9
Uhr zeigte das Thermometer schon 27 Grad. Es sollte wieder ein heißer
Tag werden.
Ungefähr
450 km sind es noch bis zur Grenze Tadschikistans, und wir haben noch
drei Tage Zeit. Wir können es also ganz gemütlich angehen.
Als wir
den ersten Ort erreichten, stellten wir verblüfft fest, dass wir
Dschalalabad gestern schon durchfahren hatten, ohne es bemerkt zu
haben. So etwas ist uns auch noch nicht passiert. Gestern ging
praktisch ein Ort in den anderen über, ohne dass man wusste, in
welchem man sich gerade befand.
Wir
umfuhren südlich von Dschalalabad einen großen See, der aber nur
noch wenig Wasser enthielt. Kein Wunder, denn viele Flüsse, die wir
bisher überquerten, führen kaum noch Wasser oder waren völlig
ausgetrocknet. Einheimische bestätigten uns schon mehrfach, dass
dieses Jahr unnormal heiß und trocken sei.
Bei der
Fahrt durch das südliche Kirgistan fiel uns im Vergleich zum
nördlichen Teil immer wieder auf, dass die Häuser in den
zahlreichen Dörfern wesentlich ärmlicher, ja teilweise regelrecht
elend aussehen. Den Grund dafür kennen wir nicht. Auch der Müll ist
hier wieder ähnlich stark vertreten wie in der Mongolei und
Russland. Vielleicht gibt es hier gibt es hier eine Art
Nord-Süd-Wohlstandsgefälle.
Unzählige
Menschen bieten an den Straßenrändern hauptsächlich Melonen,
Tomaten und Zwiebeln, aber auch Äpfel und Aprikosen zum Kauf an. Als
wir mal anhielten und ein Kilo Tomaten erstanden, wollte der
Verkäufer nicht mal Geld haben (was er aber dennoch erhielt). Die
einfachen Leute zocken hier Fremde nicht ab, sondern beschenken sie
sogar noch. Und das waren Tomaten, die tatsächlich wie Tomaten
schmeckten...
In der
Großstadt Osh empfing uns das übliche Chaos. Wir wollten wieder mal
ein Postamt ansteuern.. Als ich der Anweisung des Navis folgte und an
einer Ampelkreuzung rechts abbog, wurde ich sofort danach von der
Polizei herausgewunken. Ich war mir keinerlei Schuld bewusst. Der
Polizist in schmucker Uniform machte mir klar, dass hier
Rechtsabbiegen verboten sei. Komisch, andere Autos taten es doch
auch, durften aber weiterfahren. Ich hatte auch keinerlei
Verbotsschild gesehen.
Ich
versuchte, ihm zu erkläre, dass wir ein Postamt suchten, zeigte ihm
unsere beiden großen Briefumschläge, die schon mit Marken aller
Länder beklebt sind, durch die wir bereits gefahren sind, und
stellte mich ansonsten (wieder mal) dumm. Die Idee mit den
Briefmarken schien ihm zu gefallen, denn er erklärte mir nun
wortreich, wo das nächste Postamt sei. Ich nickte immer
verständnisvoll, bis er sich per Handschlag verabschiedete. Wieder
mal Schwein gehabt. Die Suche nach dem Postamt gaben wir beizeiten
auf. Bloß raus aus diesem Chaos!
in Osh |
Also
fuhren wir weiter in Richtung Sary-Tash. An einem Fluss, der noch ein
bisschen Wasser führte, legten wir eine Pause ein, wuschen Wäsche
und aßen eine Hälfte der letzten Melone, die wir schon seit Almaty
herumschleppen (eine der vier geschenkten Melonen).
Wäsche waschen wie früher |
Danach
überquerten wir den 2408 m hohen Chyrchyk-Pass, dessen rote Felsen
uns sehr beeindruckten. Wenige Kilometer, nachdem wir Gülchö hinter
uns gelassen hatten, fanden wir einen zwar hässlichen, aber von der
Straße aus nicht sichtbaren Stellplatz. So einen Platz in dem engen
Tal zu finden, war nicht ganz einfach. Uns umgab der Müll einer
kirgisischen Familie, die hier offensichtlich für längere Zeit ihre
Jurte stehen hatte. Unmengen von Plastikflaschen aller Art, kaputte
Schuhe, kaputtes Spielzeug, vor allem aber die Hinterlassenschaften
ihrer Tiere sowie jede Menge Fellreste und Knochen ergaben kein
schönes Umfeld, doch uns war es wichtig (weil sicherer), dass man
uns von der unvermutet stark befahrenen Straße nicht sehen konnte.
Auf nächtliche und vor allem ungebetene Besucher haben wir keinen
Bock.
der Chyrchyk-Pass |
4.
August 2015
Zwei
Autos kamen in der Nacht direkt zu uns gefahren, wendeten aber
sofort, als sie uns sahen. Trotzdem schliefen wir etwas unruhig.
Wir
fuhren weiter in Richtung Sary-Tash durch einige Dörfer, in denen
uns immer wieder die offensichtliche Armut bedrückt. Von knapp 1700
m Höhe am Morgen kletterten wir bis auf fast 2500 m. Gewaltige Berge
türmten sich rundum auf. Leider spielte das Wetter nicht ganz mit.
Leichter Nieselregen und Wolken ließen uns die Berge nur zeitweise
erkennen.
Nach
nicht einmal 50 km Fahrt fanden wir weitab der M41 ein wunderbares
Plätzchen mit Blick auf rote Felsen und blaue Berge. Das Wetter
hatte sich auch gebessert und wir wunderten uns über die Wärme (25
Grad) in dieser Höhe.
Am
frühen Nachmittag staunten wir nicht schlecht, als zwei junge
Burschen um die 17 Jahre aus den Bergen hinter uns gewandert kamen.
Sie wunderten sich ebenso über uns und fragten, was wir hier machen
würden. Unsere Route interessierte sie weniger, eher schon das Auto.
Irgendwie verhielten sie sich aber eigenartig. Sie erklärten, dass
sie auf der Jagd seien. Offenbar hatten sie uns dann als harmlos
eingestuft, gingen zurück bis zur nächsten Biegung und brachten
dann ihre Jagdbeute an: ein kleiner Hase und ein fast doppelt so
großes Tier, das einem Murmeltier mit orangem Fell ähnelte. Ein
paar Fallen schleppten sie auch noch mit sich herum. Sie freuten sich
auf ihr Essen, beide Tiere würden sehr gut schmecken, erklärten sie
uns. Junge Wilderer also. Na ja, uns sollte es egal sein. Wir
wunderten uns dann nur noch, als sie das Murmeltier, dessen Pfote
noch in der Falle steckte, einfach an einer Schnur hinter sich her
über den Boden schleiften. Bis zum Dorf sind es noch gut drei oder
vier Kilometer. Wir sind zwar keine Jäger, aber dass man so mit
seiner Beute umgeht, haben wir noch nie gesehen.
Wenig
später setzte leichter Regen ein, die Temperatur sank merklich, und
seitdem sitze ich hier im Gecko und tippe für den Blog in der
Hoffnung, morgen in Sary-Tash den neuen Beitrag hochladen zu können.
Übermorgen
wollen wir dann nach Tadschikistan einreisen und hoffen, dass wir an
der Grenze keine Probleme bekommen. Wir fuhren heute schon auf dem
Pamir-Highway, der zweithöchsten Passstraße der Welt. Der
Grenzübergang befindet sich in 4200 m Höhe. Einige Pässe liegen
dann vor uns, der höchste mit fast 4700 Metern. Drückt uns die
Daumen, dass unser Gecko auch in diesen Höhen tapfer durchhält. Wir
werden uns sicher erst in einigen Tagen wieder melden können,
vermutlich, wenn wir Murgab erreicht haben werden.
Und wie
immer: bleibt schön neugierig...
ein Wohnhaus, erbaut aus Containern |
mit solchen Fuhren muss man jederzeit rechnen |
hübsches Haus |
mitten in roten Bergen |
5.
August 2015
Sechs
Grad am frühen Morgen, das hatten wir schon lange nicht mehr. Doch
die Sonne lachte vom blankgeputzten Himmel und wärmte uns recht
schnell.
Und
wieder faszinierte uns diese herrliche Bergwelt. Mal leuchten die
Berge rostrot, andere strahlen fast weiß, Brauntöne herrschen
jedoch vor. Das dunkle Blau des Himmels komplettiert dieses Spiel
der Farben. Wir können uns einfach nicht satt sehen an dieser
Pracht.
nur 6 Grad am Morgen |
hinter dem leicht grünen Hügel links standen wir letzte Nacht |
Unser
Gecko trug uns immer weiter hinauf in Höhen, die wir mit einem Auto
noch nie erreicht hatten. Heute übertrafen wir unseren Höhenrekord
von 3339 Metern, aufgestellt 2014 auf einem Pass in Costa Rica,
deutlich. 3590 m zeigte das Navi an, als wir heute den Taldyk-Pass
überquerten. In dieser Höhe spürt man schon recht deutlich, dass
die Luft wesentlich weniger Sauerstoff enthält. Wenn wir dann bei
einem Fotostopp nur mal einen kleinen Hügel hinaufsteigen, rast die
Pumpe schon ganz schön. Auch der Gecko hat es nicht mehr so leicht.
Der zweite Gang muss viel öfter ran als sonst. Die schwarzen
Rußwolken sind nun völlig normal.
hier wird Dung als Heizmaterial getrocknet |
moderne Nomaden |
das Navi zeigt uns, was vor uns liegt, der Weg hinauf zum Taldyk-Pass |
und so sieht es dann in natura aus |
Wenige
hundert Meter nach der Passhöhe kam uns ein Radfahrer entgegen. Der
Schweizer Michael und,dessen Weggefährten aus Neuseeland die bald
darauf heranschnauften, gaben uns wertvolle und wichtige
Informationen über den aktuellen Zustand des Pamir-Highways, der z.
Zt. über weite Strecken gesperrt ist. Die Schneeschmelze hat in
diesem Jahr erst sehr spät eingesetzt. Gewaltige Wassermassen
strömten dann aus den Bergen hinab in die Täler, überschwemmten
einige Dörfer, spülten Teile der Straßen weg und rissen Brücken
mit sich fort. Wir müssen also einen großen Umweg fahren. Aber
vielleicht schreiten die Reparaturarbeiten schneller als gedacht
voran.
so wohnt man in den Bergen |
oder auch so |
Michael
schenkte uns seine SIM-Karte aus Tadschikistan, so dass wir uns darum
nicht kümmern müssen. Und wie der Zufall so spielt, hatten die drei
Radler noch einige tadschikische Somoni übrig und wir kirgisische
Som. So fand der Geldumtausch auf der Straße ohne jede Elektronik
und völlig problemlos statt.
Wenig
später erreichten wir Sary-Tash, ein ziemlich trostloses Nest. Eine
ganze Weile suchten wir nach einem Laden, fanden auch einen Minimarkt
und konnten immerhin Wasser kaufen. Brot gab es nicht. Wir fragten
eine Frau, ob es noch einen Laden gäbe, wo wir Brot kaufen könnten.
Daraufhin wollte sie wissen, wie viele Brote wir haben möchten und
bedeutete Jutta dann, dass sie mit ihr mitkommen solle. Als Jutta
nach einigen Minuten zurückkam, brachte sie ein Fladenbrot mit und
dazu eine der hier üblichen Teeschalen voller Butter. Die Butter
gehört einfach zum Brot dazu, hatte die Frau gemeint und das
Schälchen natürlich auch. Wenigstens hatte sie das Geld für das
Brot angenommen. Und nun mag jeder für sich selbst in Gedanken mal
durchspielen, wie er reagieren würde, wenn ein Ausländer dich
anspricht und gerade mal vier Worte sagt: „Bitte, Geschäft, Brot
kaufen!“ Nimmst du ihn dann mit zu dir nach Hause, verkaufst ihm
ein Brot und schenkst ihm eine Butterdose samt Inhalt? Einem
wildfremden Ausländer? Wir finden es immer wieder toll, solche
Erfahrungen zu machen.
Zwei,
drei Kilometer außerhalb des Ortes stoppte uns eine Militärposten
mit zahlreichen Soldaten. Passkontrolle, woher, wohin, gute
Weiterreise. Wir hatten gehört, dass es aktuell Grenzkonflikte
zwischen Kirgistan und Tadschikistan gäbe und vermuteten, dass
deswegen diese Kontrolle stattfand.
Wir
fuhren über eine weite Ebene, und die Bergriesen des Pamir rückten
immer näher. Je höher sie vor uns aufragten, desto mehr Respekt
flößten sie uns ein. Was für ein Anblick, ein schneeglänzender
Gipfel neben dem anderen und viele davon über 4000, einige sogar
über 5000 Meter hoch.
Nachdem
wir ein weiteres Mal von einem Militärposten angehalten wurden,
fanden wir vor dieser eindrucksvollen Kulisse unseren letzten
Stellplatz in Kirgistan. Auch hier dauerte es nicht lange, bis zwei
berittene Soldaten nach unserem Woher und Wohin fragten.
Während
des Abendessens fiel mir dann ein, dass ich in Sary-Tach den Blog
aktualisieren wollte. Das hatten wir bei der Sucherei nach einem
Brotladen völlig vergessen. Nun war es zu spät und alle Mitleser
und Mitreisenden müssen sich sicher ein paar Tage gedulden, bis es
wieder Neues von uns zu lesen gibt.
die Berge des Pamir direkt vor uns |
6.
August 2015
Noch vor
sieben Uhr stellten sich die ersten Besucher ein. Erst trieb ein
Reiter eine große Pferdeherde mit vielen Fohlen vorbei. Gleich
danach kam der nächste Reiter mit wettergegerbtem Gesicht und
fragte, warum wir nicht ein Stück weiter bei ihm übernachtet
hätten. Hier sei es kalt und windig, bei ihm hingegen warm und
still, und Wasser hätte er auch. Tja, wäre er doch gestern Abend
hier vorbeigekommen... Und schließlich ritt ein vielleicht
zehnjähriger Junge auf seinem Esel heran, stellte sich direkt hinter
unser Auto und guckte nur. Na, das kannten wir ja nun schon zur
Genüge. Eine Unterhaltung war nicht möglich. Stolz präsentierte er
aber eine riesige goldfarbene Armbanduhr, die er auf dem Ärmel
seiner ziemlich speckigen Jeansjacke trug. Als wir ihm ein paar Kekse
und einen Stielbonbon gaben, leuchteten seine Augen auf, murmelte ein
„Spassiba“, legte bei seinem Esel den Geländegang ein und ritt
den steilen Hang hinauf.
Als wir
losfuhren, kamen wir tatsächlich an einem Bauwagen vorbei (diese
werden hier gerne als Jurtenersatz verwendet), vor dem ein Pferd und
ein alter Lada standen. Hier hätten wir vermutlich besser gestanden.
Wir
staunten nicht schlecht, als wir um den nächsten Hügel bogen und schon das erste Grenzgebäude vor uns auftauchte. Innerhalb weniger Minuten
war die Ausreise aus Kirgistan erledigt. Bei der Passkontrolle wurden
wir tatsächlich auf den Vermerk auf der Zollerklärung aufmerksam
gemacht und bestätigt, dass wir gerade noch rechtzeitig die Grenze
erreicht hätten. Also war es doch gut, dass die Polizisten das Datum
„korrigiert“ hatten. Wer weiß, welchen Ärger wir jetzt hier an
der Grenze bekommen hätten. Trotzdem wüssten wir nur zu gern, warum
wir diesen Eintrag bekommen hatten, der ja unsere Aufenthaltsdauer
ganz wesentlich einschränkte.
Am Ende
der nächsten 20 Kilometer ging es steil bergauf bis auf 4250 m
hinauf. Die Grenze zu Tadschikistan war erreicht. Wenn wir nicht
wüssten, dass es ein Grenzübergang ist, würden wir es für ein
vergammeltes Werkstor oder Ähnliches halten.
im Niemandsland zwischen Kirgistan und Tadschikistan |
ein Stück Straße wurde hinweggespült |
also nehmen wir die Alternative |
So eine
Grenzabfertigung wie diese haben wir noch nie erlebt. Um es
vorwegzunehmen: Alles lief völlig korrekt ab. Das war es nicht, was
uns so schockiert hatte, sondern die Räumlichkeiten, in denen alles
ablief. Die Jungs, die dort Dienst tun, sind wirklich nicht zu
beneiden. Zu viert hocken sie in einem winzigen, völlig
verräucherten Kabuff. Zwei Doppelstockbetten stehen über Eck, ein
uralter Schreibtisch und ein wackliger Stuhl vervollständigen die
Einrichtung. Mehr passt auch nicht rein, denn der Raum misst
höchstens sechs oder sieben Quadratmeter. Auf dem Stuhl sitzt einer
der vier und schreibt unsere Personalien in ein Buch. Ich stehe ohne
Schuhe, die man hier höflicherweise beim Betreten des Raumes
auszieht daneben und versuche, irgendwie bei Atem zu bleiben. Nicht,
dass die Jungs hier rauchen würden, der eiserne Kohleofen im Vorraum
qualmt so leise vor sich hin. Wie die das hier drin aushalten und
schlafen können, ist mir ein Rätsel.
In einem
anderen Gebäude (Hütte bezeichnet es eigentlich besser), schmeißt
wiederum ein eiserner Ofen eine unheimliche Hitze. Hier darf ich 25
US-Dollar bezahlen. Wofür, wurde mir nicht so richtig klar. Der
junge Mann erklärte mir, dass ich mit diesem Beleg, den ich bekam,
keine weitere Gebühr im Land bezahlen müsste. Na gut, ich hoffe, er
hat Recht. Schließlich werde ich durch eine Art Schuppen mit allem
möglichen Unrat geleitet, um dann ein weiteres Dokument fürs Auto
ausgestellt zu bekommen. Kostenlos! Er bot mir noch an, etwa übrig
gebliebene kirgisische Som in tadschikische Somoni umzutauschen. Das
kam mir sehr gelegen, auch wenn er dabei einen für ihn recht
günstigen Kurs ansetzte. Damit öffnete sich das zweite Tor und wir
waren in Tadschikistan, dem zehnten Land unserer Reise.
Wir
fuhren durch eine traumhaft schöne Bergwelt. In der Ferne grüßten
die vom Schnee weiß glänzenden 5000 oder sogar mehr als 6000 Meter
hohen Berge. Wir erreichten den auf 4020 m Höhe liegenden
Karakul-See, an dessen Ufer wir eigentlich die Nacht verbringen
wollten. Doch schon nach wenigen Minuten war klar, dass wir wieder
mal vor winzigen Plagegeistern fliehen müssen. Winzig kleine, fast
völlig vertrocknete Pflanzen bedecken hier den Boden. Sobald man
darauf tritt, scheucht man ganze Wolken winziger Insekten auf. Einige
stechen, andere nicht. Für uns Grund genug, hier abzuhauen.
Tadschikistan ist erreicht |
in solchen Höhen darf ein Diesel qualmen (Blick in den Spiegel) |
Karakul-See |
der Ort Karakul |
Eine weitere Bewährungsprobe, wenn nicht sogar die größte für den Gecko lag vor uns. Er bestand sie glänzend! Wir erreichten den höchsten Punkt unserer Reise, als wir den Akhaytal-Pass mit 4663 Metern überwanden. Klar, es rauchte wieder aus dem Auspuff, doch was soll's. Wieder eine Hürde überwunden! Immer wieder bewunderten wir die Radfahrer, die dieses Abenteuer bestehen.
der höchste Punkt unserer Reise ist erreicht |
hier beginnt der Abstieg |
unglaublich: auf über 4500 m Höhe leben Menschen |
Kurz vor
Murgab hatten Wassermassen eine Brücke weggerissen. Vor Tagen sind
hier noch Autos im Fluss stecken geblieben. Wir hatten Glück, das
Wasser floss nicht mehr so heftig. Zufällig kamen zwei einheimische
Autos, die den richtigen Weg wussten, so dass wir nur
hinterherzufahren brauchten, um sicher die andere Seite zu erreichen.
Trotzdem steigt bei solchen Aktionen jedes Mal der Puls an...
die Brücke kurz vor Murgab gibt es nicht mehr |
In
Murgab, der zu Sowjetzeiten höchstgelegenen Stadt der UdSSR, fanden
wir hinter dem Hotel Pamir einen Stellplatz. Nicht schön, aber
zumindest sicher. Wir standen noch nicht lange, als ungefähr 20
Meter von uns entfernt ein Generator anfing, laut zu tuckern und
stinkende Abgaswolken auszustoßen. Glücklicherweise wurde er gegen
halb elf abends abgeschaltet. Kaum trat Ruhe ein, fingen die Hunde an
zu bellen und zu jaulen. Aber auch Hunde werden mal müde, denn
irgendwann trat Ruhe ein.
7.
August 2015
Ein Tag
ohne große Höhepunkte. Geld umtauschen, SIM-Karte aufladen, im Ort
herumspazieren, ausruhen, mehr passierte heute nicht.
Murgab |
hier steht er noch strahlend weiß, der olle Lenin |
Murgab war teilweise überschwemmt |
auch alte Autotüren kann man zum Bauen verwenden |
Moschee in Murgab |
Nachwuchssorgen kennt man in Tadschikistan nicht |
hier wird Brot gebacken |
8.
August 2015
Am
Vorabend hatten wir von zwei Kanadiern im Hotel erfahren, dass heute
und morgen hier ein internationales Pferdefestival stattfinden soll.
Das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen, auch wenn wir
dann noch eine Nacht hier zubringen müssen.
Zunächst
musste ich jedoch nun schon zum zweiten Mal auf dem rechten Hinterrad
Luft aufpumpen. Hier deutete sich ein schleichender Plattfuß an.
Kein Wunder bei diesen Pisten.
Gegen 10
Uhr fuhren wir zum Festgelände. Die Einheimischen strömten
ebenfalls zu einer weiten, ebenen Fläche außerhalb des Ortes.
Obwohl sich einige hundert Zuschauer einfanden, sah es hier nicht
nach einem großen Festival aus. Gerade einmal acht Pferde konnten
wir entdecken. Die Französin, die das Festival seit Jahren
organisiert, erklärte, dass viele Teilnehmer wegen der starken
Regenfälle in den vergangenen Tagen nicht nach Murgab kommen
konnten.
So gab
es nur ein stark abgespecktes Programm, das eigentlich nur aus einem
einzigen Wettbewerb bestand. Auf einer vielleicht 200 m langen
Geraden startete immer ein Pärchen. Das Mädchen bekam ein paar
Meter Vorgabe. Der junge Mann musste nun versuchen, das Mädchen
einzuholen. Schaffte er das, so durfte er das Mädchen küssen.
Sofort danach startete das gleiche Pärchen wieder in der
Gegenrichtung, diesmal der Junge zuerst. Wenn das Mädchen es
schaffte, ihn einzuholen, durfte sie ihn schon während des Rittes
ordentlich mit ihrer Reitpeitsche den Buckel bearbeiten. Das Ganze
lief natürlich unter großer Anteilnahme der Zuschauer ab. Es war
nicht auszumachen, ob nun die Mädchen oder die männlichen
Teilnehmer den größeren Ehrgeiz an den Tag legten. Auf jeden Fall
waren sie alle mit großer Begeisterung und vollem Einsatz bei der
Sache. In vollem Galopp jagten sie über die steinige Strecke,
natürlich in ihren farbenprächtigen Kostümen. Für uns war es ein
tolles Erlebnis, auch wenn wir gerne noch mehr davon gesehen hätten.
holt sie ihn noch ein? |
er war zu langsam und spürt die Peitsche |
auch ohne Festkleidung schön |
Siegerehrung: die Sieger erhielten eine große Gasflasche und einen Kocher |
Auf dem
Festgelände lernten wir eine Familie aus Dresden kennen, die mit
ihren drei Kindern Tadschikistan besuchen. Sie schlugen uns vor,
zusammen mit ihnen ein ehemaliges sowjetisches Observatorium zu
besuchen, das ca. 50 km entfernt sein soll. Da wir uns auf Anhieb gut
verstanden, sagten wir natürlich zu.
Nach gut
30 km verließen wir den Pamir-Highway und fuhren dann in eine völlig
einsame und wunderschöne Landschaft. Durch ein breites Tal, gesäumt
von bizarren Bergen, näherten wir schließlich einer rund Bergkuppe,
auf der zuerst nur ganz winzig ein Gebäude erkennbar wurde. Je näher
wir kamen, umso höher ragte der Berg vor uns auf. Zuerst fuhren die
Dresdener hinauf. Allradantrieb einschalten, Kriechgang einlegen, und
los ging's. Meine Güte, fast senkrecht ragte der Berg vor uns auf.
Würde der Gecko mit seinen 3,3 Tonnen Gesamtgewicht in einer Höhe
von 4200 Metern diese Steigung schaffen? Die feuchten Hände ans
Lenkrad geklammert und in der dünnen Luft immer wieder tief
durchatmend kamen wir tatsächlich und ohne ein Problem oben an. Gut
gemacht, alter Gecko!
Eine
fantastische Rundumsicht bot sich uns. Berge, Berge, Berge, im
wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend schön. Wie muss sich erst
ein Bergsteiger fühlen, der einen Achttausender bezwungen hat? Das
Observatoriumsgebäude stand verschlossen und verlassen da und
gammelt so vor sich hin. Auf einem benachbarten Hügel befindet sich
ein großes Stahlgerüst, an dem sogar noch ein Spiegelteleskop
montiert ist, Baujahr 1977. Dies hier war sicher ein idealer
Beobachtungspunkt für Astronomen, denn hier gab und gibt es keine
fremden Lichtquellen, und auch die Luftbewegungen dürften sich in
Grenzen halten. Warum die Russen das Observatorium aufgegeben hatten,
wissen wir natürlich nicht. Am Fuße des Berges stehen noch ein paar
verwitterte Baracken, in denen man die ehemalige Kantine und die
Wohnräume besichtigen kann. Ein verrosteter Raupenschlepper und ein
vergammelter LKW stehen ebenfalls herum. Der LKW ist mit den
gewaltigen Hörnern der Marco-Polo-Schafe beladen. Schade, dass wir
keines dieser größten Schafe der Welt zu Gesicht bekommen haben.
ehemaliges sowjetisches Obseratorium |
in rund 4300 m Höhe |
Hörner von Marco-Polo-Schafen |
Während
wir neben dem Gecko standen, meinte plötzlich Hans, ein Sohn der
Dresdener: „Aus deinem Reifen pfeift Luft raus!“ Wir Alten
konnten tatsächlich nichts hören, doch die Kinder bestätigten das
Geräusch. Und tatsächlich, nach kurzer Suche entdeckten wir eine
Schraube, die im Reifen steckte. Der Reifen war aber noch fahrbar, so
dass wir beschlossen, wieder mit nach Murgab zurückzufahren.
Matthias, der Bruder und Schwager der Dresdener, der hier in
Tadschikistan arbeitet, kennt einen guten Vulkaniseur im Ort. Auch
wenn Sonntag ist, würde er sicher helfen.
Der
Vulkaniseur war nicht zu finden. Letztlich reparierte ein
Berufskollege von ihm den Reifen, auch wenn er schon ordentlich
getankt hatte. Zuvor fuhren wir allerdings mehrfach kreuz und quer
durch den Ort, um die erforderlichen Reparaturmittel zu besorgen. Ich
hatte zwar alles dabei, wollte aber nicht meine Reserven angreifen.
Als das Werk vollbracht war, zeigte uns der gute Mann voller Stolz
eine Unmenge leerer Wodkaflaschen, die er alle schon geleert hatte.
Er lud uns ein, in seinem Haus zu schlafen. Von außen sah es so
elend aus wie die meisten Häuser hier. Aber man soll sich eben nie
von Äußerlichkeiten leiten lassen. Im Haus waren zwei erstaunlich
große Räume komplett mit prächtigen Teppichen ausgelegt. Auch an
den Wänden hingen Teppiche, wie es hier eben üblich ist. Wir
bedankten und verabschiedeten uns. Natürlich erhielt er auch seinen
verdienten Lohn.
Wir
kauften in einem kleinen Laden 10 Flaschen Bier zum stolzen Preis von
20 Euro, denn der Durst war groß. Die Dresdener und eine Reihe
weiterer Touristen nächtigten in einem namenlosen Homestay, neben
dem wir uns mit unserem Auto aufbauten.
Der
Abend klang beim Abendessen im Hotel in gemütlicher Runde zusammen
mit den Dresdenern und zwei netten Schwaben, die auch noch
hinzustießen, aus.
9.
August 2015
Wie
schon die letzten Nächte schliefen wir wieder sehr schlecht.
Hauptgrund: Atembeschwerden. Die Höhenkrankheit hatte uns richtig
erwischt. Wir sind einfach zu schnell in diese große Höhe
vorgestoßen. Der Sauerstoffanteil in der Luft bleibt zwar gleich,
jedoch lässt mit fallendem Luftdruck auch der Sauerstoffpartialdruck
nach. Dadurch hat man oftmals das Gefühl, zu wenig Luft zu bekommen,
und das besonders nachts oder bei körperlicher Anstrengung. Sobald
wir einen kleinen Hügel raufgestiegen sind, raste die Pumpe wie
verrückt und wir japsten nach Luft.
Die
Kopfschmerzen, die uns noch vor wenigen Tagen noch plagten, sind
inzwischen verschwunden. Aber dieses Gefühl der Atemnot, besonders
nachts, ist wirklich sehr unangenehm. Wir werden froh sein, wenn wir
wieder in tiefere Gegenden kommen. Aber wir spüren auch, wie sich
der Körper allmählich an die veränderten Bedingungen anpasst.
wer's glaubt... |
auch hier hat das Wasser gewütet |
Kurz
hinter Alichur verließen wir die M41, um zum Yashil Kul, einem
großen See, zu gelangen. Leider hatten wir wieder mal die Rechnung
ohne die Navi-Karten gemacht. Diese wiesen nämlich eine Wegstrecke
aus, die nicht mehr existierte. Wir versuchten, selbst einen Weg zu
finden, doch als wir vor einer schlammigen Wasserdurchfahrt standen,
wollten wir kein Risiko eingehen und kehrten wieder um. Als wir die
M41 fast wieder erreicht hatten, glaubten wir schon an eine
Sinnestäuschung, als fünf Wanderer mit riesigen Rucksäcken hinter
einem Hügel auftauchten. Drei Deutsche, zwei Polen wollten zu einem
anderen See als wir. Das sind die wahren Abenteurer!
Über
die südliche Anfahrt erreichten wir dann doch noch den See in 3719 m
Höhe. Der See ist ein natürlicher Stausee, der vor vielen Jahren
durch einen gewaltigen Bergrutsch entstand. Wir bauten uns noch
einmal knapp 100 m über dem See auf. Uns bot sich ein herrlicher
Blick über den graublauen See und die kahlen Berge dahinter.
die Murmeltiere hier haben ein oranges Fell |
am Yashil Kul |
10.
August 2015
Da die
M41 bis Khorog gesperrt ist, ein gewaltiger Erdrutsch hat nahe der
Stadt Khorog die Straße weggerissen und einen großen See entstehen
lassen, nehmen wir die Südroute durch das Vakhan-Tal. Die M41 soll
frühestens in einem halben Jahr wieder befahrbar sein.
Nachdem
wir die M41 verlassen hatten, ging es auf sehr sandiger Piste wieder
steil hinauf. Ein Truck hatte sich hier im Tiefsand festgefahren.
Andere Trucks quälten sich vor uns die Berge hinauf. Nachdem wir den
4344 m hohen Khargush-Pass überklettert hatten, schlängelte sich
der Weg hinunter zur afghanischen Grenze.
festgefahren im Tiefsand |
manchmal nicht ganz einfach zu fahren |
Wieder
mal gab es einen Kontrollposten, der aber keinerlei Problem
darstellte. Es folgte ein unvergessliche Fahrt entlang des
Pamirflusses. Manchmal fuhren wir fast auf Höhe des Flusses, dann
wieder zweihundert Meter oder mehr nahezu senkrecht über ihm. Obwohl
ich nun wirklich nicht schwindelfrei bin, machte mir diesmal diese
Höhe kaum etwas aus. Trotzdem, wenn einen halben Meter neben dir der
Abgrund gähnt, ist das schon nicht ganz ohne. Was aber sollen die
armen Truckfahrer sagen, die ihre riesigen Wagen, noch dazu mit
Anhänger, hier entlang bugsieren müssen? In den engen Kehren sieht
man, wie nah die Reifenspuren an der Kante entlang laufen. Zwei
Trucks sind schon abgestürzt, das Bild erspare ich euch.
Glücklicherweise sind beide Fahrer mit dem Leben davongekommen, da
die Trucks nicht bis ganz in den Abgrund gestürzt sind, sondern
irgendwo hängen geblieben sind.
die Trucker sind nicht zu beneiden |
der Abgrund gähnt direkt neben uns |
Schade
nur, dass es den ganzen Tag sehr diesig war und die Berge drüben in
Afghanistan manchmal im Dunst verschwanden. Aber wir wollen uns nicht
beschweren. 110 Tage sind wir nun schon unterwegs und hatten fast nie
Regen. Irgendwann ging es dann extrem steile Serpentinen hinunter.
Einige Kilometer weiter standen zwei Autos und eine Menschenmenge am
Straßenrand. Der Fluss rauscht hier vielleicht 50 Meter weiter unten
entlang. Ein Auto war abgestürzt. Der Fahrer überlebte, sechs
Passagiere fanden den Tod. Mehr muss man nicht über die
Gefährlichkeit dieser „Straße“ sagen.
Mit
diesem Schock in den Knochen gelangten wir bis Ischkaschim, wo wir
auf dem Hof des Hanis Guest House eine Bleibe für die Nacht fanden.
Schön war, dass ein paar einheimische Musiker mit typischer
tadschikischer Musik zum Tanz baten. Erstaunlich, wie geschickt und
anmutig hier die Männer tanzen, und zwar alleine oder miteinander.
In Deutschland würde wahrscheinlich jeder, der sich so bewegt, als
schwul eingestuft werden. Doch diese Männer hier sind mit Sicherheit
nicht vom anderen Ufer.
leider viel Dunst |
wenn der Dicke an dir vorbei ist, siehst erst mal gar nichts mehr |
wer möchte es nachmachen? |
unten im Tal |
abendlicher Sandsturm |
kein Wunder, dass so viele Telegrafenmasten schief stehen |
11.
August 2015
Mit
einem guten Frühstück starteten wir gut in den neuen Tag. Vor allem
auch, weil wir endlich wieder mal in der Nacht durchgeschlafen
hatten. Kein Wunder, schließlich befanden wir uns nur noch auf 2511
m Höhe. Keine Kopfschmerzen, keine Atembeschwerden mehr.
Für den
gesamten Aufenthalt hier, gestern Abend Menü mit Suppe, Spaghetti
mit Huhn, Brot und Bier sowie dem heutigen Frühstück bezahlten wir
gerade mal 20 US-Dollar. Sehr zu empfehlen!
Wir
folgten weiter der abenteuerlichen Straße entlang des reißenden
Flusses, der seine dunkelgrauen Fluten mit unglaublicher Wucht durch
manche Stromschnelle presst. Wer hier hineinfällt, hat wohl kaum
eine Chance, lebend herauszukommen. Aber wir haben auch nicht die
Absicht, hier zu baden, obwohl die Temperaturen dazu angetan wären.
Die Sonne brennt mit gnadenloser Kraft.
Hauptsache, ne Schüssel auf dem Dach... |
ich nehme lieber doch kein Bad |
Wir
genießen die unglaublich schöne Landschaft und wundern uns, in
welcher Höhe und steilen Lage die Menschen hier noch Felder anlegen.
Manchmal wirkt die Gegend irgendwie mediterran, sicher durch die
vielen Pappeln. Einmal sehen wir auf der afghanischen Seite zwei
Männer mit zwei Eseln. Wir winken ihnen zu, sie winken zurück.
Obwohl vor dieser Strecke entlang der Grenze gewarnt wird, konnten
wir bisher absolut nichts Gefährliches entdecken. Nicht mal
Grenzposten gibt es hier. Wir begegneten nur ganz wenigen Soldaten.
Ein weiterer Kontrollposten störte uns auch nicht im mindesten.
auf der afghanischen Seite |
Getreide und Heu werden auf dem Dach getrocknet |
frisches Obst |
Am
späten Nachmittag erreichten wir die Stadt Khorog. Sämtliche
Bankomaten funktionierten nicht, aber der Bargeldumtausch ging extrem
schnell vonstatten. Wir versuchten dann, bis zu dem neu entstandenen
See zu gelangen. Erst wurden nun schon zum x-ten Male unsere
Personalien in zwei verschieden Bücher eingetragen, ehe wir
weiterfahren durften. Weit kamen wir nicht. Die Straße war schon
fünf Kilometer vor dem See gesperrt.
Eine
Bleibe fanden wir etwas außerhalb der Stadt im Serena Inn. Hier
durften wir auf dem Hof stehen, duschen und kostenlos das Internet
benutzen. Kostenpunkt 60 Somoni, also knapp 10 Euro. Das ist absolut
ok und akzeptabel
12.
August 2015
Nachdem
wir wunderbar geschlafen hatten, beschlossen wir, einen weiteren Tag
hier zu bleiben. Ein tadelloses Frühstück stärkte uns. Wir konnten
unsere Wäsche waschen lassen (endlich mal wieder!). Und nun sitze
ich schon fast den ganzen Tag und schreibe und schreibe... Eine so
lange Blog-Pause fordert eben ihren Tribut.
Ein Lob
an alle, die bis hierher durchgehalten haben und nicht vorher
aufgehört haben zu lesen. :-)
Morgen
geht es weiter in Richtung Dushanbe. Wann wieder Gelegenheit ist, den
Blog zu aktualisieren, weiß ich natürlich nicht. Schaut also immer
mal wieder rein oder meldet Euch an, damit Ihr nichts verpasst.
Und nun
wie immer: bleibt schön neugierig...
auch aus Flusssteinen kann man ein Haus bauen |
Friedhof direkt am Fluss |
relaxen im Garten vom Serena Inn |
Brücke der tadschikisch-afghanischen Freundschaft |