Am Nachmittag des 15. April 2018 war es
endlich so weit: Wir standen am Kai 1333 vor der riesigen ATLANTIC
SEA. Über die gewaltige Laderampe betraten wir das Schiff. Nach
einer kurzen Passkontrolle brachte uns der Sicherheitsoffizier zu
unserer Kabine. Um auf die Höhe unseres Decks zu kommen, nutzten wir
zwei verschiedene Fahrstühle, die uns jeweils fünf Etagen nach oben
brachten. Unsere Kabine befand sich also in der 10. Etage in ungefähr
35 m Höhe über dem Wasser. Überrascht waren wir von der Größe
der Kabine. Sie misst ca. 7 x 3 m, hat ein großes Fenster, das man
aber nicht öffnen kann, ein geräumiges Bad mit Dusche und Toilette,
zwei hintereinander stehende Betten, zwei Schränke, zwei Stühle und
einen Schreibtisch. Klimaanlage und Frischluftzufuhr sorgen für das
Wohlbefinden.
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unsere geräumige Kabine |
Nachdem wir unser Gepäck abgestellt
hatten, begrüßte uns Piotr Kaminski, der polnische Kapitän. Wie
alle hier an Bord trug er T-Shirt, eine Schlabberhose und Croqs an
den Füßen. Ein Crew-Mitglied zeigte uns dann, wo wir die Messe
(Speiseraum), die Brücke, den Konferenzraum, den Sportraum, die
Sauna und die Wäscherei finden. Die langen Gänge und diverse
Treppen wirkten anfangs schon etwas verwirrend, was sich aber schnell
änderte.
Durch schwere Stahltüren gelangt man
auf eins der Decks. Hier dürfen wir uns frei bewegen. Eiserne
Treppen führen auf das oberste Deck. Wenn man da an der Reling steht
und hinabschaut, kann einem schon erst mal etwas schwindlig werden.
Immerhin befindet man sich dann in ca. 40 m Höhe, also wie auf dem
Dach eines zehn- oder elfstöckigen Hauses.
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schwere Stahltüren |
Die Mahlzeiten werden zu festen Zeiten
eingenommen. Frühstück gibt es 8 Uhr, Mittagessen 12 Uhr und
Abendessen 17:30 Uhr. Wir bekamen einen eigenen Tisch zugewiesen.
Alle Mahlzeiten werden uns von den beiden mess man serviert. Beide
stammen, wie auch fast die gesamte Crew, von den Philippinen.
Insgesamt besteht die Besatzung aus Leuten fünf verschiedener
Nationen: Polen, Russland, Ukraine, Bulgarien und Philippinen.
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ein langer Gang führt zur Messe |
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Offiziere, Crew und Passagiere essen gemeinsam in der Messe |
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angekettete Stühle |
Die erste Nacht an Bord artete fast zur
Quälerei aus, da die Matratzen bretthart sind. Außerdem sind wir es
gewohnt, immer bei geöffnetem Fenster zu schlafen, was hier an Bord
aber eben nicht möglich ist.
Am Montag gegen 9 Uhr setzte sich das
296 m lange Schiff bei strahlendem Sonnenschein langsam in Bewegung.
Zwei Bugsierschiffe brachten es in die richtige Position. Wir
passierten die weltgrößte Schleuse und erreichten dann die Schelde,
vorbei an den gewaltigen Hafenanlagen Antwerpens, dem nach Rotterdam
zweitgrößten Hafen Europas. Für die Fahrt durch den Ärmelkanal
hatte ich eigentlich mit ordentlich Seegang gerechnet, doch die Fahrt
verlief erstaunlich ruhig. Das änderte sich allerdings schlagartig,
als wir den Kurs von Südwest auf Nord änderten. Nun bekamen wir die
doch schon beachtlichen Wellen breitseits und das Schif schaukelte
beachtlich. Im Konferenzraum ist ein Gradmesser an der Wand
angebracht, wo man die Neigung des Schiffes ablesen kann. 8,5 Grad
war das Maximum. Das klingt zwar nicht viel, aber wenn man es nicht
gewöhnt ist... Jutta ging es nicht ganz so gut bei der Schaukelei,
aber dank der Reisetabletten, die sie eingenommen hatte, überstand
sie diese Phase doch ganz gut.
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die ATLANTIC SEA (Foto von Claus Schaefe) |
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unser Schiff wird beladen |
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im Hafen von Antwerpen |
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Unmengen von Autos warten auf ihre Verladung |
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Einfahrt in die weltgrößte Schleuse in einem Hafen |
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immer noch in Antwerpen |
In der Nacht vom 18. zum 19.4. liefen
wir in den Hafen von Liverpool ein. Dort machten wir zusammen mit den
anderen Passagieren einen Abstecher in die City. Ein Taxi brachte uns
bis fast vor die Tür des Cavern Club, den wir natürlich sofort
enterten. Mehrere Treppen führten tief hinunter ins Kellergeschoss.
Laute Live-Musik empfing im schwach beleuchteten Kellerraum. Das
Publikum bestand aus überwiegend älteren Herrschaften, die
offensichtlich in Erinnerungen an ihre Jugendjahre schwelgten. Die
Füße wippten im Takt zu hauptsächlich Beatles-Songs, die der junge
Mann auf der Bühne live sang. Hier begann also vor knapp 50 Jahren
die steile Karriere der Beatles. Die damals noch völlig unbekannte
Gruppe spielte 292 mal in der Zeit von Februar 1961 bis März 1963 in
diesen Räumen. Heute kann man hier täglich bei Live-Musik sein
Guinness-Bier trinken und Souvenirs kaufen.
es schaukelte schon ein bisschen...
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im Ärmelkanal |
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Regenbogen in der Gischt der Bugwelle |
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heftiger Wind weht |
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Off-Shore-Windkraftanlage vor Liverpool |
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Bohrinsel |
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im Hafen von Liverpool |
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Cavern Club in Liverpool |
Währenddessen liefen im Hafen die Ent-
und Beladungsarbeiten an unserem Schiff auf Hochtouren. Die riesigen
Kräne transportierten ohne Unterbrechung die Container hin und her.
Autos verließen den Bauch des Schiffes, andere fuhren hinein. Das
dauerte bis weit nach Mitternacht, bis dann von uns unbemerkt das
Schiff den Hafen wieder verließ.
An den folgenden drei Tagen zeigten
und erklärten uns der Kapitän und sein 1. Offizier das ganze
Schiff. Es war unglaublich interessant, so ein riesiges Schiff
besichtigen zu können. Es ist immerhin das weltgrößte
ConRo-Schiff. Wirklich beeindruckend wirkten die gewaltigen
Laderäume, wo man meinen könnte, in einer riesigen Werkhalle zu
stehen. Sehr viel Fracht hat das Schiff z. Zt. nicht an Bord, dafür
aber schwere und sehr wertvolle Ladung.
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Blick zum Heck |
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dichter Nebel |
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auf der Brücke |
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Kapitän Piotr Kaminski |
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unser kleiner Gecko im Bauch des riesigen Schiffes |
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langer Gang zum Heck |
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riesige Frachträume |
In schwindelerregender Höhe liegt auf
einer 45-Grad-Rampe das 45 Personen fassende und angeblich unsinkbare
Rettungsboot. Aus gut 20 Meter Höhe wird es ins Wasser fallen
gelassen, wenn alle Mann an Bord sind. Bei einem Probealarm wurde das
Anlegen der Rettungswesten geübt. Wer wollte, konnte auch den roten
Neopren-Rettungsanzug anprobieren, der das Überleben im eiskalten
Wasser des Nordatlantik für für bis zu einer Stunde sichern soll.
Wir hoffen, dass wir all diese Dinge nicht wirklich brauchen werden.
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Sammelplatz für den Notfall |
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das Rettungsboot... |
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...liegt auf einer Rampe |
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der Käpt'n in seinem Lebensrettungsanzug |
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das Anlegen der Rettungswesten wird geübt |
Am beeindruckendsten fand ich jedoch
den gewaltigen Motor des Schiffes. Der 8-Zylinder-Reihenmotor ist
geschätzt 10 Meter lang und vielleicht 5-6 Meter hoch. Ein
gewaltiges Getöse herrscht in dem riesigen Raum, in dem dieses
Ungetüm unermüdlich seine Arbeit verrichtet. Hier ein paar
technische Daten:
Leistung: 22000 kW
Verbrauch bei normaler Fahrt: 80
Tonnen Schweröl / Tag
Tankkapazität: 1600 Tonnen
Schweröl
Motoröl-Verbrauch: 400 Liter /
Tag
Kolbendurchmesser: 68 cm
Drehzahl bei normaler Fahrt: 90
Umdrehungen / Minute
Mit der gleichen Drehzahl dreht sich
auch der Propeller am Heck des Schiffes. Die Verbindung zwischen
Motor und Propeller stellt eine stählerne Welle mit ca. 70 cm
Durchmesser her. Vier riesige Generatoren können den benötigten
Strom produzieren. Das Schiff besitzt eine
Meerwasser-Entsalzungsanlage mit einer Kapazität von 50 Tonnen
Frischwasser / Tag. Es gibt eine komplette Schlosserwerkstatt mit
einer Drehbank an Bord, um anfallende Reparaturen durchführen zu
können. Und was uns auch noch auffiel: Es herrscht auf dem gesamten
Schiff peinliche Sauberkeit! Kein Ölfleck, kein Putzlappen, nichts!
Wir spürten, dass sowohl der Kapitän als auch sein 1. Offizier
stolz auf ihr Schiff sind. Zu recht, wie ich meine.
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der 1. Offizier erklärt die Steuerzentrale des Motors |
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Windgeschwindigkeit 88,6 km/h! |
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der gewaltige 8-Zylinder-Motor |
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die kleine Jutta am Zylinder 8 |
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die Antriebswelle |
Eines Morgens wurden wir schon sehr
früh wach, weil das Schiff wieder heftig schwankte und in den 4 –
5 m hohen Wogen hin und her rollte. Weiße Schaumkronen riss der mit
über 90 km/h über den Ozean brausende Sturm von den Wellenkämmen.
Gut, dass die Schaukelei am späten Nachmittag wieder nachließ. Von
da an lag das Meer sehr ruhig vor uns. Manchmal schien die Sonne,
trotzdem mussten wir uns dick einpacken, wenn wir hinaus aufs Deck
gingen. Der Wind brauste hier ständig sehr heftig und blies uns
eiskalte Luft um die Ohren. Einmal trauten wir unseren Augen kaum,
als wir in mehreren hundert Metern Entfernung Wasserfontänen
aufsteigen sahen. Wale! Leider waren wir zu weit entfernt, dass wir
die Tiere selbst hätten sehen können.
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bei diesen Wellen schwankt das Schiff schon ganz schön |
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Sonnenaufgang vor unserem Fenster |
Die Tage vergingen fast wie im Fluge.
Die Crew war ständig freundlich, das Essen gut und sehr reichlich
(mittags und abends warm mit Vorsuppe und Obst als Nachtisch), aber
trotz des asiatischen Kochs fast ohne jede Gewürze zubereitet.
Alkohol haben wir zugeteilt bekommen. Pro Person und Tag gab es zwei
kleine Dosen bzw. Fläschchen, wobei man die Wahl hatte zwischen Bier
(Oettinger Export, igittigit!), Rotwein oder Weißwein. Wasser,
Kaffee und Tee konnte man trinken, so viel man wollte.
Heute ist nun der letzte Tag an Bord.
Bei dickem Nebel und Regen steuern wir auf den Hafen von Halifax zu,
den wir voraussichtlich gegen 20 Uhr erreichen werden. Das Schiff
müssen wir auf jeden Fall nach Ankunft im Hafen verlassen, da es
schon am frühen Morgen weiter nach New York fährt. Wenn wir Glück
haben, können wir noch in der Nacht oder am Morgen unser Auto in
Empfang nehmen. Es kann aber auch passieren, dass wir es erst am
Montag, den 30.4. bekommen. Hoffen wir, dass beim Zoll und vor allem
bei der Sauberkeitskontrolle alles reibungslos verläuft.
Wie es uns im Hafen und in Halifax
ergangen ist, erfahrt Ihr dann im nächsten Bericht. Bis dahin bleibt
schön neugierig!
Hallo Jutta, Wolfgang,
AntwortenLöschenvielen dank für Euren ausführlichen Bericht, er läßt einen die Seereise miterleben.
Das wie und die Info`s zum Ablauf sind s0 ausführlich daß es Lust darauf macht ähnliche nachzuvollziehen.
Grüße und weiterhin Gute Reise und daß Ihr vor allem gesund bleibt
von erwin und uschi (Waldbär)
Hallo liebe Jutta und lieber Wolfgang, euer Bericht war toll und sehr interessant. Vielen Dank das ihr uns daran teilhaben läßt. Mit viel Spannung warten wir auf den nächsten Bericht.
AntwortenLöschenWir wünschen euch weiterin eine gute Reise und viele tolle Erlebnisse.
Seit lieb umarmt von Bärbel und Ralf
Hallo, das ist ja witzig! Habe zufällig eure Seite entdeckt! Respekt für den Internetauftritt! Unser Wohnmobil ist mit euch zusammen in Halifax angekommen. Wir möchten am Donnerstag übernehmen und dann unsere Tour starten. Vielleicht trifft man sich ja mal unterwegs!
AntwortenLöschenHallo liebe Jutta und Wolfgang, mit Freude haben wir Eure bisherigen Beiträge zu Eurer Reise gelesen. Ist immer wieder interessant, Euch bei der Reise gedanklich zu begleiten. Wir wünschen Euch weiterhin viel Spaß und viele schöne Erlebnisse. Bleibt schön gesund und ganz liebe Grüße von Rainer und Petra
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