13.
August 2015
Das
Frühstück im Serena Inn war heute noch besser als gestern. Na ja,
10 US-$ pro Person sind auch nicht gerade wenig. Aber endlich mal
etwas anderes als Müsli oder Weißbrot mit Marmelade, das haben wir
uns eben mal gegönnt.
Dieses
gute Frühstück haben wir auch gebraucht, denn es wurde ein verdammt
harter Tag.
das Serena Inn in Khorog |
Die
Straße folgte weiterhin dem Lauf des Flusses, der nach wie vor seine
graubraunen Fluten donnernd talwärts wälzte. Wobei Straße nicht
mehr die richtige Bezeichnung ist. Auch Feldweg wäre noch
geschmeichelt. Die Straße wurde irgendwann zu Sowjetzeiten gebaut,
später vielleicht mal geflickt und nun offensichtlich völlig
aufgegeben. Vom ehemals vorhandenen Asphalt sind nur noch Bruchstücke
erhalten geblieben. Tiefe Löcher, Rinnen, Auswaschungen, spitze
Steine, runde Steine, sandige Passagen, alles wird aufgeboten, um das
Fahren zur Qual zu machen. Dabei muss man aber noch bedenken, dass
diese Piste oftmals nur so breit ist, dass gerade mal ein LKW darauf
passt. Auf der einen Seite ragt die zerklüftete Felswand steil auf,
auf der anderen Seite tobt der Fluss vielleicht 100 oder 200 Meter
fast senkrecht unter dir. Du darfst dir einfach keine
Unaufmerksamkeit leisten, denn dies wäre auf jeden Fall das Ende
deiner Reise...!!!
In
sieben Stunden legten wir heute gerade mal 170 km zurück, im Schnitt
also nicht mal 25 km pro Stunde. Diese „Fahrerei“ strengt
unheimlich an. Ständig versuchst du, eine Linie zu finden, auf der
das Auto am wenigsten leidet, doch meistens gibt es diese Linie
einfach nicht. Dann musst du eben durch die tiefen Löcher
durchfahren. Der Gecko ächzt und stöhnt in allen Fugen, aber er
hält tapfer durch. Bei jedem Stoß, der ihm durch das nächste
Schlagloch oder einen großen Stein versetzt wird, leiden wir
Insassen schon körperlich mit. Und das im wahrsten Sinn des Wortes,
denn unsere Rücken und Nacken schmerzen inzwischen schon heftig.
hier ist die "Straße" ordentlich breit und kein Abgrund gähnt daneben |
Beizeiten
hielten wir schon Ausschau nach einer Übernachtungsmöglichkeit,
wohl wissend, dass das in diesem engen Tal schwierig werden würde.
Mit geübtem Auge entdeckten wir dann glücklicherweise doch noch
einen geeigneten Platz. Eine ehemals asphaltierte Fläche nur 100 m
neben der Strße direkt am Fuße der Berge diente uns als Stellplatz.
Irgendwann hat hier irgendjemand (vermutlich die Russen, als
Tadschikistan noch zur Sowjetunion gehörte) mal Fußball gespielt,
denn zwei alte, wackelige Tore standen noch. Weit unterhalb der Straße
rauschte der Fluss.
Auf der
gegenüberliegenden Seite ragten die Berge steil in die Höhe.
Unglaublich, in welcher Höhe und bei welcher Schräglage die
afghanischen Bergbauern dort oben ihre Felder angelegt haben. Ich
wüsste gern, was sie da oben anbauen.
ein Bergrutsch verschüttete ein halbes Dorf |
so ähnlich sah es früher auf unseren Getreidefeldern auch aus |
Durch
die hohen Berge geht die Sonne relativ zeitig unter. Danach sehen
wir, in welcher Höhe auf den Bergen Lichter leuchten. Da stehen
Hütten und Häuser, die wir am Tage gar nicht bemerkt haben.
Anfängliche
Bedenken, weil wir uns ja unmittelbar an der afghanischen Grenze
befanden, schoben wir schnell wieder beiseite. Und wir bewunderten
wieder den fantastischen Sternhimmel, den die helle Milchstraße in
zwei Hälften teilte.
links Afghanistan, rechts Tadschikistan |
die Berge gehören schon zu Afghanistan; weit oben sieht man Felder |
afghanisches Bergdorf |
afghanische Bauern trennen die Spreu vom Weizen (ob es wirklich Weizen war, weiß ich natürlich nicht) |
14.
August 2015
Erfrischt
und gestärkt brachen wir nach einer sehr ruhigen und störungsfreien
Nacht auf. Wir fragten uns zum wiederholten Male, was an dieser
Grenze so gefährlich sein soll. Auf der afghanischen Seite sahen wir
bisher nur ganz wenige Leute, meistens Bauern, die ihrer Arbeit
nachgingen. Lediglich zwei Panzer auf tadschikischer Seite, deren
Geschützrohre nach Afghanistan zeigten, machten uns etwas
nachdenklich.
Was
wir nicht für möglich gehalten hätten, trat heute ein: die
„Straße“ wurde noch schlechter.Für die ersten 51 km bis
Khaleikum benötigten wir knapp drei Stunden, was einem Schnitt von
ca. 18 km/h entsprach.
Den
negativen Höhepunkt dieses Abschnitts stellte allerdings einer der
häufigen Kontrollposten dar. Ich stand an einem Tisch im Freien vor
unserem Auto. Ein Offizier nahm unsere Pässe in Augenschein.
Währenddessen ging ein Soldat mit vor der Brust hängender
Maschinenpistole nach hinten und ließ Jutta die Hecktüren öffnen.
Ich wunderte mich, dass Jutta ständig so komisch kicherte. Als ich
mit den Pässen zurückging, sah ich gerade noch, wie der Grenzer
Jutta begrapschte, aber sofort damit aufhörte, als er mich bemerkte.
Ich dachte, ich wäre im falschen Film. Jutta meinte später, sie
musste gute Miene zum bösen Spiel machen.Schließlich entdeckte der
Grapscher eine halbe Flasche Wodka in unserem Auto. Die wollte er
haben. Auf einen Wink seines Vorgesetzten hin änderte er seine
Meinung und wollte nur noch eine Flasche Wasser haben. Wir haben
schon so viele Reisen unternommen und schon viel erlebt, doch so
etwas ist uns noch nicht passiert. Aber es hätte ja auch noch viel
schlimmer ausgehen können.
In
Khaleikum, einem hübschen, kleinen Städtchen, mussten wir uns
entscheiden, ob wir weiter dem Pamir Highway M41 bis Dushanbe folgen
oder lieber die 100 km längere Südroute über Kulyab fahren würden.
Nachdem ich nochmal im Internet nach Infos gesucht hatte und dort
regelréchte Horrorbilder von der Nordroute zu finden waren, stand
unsere Entscheidung fest. Wir haben schon in genügend Abgründe
geschaut und den Gecko genügend gequält. So dass wir uns für die
Südroute entschieden. Und das war goldrichtig. Schon kurz nach
Khaleikum eine superglatte, perfekt ausgebaute Asphaltstraße, wie
wir sie hier in Zentralasien noch nicht gesehen haben. Was für ein
Genuss, auf ihr förmlich dahin zu schweben... Warum man allerdings
auf dieser perfekten, breiten Straße maximal 50 km/h und in
Ortschaften gar nur 30 km/h fahren durfte, blieb uns völlig unklar.
Wie
schwierig es ist, solch eine Gebirgsstraße in Ordnung zu halten,
sahen wir an einer Stelle, an der die Straße durch einen gewaltigen
Bergrutsch völlig verschüttet war und die Autos über den
Schuttberg fahren mussten.
ein Erdrutsch versperrt die Straße |
Nach
rund 80 km endete der Fahrspaß leider schon wieder. Auf breiter
Schotterpiste ging es nun weiter über einige Serpentinen weit hinauf
in die Berge. Auf einer im Dienst liegenden Hochebene fuhren wir
weiter bis Kulyab. Da es schon dämmerte und wir immer noch keinen
Stellplatz gefunden hatten, gönnten wir uns eine Nacht im Hotel. 150
Somoni, also ca. 23 Euro ohne Frühstück, aber mit Dusche und
Klimaanlage. Wir mögen Klimaanlagen nicht wirklich, aber bei dieser
Hitze war es doch ganz angenehm.
Im
Restaurant aßen wir jeder einen Chicken-Schaschlik (was es alles
gibt!), der hauptsächlich aus Knochen bestand. Also gab es
zusätzlich noch ein gebratenes Hühnerbein. Die Strafe: flotter Otto
am nächsten Tag. Im Zimmer schauten wir dann im Fernsehen ZDF, den
einzigen empfangbaren deutschen Sender und merkten sehr schnell, wie
sinn- und hirnlos Fernsehen eigentlich ist.
15.
August 2015
Schon
am Morgen glühte die Sonne wieder (9 Uhr: 32 Grad).
Auf
guter Asphaltstraße, die die Chinesen gebaut haben sollen (wie fast
überall auf der Welt) rollten wir u. A. Auch durch zwei Tunnel bis
ca. 40 km vor Dushanbe. Kurz vor Vahdat bogen wir links ab und fanden
sehr schon gegen 14 Uhr ein hübsches Plätzchen in einer
aufgegebenen Aprikosenplantage. Leider hingen keine Früchte mehr an
den Bäumen.
Es
dauerte nicht lange, bis drei Hirtenjungen mit ihrer Ziegen- und
Schafherde zu uns kamen und um Wasser baten, was sie natürlich
bekamen. Ein richtiges Gespräch kam mangels Sprachkenntnissen auf
beiden Seiten nicht zustande, aber trotzdem war es eine nette
Begegnung.
Die
fast undurchdringliche Dunstglocke über Dushanbe lieferte einen ganz
eigenartigen Sonnenuntergang ganz in Orangetönen. Mit Verschwinden
der Sonne sank endlich auch die Temperatur auf ein erträgliches Maß.
16.
August 2015
Schon
gegen 6 Uhr schlich der erste Hirtenjunge samt Herde ums Auto. Aber
auch die Sonne trieb uns unbarmherzig aus dem Schlafsack. Dieser etwa
13-jährige Junge benahm sich eigenartigerweise wie ein Mongole. Er
sprach kein Wort, stand dicht bei uns und beobachtete alles, was wir
taten, ganz genau. Ein paar Schluck Wasser nahm er an, mehr nicht.
Über einen Kuli und unsere Visitenkarte freute er sich aber
offensichtlich sehr, bedankte sich aber nicht. Als wir losfuhren,
formte er mit seinem Zeigefinger und Daumen einen Kreis und blies
mehrmals lächelnd hindurch. Wer weiß, was diese Geste bedeuten mag.
Wir
fuhren hinein nach Dushanbe, die Hauptstadt Tadschikistans. Auch hier
wird gehupt, was das Zeug hält, aber das Chaos ist längst nicht so
schlimm wie in Bishkek oder Ulan Bator. Auch die Stadt selbst macht
einen viel gefälligeren Eindruck. Vielleicht liegt es an den vielen
grünen Bäumen. Richtige Alleen mit großen, alten Bäumen ziehen
sich kreuz und quer durch die Stadt. Und es liegt, wie schon im
ganzen Land, kaum Müll herum, ein wirklich wohltuender Unterschied
zu den bisher auf dieser Reise von uns besuchten Ländern!
Wir
finden das Serena Inn Hotel recht schnell. Dort soll man kostenlos
auf dem Parkplatz stehen können. Die nette englisch sprechende junge
Dame an der Rezeption zeigt uns den Parkplatz und erklärt dann, dass
wir ihn zwar nutzen können, aber nicht kostenlos. Wieviel es kostet,
müsste sie erst beim Management erfragen, doch die Herrschaften
seien erst ab 12 Uhr erreichbar, da Sonntag ist.
Noch
während wir auf der Straße im Auto saßen und beratschlagten,
sprach uns ein Schwabe an, der seit sechs Jahren hier lebt. Er gab
uns den Tipp nach Romit zu fahren, da gäbe es schöne Stellplätze.
Gesagt,
getan. Fast 50 km fuhren wir.Es ging wieder hinauf bis auf 1200 m
Höhe, immer entlang eines kleinen, aber nicht minder wilden
Bergflusses, der herrlich klares, hellblau leuchtendes Wasser führte.
Es
kam dann so, wie wir es schon befürchtet hatten. Wir hätten uns
direkt neben der Straße hinstellen können, die hier auch nicht mehr
diese Bezeichnung verdiente. Also aktivierten wir wieder mal Plan B
und fuhren zurück zu unserem gestrigen Stellplatz in der ehemaligen
Obstplantage.
17.
August 2015
Wieder
lag eine total ruhige und entspannte Nacht hinter uns. Aber diese
erbarmungslose Hitze schon am frühen Morgen!
Heute
fiel uns ein, dass wir von zwei deutschen Trucker-Pärchen, die wir
vorgestern getroffen hatten, den Tipp bekommen hatten, dass man in
Dushanbe im Park Pobjedy (Siegespark) gut übernachten könnte. Das
wollten wir uns ansehen und evtl. auch nutzen, denn wir können erst
morgen nach Usbekistan einreisen.
Doch
vorher brauchten wir Geld aus dem Automaten und Diesel für unseren
Gecko. Nach dem vierten nicht funktionierenden Bankomat tauschte ich
50 $ bar in einer Bank und bekam dafür 326 Somoni. Geht doch...
Nach
dem Tanken fuhren wir hinauf zum Siegespark, der oberhalb der Stadt
auf einem Berg liegt. Weit kamen wir allerdings nicht. Eine Schranke
versperrte den Weg. Wir parkten das Auto auf dem Parkplatz der
Bergstation einer Seilbahn, die schon seit Jahren nicht mehr in
Betrieb ist.
Blick auf Dushanbe |
der mit 165 m angeblich höchste Fahnenmast der Welt |
Nach
einem kleinen Rundgang mit Ausblick auf die im Dunst versunkene Stadt
sprach uns ein älterer Security-Mann an. Vor einigen Tagen wären
schon zwei Trucks aus Deutschland hier gewesen. Wir dürfen auch hier
bleiben und auch hier übernachten. Das passt ja wunderbar. Dann
öffnete er uns sogar die Schranke und erlaubte uns, auf den Berg
hinaufzufahren. Dort befindet sich eine große Gedenkstätte für die
Gefallenen des Großen Vaterländischen Krieges. In großen Lettern
prangt eine Inschrift an der Wand: „Niemand ist vergessen, nichts
ist vergessen“ (ich hoffe, meine Übersetzung ist korrekt). Und wir
werden wieder sehr nachdenklich. Der Security-Mann hätte uns ja auch
rausschmeißen können, auch wenn wir nichts mit diesem verdammten
Krieg zu tun haben. Und wieder geisterte mir diese unvorstellbare
Zahl von 27 Millionen Toten auf Seiten der damaligen Sowjetunion
durch den Kopf.
Wir
fuhren wieder hinunter zum Parkplatz an der Seilbahn und fanden ein
hübsches Restaurant. Endlich lagen wir auch mal auf so einem
riesigen Bettgestell mit Tisch in der Mitte. So oft hatten wir sie
schon hier gesehen. Das kühle Bier schmeckte hervorragend bei dieser
extremen Hitze. Bis dann der junge Mann von der Theke kam und 20
Somoni für die Nutzung dieses Pavillons kassierte. Auch hier weiß
man, wie Geld verdient wird...
so lässt es sich aushalten... |
Am
heutigen Abend findet hier im Restaurant irgendeine Feier mit
betuchten Leuten statt, die sich in ihren fetten Autos vom eigenen
Chauffeur herkutschieren ließen. Ich schreibe wieder mal am Blog,
während draußen die Musik dröhnt. Die Security-Leute haben uns
klar gemacht, wo sie sind und dass sie jederzeit für uns da sind,
falls es Probleme geben sollte. Besoffene Russen sind unangenehm, mal
sehen, wie es mit Tadschiken wird.
Morgen
gehen wir über die Grenze nach Usbekistan. Davor ist uns ein
bisschen bange, weil wir von diesem Grenzübergang bisher nur
Negatives gehört bzw. gelesen haben. Wir lassen uns überraschen.