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Donnerstag, 13. Juli 2017

Teriberka und Murmansk

Montag, 10. Juli 2017

Bis Teriberka, einem kleinen Nest am Polarmeer, waren es nur etwas mehr als 60 km, davon allerdings 42 km Schotterpiste. Der Ort erlangte eine gewisse Berühmtheit, weil dort der mit einem Oscar prämierte Film „Leviathan“ gedreht wurde. Nicht deswegen fuhren wir dorthin, schon weil wir erst später davon erfuhren, sondern weil wir einfach noch ein bisschen mehr von der Halbinsel Kola sehen wollten. Außerdem wollten wir unbedingt bis an die Küste des Polarmeeres gelangen.

Während es an unserem letzten Stellplatz noch viele Krüppelbirken gab, verschwanden diese schon wenige Kilometer weiter östlich völlig von der Bildfläche. Gräser, Sumpfpflanzen und Flechten beherrschten nun das Bild.

Die Schotterpiste ließ sich relativ gut befahren.Weit schweifte dabei unser Blick über das leicht hügelige Land. Grüne, niedrige Vegetation, dazwischen immer wieder dunkelblaue Seen und kleine, weiße Schneefelder ergaben ein so friedliches Bild, das leicht darüber hinwegtäuschen konnte, wie unwirtlich und lebensfeindlich diese Landschaft in Wirklichkeit ist.

Tundralandschaft


Kunst am Wegesrand



Dann erreichen wir Teriberka. Der kleinere Teil des Ortes liegt malerisch an einer sandigen Bucht des Polarmeeres. Doch sobald man sich dem Dorf nähert, erschrickt man fast. Trotz Sonnenschein wirkte der Ort fast trostlos. Alte Holzhäuser, grau mit blinden Fenstern, fallen in sich zusammen. Noch mehr erschrickt man, wenn man bemerkt, dass in manchen dieser Bruchbuden tatsächlich noch Menschen hausen. In einem kleinen Gärtchen wuchsen immerhin ein paar Kartoffeln. Natürlich gibt es auch ein paar größere Steinhäuser, zwei oder drei sogar mit neu gedecktem Dach, aber sie ändern nichts an dem schlimmen Gesamteindruck.

Wir laufen zu einer Reihe von acht neuen, dunkelrot angestrichenen Holzhäuschen, die direkt am Strand stehen.Zu ihnen gehört eine winzige Kapelle mit Zwiebeltürmchen und ein größeres Gebäude, das ein Restaurant beherbergt, aber noch nicht ganz fertiggestellt ist. Ein zaghafter Versuch, Touristen hierher zu bringen.

in Teberka

eins der besseren Häuser

Schiffswrack


Ferienhäuschen warten auf Gäste


Für eine Weile kehrten wir dem Ganzen den Rücken, indem wir uns auf eine rustikale Holzbank am Strand setzten und aufs Meer hinausschauten. Die Sonne Die Sonne hatte den groben Sand erwärmt. Überhaupt konnten wir kaum glauben, am Polarmeer zu sitzen, so warm war es. In der Ferne flatterten die Sommerkleider zweier Frauen im lauen Wind.

Ruhepause am Strand

Wir fuhren weiter zum größeren Teil des Ortes, der sich hinter einem Hügel versteckt. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einem Schiffsfriedhof vorbei. Die kläglichen, total verrosteten Gerippe von vielleicht einem Dutzend Boote und kleinerer Schiffe verrotten hier am Ufer. Was für ein deprimierender Anblick! Doch es sollte noch schlimmer kommen!

Schiffsfriedhof

Der Ort, der vor 30 Jahren noch 5000 Einwohner zählte, heute sind es noch 1000, empfing uns mit Ruinen links und rechts der Straße. Man könnte meinen, ein Krieg hätte hier getobt. Doch es ist „nur“ Verfall.

Ruinen am Ortseingang

Langsam fuhren wir durch diesen schrecklichen Ort. Mehrere Wohnblocks aus Sowjetzeiten tauchten vor uns auf. Auch sie haben bald den Zustand von Ruinen erreicht, doch sie sind bewohnt! Ich schäme mich vor den Menschen, die armselig gekleidet herumlaufen, diese Trostlosigkeit, die sie tagtäglich vor Augen haben, mit der Kamera festzuhalten.

Wenigstens die Schule sieht noch einigermaßen ordentlich aus, ebenso das Eishockeyfeld daneben. Ob es im Winter überhaupt noch genutzt wird? Einen Lichtblick stellt ein Betrieb dar, der wahrscheinlich Fische verarbeitet. Seine Gebäude strahlen in frischem Rot und Blau. Aber es ist wohl der einzige Betrieb, der hier noch arbeitet. Früher gab es gleich mehrere Fischverarbeitungsbetriebe.

Und dann sehen wir noch einen Farbtupfer. Zwei sehr junge Frauen schieben einen Kinderwagen vor sich her über die Schotterpiste. Wie lange aber werden sie hier noch aushalten? Wir sind froh, diesen gespenstischen Ort verlassen zu können. Er ist wohl ein Beispiel dafür, wie es aussieht, wenn der Staat und die regionale Verwaltung komplett versagen.


dieses Haus ist bewohnt!

Wir fuhren zurück zu unserem Stellplatz der letzten beiden Tage. Diesmal schlugen wir unser Lager allerdings ein paar hundert Meter weiter direkt am Seeufer auf. Pfeif auf die paar Mücken!Noch einmal genießen wir die Mitternachtssonne und versuchen, die Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Dabei werde ich einen Gedanken nicht los: Wie viele solcher trostloser Orte mag es in dem riesigen Russland geben?

Standort: N 68° 53' 15.2“ E 34° 13' 55.8“
gefahrene Strecke: 132 km

Schnee mitten im Juli

"Leitplanken"



Dienstag, 11. Juli 2017

Auf nach Murmansk, das mit seinen reichlich 300000 Einwohnern (2010) die größte Stadt in der Arktis ist. Die Einwohnerzahl hat sich übrigens seit 1989 um ein Drittel verringert. Damals lebten noch 470000 Menschen hier!

Unser erstes Ziel war der Atomeisbrecher „Lenin“. Er war der erste mit Kernenergie angetriebene Eisbrecher der Welt. Seit einigen Jahren liegt er nun im Hafen von Murmansk, der durch den Golfstrom auch im Winter eisfrei bleibt, und dient als Museum. Doch leider nicht für uns. „Montag und Dienstag geschlossen“, steht auf einem Schild vor dem Koloss. Schade, echt schade, denn auf diesen Besuch hatte ich mich echt gefreut. Später besuchten wir noch das Denkmal „Wartende Frau“. Sie wartet auf die Heimkehr ihres Mannes von hoher See.

"Wartende Frau"

Natürlich ließen wir uns auch „Aljoscha“ nicht entgehen, eine monumentale Betonskulptur im Gedenken an die Helden der Sowjetarmee, die im 2. Weltkrieg Murmansk erfolgreich gegen die deutschen Angriffe verteidigten. Hoch über dem Hafen blickt der Rotarmist gen Westen.

Blick auf einen Teil von Murmansk

der Murmansker Hafen

Sogar hier an diesem Ehrenmal fiel uns auf, was uns schon bei der Fahrt durch die Stadt und besonders in den Wohngebieten störte: Alles wirkt irgendwie ungepflegt. Die riesigen Wohnblocks, die größtenteils aus den siebziger und achtziger Jahren stammen dürften, haben seit ihrer Errichtung scheinbar nie wieder Farbe bekommen. Viele Bewohner haben die Fenster ihrer Wohnung durch neue ersetzt, der eine in Weiß, der andere in Braun. Der Gesamteindruck bleibt einfach schlimm. Warum zum Beispiel fährt hier niemand mit einem Rasenmäher über die Grünflächen, wo Gras und Löwenzahn in die Höhe wuchern? Da werden Blumenrabatten angelegt, und rundherum wuchert das Unkraut. Warum schneidet niemand die vielen Bäume entlang der Straßen in den Wohngebieten? Fehlt das Geld dafür, oder hat man einfach keinen Sinn dafür? Na ja, andere Länder, andere Sitten...

"Aljoscha"

die ewige Flamme


Wir verließen Murmansk in südwestlicher Richtung und fanden einige Kilometer nach der Stadt Murmashi am Fluss Tuloma einen Stellplatz, wieder mal in einer Erholungsbasis, diesmal namens „Arktik“. Auch da gibt es viele kleine Holzhäuschen zu mieten. Eine Renovierung, zumindest von außen, haben sie alle nötig. Der Hausmeister schloss extra für uns ein Toilettenhäuschen auf, da wir die einzigen Gäste waren. Und wir staunten nicht schlecht, es gab sogar warmes Wasser!

Standort: N 68° 47' 10.1“ E 32° 29' 28.1“
gefahrene Strecke: 116 km

am Mini-Fjord

auch im Hohen Norden blüht es überall



Mittwoch, 12. Juli 2017

Noch einmal fuhren wir hinein nach Murmansk, um doch noch den Eisbrecher besichtigen zu können. Mit 300 Rubel p.P. waren wir dabei. Die Besucher wurden in Gruppen zu 20 Personen durch das Schiff geführt. Eine rundliche Russin erklärte wortreich einige der wichtigsten Räume und Einrichtungen des Schiffes. Als ich sie fragte, ob sie auch auf Englisch etwas erklären könnte, bejahte sie dies zwar, blieb aber bei ihrem schnell gesprochenen Russisch, wovon ich leider fast nichts verstand. Schade.

Trolleybus wie in vielen russischen Städten

Trotzdem war es sehr interessant, dieses historische Schiff zu besichtigen, das 1957 auf Kiel gelegt und 1959 in Dienst gestellt wurde. Bis 1989 hielt er den nördlichen Seeweg bis in die entlegenen Gebiete Ostsibiriens eisfrei, damit die dort liegenden Orte versorgt werden konnten. Drei Kernreaktoren erzeugten die Antriebsenergie, um diesen 16000-t-Koloss durch die Eismassen schieben zu können. Mehr als 230 Mann Besatzung bedienten das Schiff. Das Büro und der Salon des Kapitäns waren dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend sehr geschmackvoll ausgestattet. Wie die einfachen Matrosen untergebracht waren, hätte uns aber auch interessiert. Uns beeindruckte, wie massiv und stabil alles gebaut war. Unerklärlich blieb uns, warum es in allen Räumen so unglaublich warm war. Nach 1,5 Stunden war der Rundgang beendet. Ich denke, für Technik-Freaks und auch für Geschichts-Interessierte ist der Eisbrecher ein lohnendes Ziel.

Atomeisbrecher "Lenin"
großer Salon

Maschinenraum

Kernreaktor (schlechte Bildqualität, da durch eine verdreckte Scheibe fotografiert)

OP-Raum

Büro des Kapitäns

auf der Brücke


An einer der zahlreichen Tankstellen konnte ich endlich mal die Tanks komplett mit Diesel füllen, denn man bezahlte dort erst nach dem Tanken. Sonst ist es an fast allen Tankstellen üblich, dass man an der Kasse sagt, wie viele Liter man haben möchte und bezahlt. Erst dann wird die Zapfpistole freigeschaltet.

Wir verließen Murmansk endgültig auf der P21 in nordwestlicher Richtung, suchten uns aber bald einen Stellplatz. Diesen fanden wir auch bald am Kilpjawr-See 25 km von der Stadt entfernt. Das Gelände wird offensichtlich häufig genutzt, denn wie konnte es auch anders sein, der übliche Müll lag überall herum. Die zwei „Müs“ (Müll und Mücken) werden wir wohl nie los. Wir standen allerdings ganz alleine da. Das Wetter, zwar warm, aber grau und trübe, lockte wohl niemanden hier raus in die Natur.


Standort: N 69° 07' 58.5“ E 32° 30' 37.5“

gefahrene Strecke: 83 km