Weil es uns am Cobb Lake so gut gefiel,
blieben wir zwei Tage dort. Wir hatten eine sehr nette Unterhaltung
mit Mike, einem Mann Anfang Fünfzig, der mit seiner Frau und seinen
zwei kleinen Kindern (5 und 3 ½ Jahre) auf einem Segelboot und in
einem Mini-Van lebt, wenn die Familie sich in Kanada aufhält. Den
Winter verbringen sie gerne auf Bali. Er hat vor Jahren seien Firma
verkauft und entsagt nun jeglichem Luxus. Die ständige Jagd nach
immer schnellerem Fortschritt, nach immer mehr Geld war ihm
irgendwann zuwider. Nun versucht er, seinen Kindern ein Leben auf
natürlicher und bescheidener Basis vorzuleben und beizubringen. Ein
Aussteiger mit wirklich interessanten Ansichten.
Wir beobachteten drei Angler, die einen
halben Tag auf dem See verbrachten, um schließlich mit ganzen zwei
Fischen zurückzukehren. Und Ihr werdet es kaum glauben, einen davon,
eine wunderschöne Lachsforelle, schenkten sie uns. „Ihr seid
unsere Gäste hier in Kanada. Lasst Euch den Fisch schmecken!“ Er schmeckte vorzüglich! Während wir ihn aßen, mussten wir wieder
an die Worte von Anita am Lake Huron denken, dass ein Lebensmittel
das ehrlichste Geschenk ist und auf der ganzen Welt verstanden wird.
Wir haben verstanden, liebe kanadische Freunde. Und wir erinnerten
uns auch an die vielen gastfreundlichen Menschen, die wir auf unserer
Reise vor drei Jahren in Russland, der Mongolei, Tadschikistan und
all den anderen Ländern trafen.
Noch am gleichen Abend kam ein
schwarzer Dodge RAM angefahren, aus dem zwei große Hunde und ein
kleiner Cowboy herausschauten. Der Kerl, er nannte sich Mitch, konnte
einem Westernfilm entsprungen sein. Wettergegerbtes Gesicht,
hellblaue Augen, grauer Schnauzer, speckiger Hut und die
unvermeidliche rot-schwarz karierte Jacke. Anfangs verstand ich
seinen Slang kaum, doch wir verständigten uns trotzdem gut. Er zählt 60
Lenze, lebt als Aussteiger einige Meilen vom See entfernt ganz allein
mit seinen beiden Hunden in einem verlassenen Dorf, einem ghost
village, und lässt keinen guten Faden an der kanadischen Regierung
und den Politikern allgemein. Er kämpfte 1976 als 18-Jähriger bei
den UNO-Blauhelmen in Zypern gegen die Türken und hat
seitdem ein Schrapnell in seinem Bein stecken. Nun fühlt er sich von
dieser „fucking government“ (verdammte Regierung) verraten und
verlassen, weil man ihn schon mehrfach von verschiedenen Plätzen
verjagt hat, obwohl er ja gar kein richtiger Obdachloser ist.
Wir verließen Cobb Lake, um dann auf
dem Yellowhead Highway (Hwy 16) immer weiter nach Westen zu gelangen.
Über Fraser Lake gelangten wir nach Burns Lake, wo wir auf einem
kommunalen und kostenlosen Campingplatz übernachteten. Direkt nach
uns traf Cristian mit seiner 1000er Honda ein. Kaum 1,60 m groß,
traut man ihm kaum zu, das schwere Mopped sicher zu bewegen, doch das
tut er schon seit zwei Jahren, als er in seiner Heimatstadt Santiago
de Chile startete, um die Welt zu umrunden. Von Süd- über Mittel-
bis Nordamerika hat er schon geschafft. Europa, Afrika, Türkei,
Zentralasien, Russland, Japan und Australien liegen noch vor ihm. Das
will er alles in zwei bis drei Jahren schaffen. Wenn er nächstes
Jahr nach Deutschland kommt, kann er gerne bei uns Station machen,
haben wir ihm angeboten. Good luck, Cristian! Take care! Man kann ihn bei Facebook, Youtube und Instagram finden unter: Huidobrosinfrenos.
Cristian aus Santiago de Chile |
Weiter ging es nach Hazelton, wo wir
auf einem von Ksan-Indianern betriebenen Campingplatz schliefen. Dort
konnten wir für günstige CAD 4,00 zwei Waschmaschinen mit unserer
Wäsche waschen. Es war höchste Zeit! Neben dem CP befindet sich ein
Traditionsdorf dieses Indianerstamms. Sieben traditionelle Holzhäuser
stehen dort, in denen die Indianer früher lebten. Nicht alle
Indianer lebten also in Zelten! Besonders beeindruckt haben uns die
gewaltigen alten Totempfähle, die man vor den Häusern errichtet
hat.
Traditionsdorf der Ksan-Indianer |
Totempfähle |
Der Dorfkern von Hazelton erinnert ein bisschen an seine vergangene Zeit. |
In Kitwanga schwenkte unser Kurs nach
Norden. Der Hwy 37 windet sich durch eine schöne Waldlandschaft mit
Mittelgebirgs-Charakter. Weiter im Norden werden die Berge immer
höher und mächtiger und zeigen auch wieder Schneefelder, obwohl sie
kaum höher als 1000 m sein dürften. Manchmal fühlten wir uns wie
in einem Blumengarten. Links und rechts der Straße blühten Blumen.
Manche Wiesen wirkten wie frisch beschneit, doch unzählige weiße
Blüten sorgten für den Schneeeffekt. Gelb, blau, lila, rosa, rot
leuchteten die Blüten in einer Menge, wie man es bei uns nicht
(mehr) zu sehen bekommt.
Blumenwiese |
An der Mediacin Junction bogen wir
wieder nach Westen ab. Der Hwy 37a sollte uns nach Hyder bringen. Auf
halbem Wege dahin bestaunten wir am Strohn Lake den Bear Glacier
(Bären-Gletscher), dessen Zunge bis zum See hinab reicht. Obwohl
sich die Sonne kaum gegen die dicken Regenwolken durchsetzen konnte,
leuchteten die Gletscherspalten hellblau.
Bear Glacier |
Wenige Kilometer vor Stewart
übernachteten wir am idyllisch gelegenen Clements Lake. Wir standen
noch nicht lange dort, als ein uralter VW-Bus und ein kleiner
Peugeot-PKW ankamen. Die vier jungen Insassen hatten wir vor wenigen
Tagen schon einmal gesehen. Diesmal konnten wir uns mit ihnen
unterhalten. Sie stammen aus Ushuaya an der südlichsten Spitze
Feuerlands (Argentinien), dem Ende der Panamericana. Seit 20 Monaten
sind sie schon mit ihrem 37 Jahre alten Bus made in Brasilien
unterwegs und wollen ebenfalls nach Alaska. Immer wieder trifft man
hier auf (angenehm) Verrückte!
Stewart liegt am Ende des mit 90 Meilen
viertlängsten Fjords der Welt, dem Pootland Canal. Also hatten wir
den Pazifik erreicht und somit den Kontinent Nordamerika von Ost nach
West durchquert! Wir trafen am 1. Juli dort ein, an Juttas Geburtstag
und gleichzeitig dem kanadischen Nationalfeiertag, nämlich der 150.
Canada Day. Zu dessen Ehren hielt man eine Parade ab, die in diesem
winzigen Nest natürlich auch nur sehr klein ausfiel. Vorneweg
marschierten zwei Rotröcke, dahinter folgten ein paar geschmückte
Wagen, von denen Bonbons für die Kinder herausgeworfen wurden. Das
war's auch schon. In größeren Städten dürften die Feierlichkeiten
sicher etwas größer ausgefallen sein.
das Ende des Pootland Canal, der letzte Zipfel das Pazifik sozusagen |
Parade am Nationalfeiertag Kanadas, dem Canada Day |
Stewart befindet sich in Kanada, der
einen halben Kilometer entfernte Nachbarort Hyder in Alaska/USA.
Keinerlei Kontrollen fanden statt, als wir die Grenze überquerten.
Aber es fühlte sich an, als tauchten wir in eine andere Welt ein.
Beide Orte zusammen zählten vor hundert Jahren mehr als 10000
Einwohner. Heute leben 500 Menschen in Stewart und in Hyder 20 oder
50. In Hyder stehen mehr verlassene und vergammelte Häuser als
bewohnte. Verfall wohin man blickt. Kein gutes Aushängeschild für
Alaska.
in Hyder |
Doch wir kamen nicht wegen Hyder
hierher, sondern wegen der Bären und des Glacier Highway. Wenige
Kilometer hinter Hyder hat man am Fish Creek hölzerne Stege
errichtet, von wo aus man beobachten kann, wie die Bären Lachse im
Fluss fangen und verspeisen. Doch waren wir leider ca. zwei Wochen zu
früh da. Mitte Juli werden wahrscheinlich die ersten Lachse
eintreffen, die dann am Ende einer langen Reise den Fluss hinauf an
die Stelle schwimmen, wo sie einst geboren wurden, um dort ihren
Laich abzulegen und dann zu sterben, falls sie nicht schon vorher von
einem hungrigen Bären erwischt wurden. Ein Nationalpark-Ranger
meinte: „No fish, no bears!“ Leider hatte er Recht, denn kein
einziger Bär ließ sich blicken.
in gut zwei Wochen werden sich hier die Bären beim Lachsfang tummeln |
Aber vor uns lag ja noch der viel
gerühmte Glacier Highway. Diese Schotterpiste führte uns durch eine
wirklich spektakuläre Landschaft. Unser Gecko brachte uns klaglos
von 70 m auf über 1100 m hinauf in die Coastal Mountains. Dabei
hatten wir Glück, dass sich die Regenwolken endlich verzogen und die
Sonne die schneebedeckten Gipfel bescheinen konnte. Als wir dann oben
auf über 1100 m Höhe anlangten und der gewaltige Salmon Glacier
(Lachs-Gletscher) vor uns lag, dachten wir einfach nur noch:
Wahnsinn! Uns umgab erhabene Stille. Ergriffenheit ist vielleicht
übertrieben, aber ich weiß nicht, wie ich die Gefühle beschreiben
soll, die einen beim Anblick dieser unglaublich schönen Natur
bewegen. Man sitzt oder steht da, schaut, staunt, schaut wieder und
wieder und denkt einfach an nichts, sondern lässt diese Momente auf
sich wirken.
Coastal Mountains |
Salmon Glacier |
Momente der Stille |
Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Gletscher |
Nun ist der Salmon Glacier bei weitem
nicht der einzige Gletscher in diesem Gebiet. Über 20 weitere soll
es hier noch geben, die wir natürlich nicht alle sehen konnten.
Einige Kilometer weiter trafen wir auf verfallene Stollen und Tunnel.
An einigen Stellen lagen altes verrostetes Baumaterial, Schienen und
Maschinenteile herum und legten Zeugnis ab vom intensiven Bergbau,
der hier betrieben wurde. Der Abbau verschiedener Erze, u.a. auch
Gold, Silber, Kupfer und Tungsten, begann vor über 100 Jahren und
flackerte auch in jüngster Vergangenheit immer wieder auf, zuletzt
2013. Z. Zt. scheint aber alles zu ruhen.
Überreste des ehemaligen Erz-Bergbaus |
Wir übernachteten ganz in der Nähe
der Stelle, wo die Bären die Lachse verspeisen. Wie schon die ganzen
letzten Tage konnten wir abends nicht mehr im Freien sitzen, da die
Mücken in hellen Scharen auf uns einstürmten. Unsere Hoffnung, dass
sich vielleicht doch noch der eine oder andere verfrühte Meister
Petz einstellen könnte, wurde leider nicht erfüllt.
Unser Weg führte uns zurück zur
Mediacin Junction und weiter auf dem Stewart-Cassiar Highway (Hwy 37)
nach Norden, der sich über hunderte Kilometer durch die Coastal
Mountains windet und uns nach rund 750 km zum Alaska Highway bringen
wird. Wald, Berge, Seen, Blumen, eine Kurve nach der anderen,
ständiges Auf und Ab, und das alles bei herrlichem Sonnenschein bot
uns die erste Hälfte dieses Highways. Immer wieder forderten
Schilder den Autofahrer auf, größte Vorsicht wegen des vielen Wilds
walten zu lassen. Ob sich die Tiere alle vor uns verstecken? Wir
sahen nicht ein Einziges.
Noch einmal fuhren wir am Bear Glacier vorbei, diesmal bei Sonnenschein |
Doch das sollte sich ändern und
British Columbia seinem Ruf als äußerst wildreiche Provinz gerecht
werden. Auf einem herrlichen Platz am Morchnea Lake nahmen wir gerade
unser Frühstück ein, trotz Sonnenschein im Auto sitzend, da uns
sonst die Mücken schon am frühen Morgen aufgefressen hätten, als
doch ein kleiner Hase angehoppelt kam. Auch er verspeiste ein paar
Blättchen und Grashalme und ließ sich von uns überhaupt nicht
stören. Ein paar Raben krächzten dazu, ansonsten herrschte
wundervolle Stille.
Wir brachen auf und das Glück sollte
uns weiter hold bleiben. Insgesamt konnten wir an einem Tag gleich
zwei Schwarz- und einen Braunbären. Da sie doch recht scheu sind,
ist es nicht ganz einfach, sie zu fotografieren. Aber immerhin
konnten wir sie eine ganze Weile beobachten.
Schwarzbär |
In ein oder zwei Tagen werden wir in
Watson Lake ankommen und dort unser mitgebrachtes Alsfeld-Schild im
Schilderwald anbringen. Ob uns das gelingt und ob wir weitere
Begegnungen mit Bären, Elchen, Karibus oder Wapitis haben, erfahrt
Ihr wieder hier im Blog.
Zum Schluss noch ein Hinweis. Da die
Gelegenheiten, per WLAN den neuen Bericht hochzuladen, immer seltener
werden, kann es auch passieren, dass der nächste Bericht etwas
länger auf sich warten lässt. Also bleibt bitte schön geduldig und
neugierig...
auf dem Weg nach Yukon |
am Good Hope Lake |