Blog durchsuchen:

Dienstag, 18. Juli 2017

Do swidanija, Rossija – Hej Norge

Donnerstag, 13. Juli 2017

Die Sonne weckte uns. Wir konnten sogar draußen frühstücken, da ein kräftiger Wind uns die Mücken weitestgehend vom Hals hielt. Doch bald zog eine dunkle Wolkenfront heran. Wir schafften es gerade noch, alles zusammenzupacken als der Regen auch schon anfing.

Auf der P21 ging es nun weiter westwärts. Wir kamen ins „Tal des Ruhmes“. Hier erinnert eine Gedenkstätte an die gefallenen Sowjetsoldaten, die in diesem Gebiet im September 1944 die Angriffe der deutschen Faschisten, die Murmansk erobern wollten, erfolgreich abwehrten und zurückschlugen. An einer langen Wand sind mehr als 320 schwarze Tafeln angebracht, jede mit 26 eingravierten Namen gefallener Soldaten. Vor der Wand liegen viele Gräber mit weiteren Namen. Weit über 8000 Gefallene gab es auf sowjetischer Seite. Wie viele Deutsche hier ihr Leben ließen, ist mir nicht bekannt.

Auch wenn wir mit diesem unseligen Krieg nichts zu tun hatten, fühlen wir uns an solchen Gedenkstätten zwar nicht schuldig, aber uns beschleicht jedesmal die Scham. Wir schraken zusammen, als ein vorbeifahrendes Auto lange hupte. Bis wir bemerkten, dass fast jedes Auto hupte. Es ist wohl ein Gruß der Vorbeifahrenden an ihre toten Helden.


Da wir wissen, wie sehr die Russen ihre Helden verehren, erscheint es uns umso unverständlicher, dass sie solche Gedenkstätten nicht besser pflegen. Auch einige weitere kleine Mahnmale in der Nähe entlang der P21 befinden sich in keinem guten Zustand. In Wolgograd, das wir vor zwei Jahren besuchten, sah das entschieden anders aus.


gepflegt sieht anders aus

Der Eindruck, dass hier im hohen Norden Russlands kein Wert auf Äußerlichkeiten gelegt wird, verstärkte sich noch einmal in Zapoljarny. Auch dort befinden sich die alten Wohnblocks in einem katastrophalen Zustand. Geld scheinen die Menschen jedoch zu haben, denn viele dicke und neue Autos fuhren durch die Stadt.

Wir tätigten die letzten Einkäufe und wollten auch ein letztes Mal, bevor wir nach Norwegen ausreisten, günstig Diesel tanken. Doch Pustekuchen, die einzige und letzte Tankstelle vor der Grenze war wegen eines technischen Defekts geschlossen. Na prima!

Da wir schon auf der Strecke bis hierher an vielen militärischen Einrichtungen vorbei gefahren waren, wurde uns bald klar, dass wir vor der Grenze keinen Stellplatz mehr finden würden. Einige Kilometer nach Zapoljarny wies ein Schild darauf hin, dass wir uns im Grenzgebiet befinden (ca. 50 km vor der Grenze!). Viele Kilometer fuhren wir nun an einem Zaun entlang, der an vielen Stellen mit Videokameras überwacht wurde. Man ist gerade dabei, die Straße perfekt auszubauen.

Um 15:37 Uhr kamen wir am Grenzübergang an. Großes Rätselraten, wie lange wir diesmal brauchen würden. Nur ein Auto stand vor uns. Wir waren optimistisch, da die Ausreise aus Russland bisher immer problemlos verlief. Die Passkontrolle erfolgte sowohl freundlich als auch schnell. Nur der Zollbeamte hatte sich offensichtlich in unser Auto verliebt. Der Drogenhund merkte schnell, dass da nichts zu holen ist. Dafür gab sich der Zöllner größte Mühe. In sämtlichen Fächern und Kästen wühlte er herum, verlor dabei mehrmals sein fesches Mützchen und kam schließlich schwitzend aus dem Gecko gekrochen. Freilich hätte ich ihm die Suche erleichtern können, indem ich das Dach hochgeklappt hätte, aber schließlich hatte ich ihn nicht darum gebeten, in unserem Auto so herumzukramen. Schließlich durfte ich auch noch die Dachbox öffnen. Als er auch dort nichts fand, was er beanstanden konnte, zog er missmutig und grußlos davon. Nun ja, er hat seinen Job gemacht. Do swidanija, Rossija!

Dann waren die Norweger an der Reihe. Hej Norge! Freundlich lächelnd begrüßten sie uns und waren richtig locker drauf. Was für ein Unterschied! Der Zöllner guckte mal da und mal dort, fragte nach Schnaps und Bier und glaubte mir natürlich, dass wir nur die eine angebrochene Flasche Wodka und fünf Dosen Bier dabei hatten. Und das war's schon! Neuer Rekord! Nach insgesamt genau einer Stunde ließen wir die Grenze hinter uns.

Und dann fühlten wir uns plötzlich wie in einer anderen Welt. Die ersten Häuschen tauchten auf. Schöne, saubere Farben, gepflegte Gärten, das hatten wir alles schon lange nicht mehr gesehen. Das hier ist Skandinavien, aber die russischen Seite gehört doch auch zu Skandinavien. Wie kann es nur zu solch gravierenden Unterschieden kommen!? Es liegt wohl an den Menschen selbst.

Unser Fazit zu Russlands Nordwesten fällt ernüchternd aus. Auch im fernen Sibirien trafen wir vor zwei Jahren auf große Armut, doch dieses Desinteresse an den eigenen Lebensumständen war für uns neu. So manches könnten die Russen mit geringem Aufwand ändern, wenn sie nur wollten. Aber vielleicht gibt es ja auch ganz andere Gründe, die uns verborgen geblieben sind. Ein Urteil darüber zu fällen wäre anmaßend. Das uns als Ausländer, Gäste und Touristen nicht zu.

In der norwegischen Grenzstadt Kirkenes begrüßte mich der Geldautomat (wir brauchten ja norwegische Kronen) auf Deutsch! Ein paar Kilometer weiter hielten wir an einem schönen Rastplatz mit Tischen, Bänken, sauberen Toiletten und frisch gemähtem Rasen. Wie ungewohnt! Als wir uns an einen der Tische setzten, gab es nur drei große, tief eingeschnittene Buchstaben. Es waren kyrillische Zeichen. Kein Kommentar. Nebenbei: Auf unserer Fahrt durch Russlands Nordwesten kamen wir natürlich auch an vielen Felsen vorbei. Ich glaube, es war kein einziger dabei, der nicht irgendwie beschmiert worden war. Noch einige Kilometer weiter fanden wir einen Stellplatz für die Nacht.

Standort: N 70° 11' 27.3“ E 28° 11' 59.4“
gefahrene Strecke: 315 km


Freitag, 14. Juli 2017

Unser heutiges Ziel war Verdö auf der Halbinsel Varanger und danach das verlassene Fischerdorf Hamningberg. Die Fahrt dorthin auf der E75 war einfach wunderschön. Uns gefiel einfach alles, die bunten Holzhäuschen, der Blick auf den Varangerfjord, das zunächst flache Land. Auch das miese Wetter, Nieselregen aus tief hängenden, grauen Wolken bei 12 Grad, tat unserer Begeisterung keinen Abbruch.

In dem kleinen Ort Nesseby besuchten wir die hübsche Kirche, eine der wenigen, die nicht durch die Deutschen im WK II niedergebrannt wurden. Das dortige Vogelschutzgebiet hätte uns auch interessiert, aber der eiskalte Wind hielt uns von einem Besuch ab (Weicheier!)

Kirche von Nesseby



Je weiter östlich wir kamen, desto hügeliger wurde das Land, aber auch immer kahler. Von Verdö aus führt eine sehr schmale Straße nach Hamningberg. Aller paar hundert Meter gibt es Ausweichstellen, wo auch die hier häufig fahrenden Womos aneinander vorbei kommen. Wie schön muss es hier erst sein, wenn die Sonne scheint. Überall blühten weiße Blumen, gelbe Butterblumenteppiche breiteten sich aus, oft unterbrochen von lila Blütenmeeren. Selbst direkt am Straßenrand blühte es überall. Wunderschön, trotz Regen und Nebel!

Dann erhoben sich mächtige Berge vor uns und es wurde richtig bizarr. Das schmale Asphaltband schlängelte sich nun zwischen schroffen Felsklippen hindurch. Nebelschwaden waberten dazwischen. Es fehlten nur noch die Trolle!

Diese sahen wir dann in Hamningberg vor einigen Häusern, kleine, liebevoll gestaltete Kobolde. Der Ort besteht aus einem reichlichen Dutzend Häusern, die nur noch im Sommer genutzt werden. Bis in die sechziger Jahre wurde hier fleißig Fisch gefangen, doch dann lehnte man den Ausbau des Hafens ab und das Leben hier kam zum Erliegen.

Nach einem Spaziergang durch den Ort wollten wir uns im einzigen Cafe etwas aufwärmen. Zum Glück studierten wir die draußen neben der Tür ausgehängte Preisliste vorher. Eine Fischsuppe 150 Kronen, ein Bier 85 Kronen, eine Waffel 50 Kronen. Bei einem Kurs von knapp 1:10 kostet die Fischsuppe also mehr als 15 Euro. Nein danke!

Wir fuhren ein Stück zurück und stellten uns zwischen den zerklüfteten Felsen, die aus Schiefer bestehen, für die Nacht auf. Der Nebel wurde immer dichter. Das Thermometer zeigte nur noch 9 Grad an. Gut verpackt unternahmen wir noch einen kurzen Spaziergang am arktischen Sandstrand. Durchgefroren wollten wir im Gecko die Standheizung in Gang setzen, doch die sprang nicht an. Wir hatten wohl die Bordbatterien etwas zu stark beansprucht. Zum Glück wärmen die Schlafsäcke recht ordentlich.

Standort: N 70° 30' 11.8“ E 30° 35' 18.7“
gefahrene Strecke:178 km


Kirche von Hamningberg

alte Häuser mit Grasdächern


Hier oben im Hohen Norden müssen die Satellitenschüsseln leicht nach unten ausgerichtet werden, um den Empfang zu sichern.

Rentiere im Ort


Sonnabend, 15. Juli 2017

Der Nebel von gestern Abend hatte sich noch nicht verzogen. Bei schönem Wetter wären wir gerne noch einen Tag an diesem Platz geblieben. So jedoch fuhren wir die gleiche Strecke zurück, die wir gestern hierher gekommen waren. Noch einmal ging es durch diese bizarre Felsenlandschaft, die an manchen Stellen durch den Nebel schon fast mystisch anmutete. Um nach Vardö, der östlichsten Stadt Norwegens, die auf der Insel Vardöya liegt, zu gelangen, mussten durch einen fast 3 km langen Tunnel fahren, der an seiner tiefsten Stelle 88 m unter der Wasseroberfläche liegt. Wir wollten es kaum glauben, dass wir uns nun weiter östlich befanden als St. Petersburg, Kairo und Istanbul.









Zuerst suchten wir den Hafen auf, da wir die berühmte Vogelinsel Hornöy besuchen wollten, wo unglaublich viele Vögel, u.a. auch die Papageientaucher leben. Bei einem Preis von 400 Kronen (fast 42 Euro) p.P. Verging uns jedoch die Lust. Später erfuhren wir, dass wenige Tage zuvor auf der Insel ein großer Felsen weggebrochen sei, so dass z. Zt. nur ein Drittel der Insel zugänglich ist.

Stattdessen spazierten wir einmal um die achteckige, sternförmig angelegte Festung mit vielen alten Kanonen. Sie ist die nördlichste Festung der Welt. Inzwischen hatte sich der Nebel verflüchtigt und die Sonne lachte vom Himmel.

Festung von Vardö
Kirche in Vardö
Oft steht im Garten ein kleines Häuschen, das dem großen stark ähnelt. Darin wohnt der Troll des Hauses. (Skandinavier sind abergläubisch!)


Den nächsten Versuch, seltene Vögel beobachten zu können, starteten weiter südlich auf der Halbinsel Ekkeröy. Auf dem ca. 1,5 km langen Anmarsch zum ersten Vogelfelsen kamen wir an Überresten des WK II vorbei. Die Deutschen hatten hier 1941 zwei große Kanonen mit einer Reichweite von 30 Kilometern, Unterkünfte Bunker usw. errichtet. Davon wollten wir uns nicht beeindrucken und die Laune verderben lassen und liefen weiter. Schon von Weitem hörten wir das Geschrei der Unmassen von Möwen und anderen Vögeln. Außerdem rochen wir es schon von Weitem. Z. Zt. sollen rund 20000 Dreizehen-Möwen hier an den hohen, senkrecht ins Meer abfallenden Felsenklippen leben und brüten. Jeden noch so kleinen Felsvorsprung nutzen die hübschen Möwen, um darauf zu brüten.Wir konnten sogar ein Möwen-Küken beobachten, wie es von einem Altvogel gefüttert wurde. Über 22 verschieden Vogelarten soll es hier geben.

Da die Sonne wieder verschwunden war, kühlte es sich auch schnell wieder stark ab. Wir liefen zurück zum Auto und übernachteten dann auf dem gleichen Stellplatz wie schon zwei Tage zuvor.

Standort: N 70° 11' 27.3“ E 28° 11' 59.4“

gefahrene Strecke: 175 km


rund 20000 Dreizehen-Möwen sollen z. Zt. hier leben

auch der kleinste Felsvorsprung genutzt


Fütterungszeit

Donnerstag, 13. Juli 2017

Teriberka und Murmansk

Montag, 10. Juli 2017

Bis Teriberka, einem kleinen Nest am Polarmeer, waren es nur etwas mehr als 60 km, davon allerdings 42 km Schotterpiste. Der Ort erlangte eine gewisse Berühmtheit, weil dort der mit einem Oscar prämierte Film „Leviathan“ gedreht wurde. Nicht deswegen fuhren wir dorthin, schon weil wir erst später davon erfuhren, sondern weil wir einfach noch ein bisschen mehr von der Halbinsel Kola sehen wollten. Außerdem wollten wir unbedingt bis an die Küste des Polarmeeres gelangen.

Während es an unserem letzten Stellplatz noch viele Krüppelbirken gab, verschwanden diese schon wenige Kilometer weiter östlich völlig von der Bildfläche. Gräser, Sumpfpflanzen und Flechten beherrschten nun das Bild.

Die Schotterpiste ließ sich relativ gut befahren.Weit schweifte dabei unser Blick über das leicht hügelige Land. Grüne, niedrige Vegetation, dazwischen immer wieder dunkelblaue Seen und kleine, weiße Schneefelder ergaben ein so friedliches Bild, das leicht darüber hinwegtäuschen konnte, wie unwirtlich und lebensfeindlich diese Landschaft in Wirklichkeit ist.

Tundralandschaft


Kunst am Wegesrand



Dann erreichen wir Teriberka. Der kleinere Teil des Ortes liegt malerisch an einer sandigen Bucht des Polarmeeres. Doch sobald man sich dem Dorf nähert, erschrickt man fast. Trotz Sonnenschein wirkte der Ort fast trostlos. Alte Holzhäuser, grau mit blinden Fenstern, fallen in sich zusammen. Noch mehr erschrickt man, wenn man bemerkt, dass in manchen dieser Bruchbuden tatsächlich noch Menschen hausen. In einem kleinen Gärtchen wuchsen immerhin ein paar Kartoffeln. Natürlich gibt es auch ein paar größere Steinhäuser, zwei oder drei sogar mit neu gedecktem Dach, aber sie ändern nichts an dem schlimmen Gesamteindruck.

Wir laufen zu einer Reihe von acht neuen, dunkelrot angestrichenen Holzhäuschen, die direkt am Strand stehen.Zu ihnen gehört eine winzige Kapelle mit Zwiebeltürmchen und ein größeres Gebäude, das ein Restaurant beherbergt, aber noch nicht ganz fertiggestellt ist. Ein zaghafter Versuch, Touristen hierher zu bringen.

in Teberka

eins der besseren Häuser

Schiffswrack


Ferienhäuschen warten auf Gäste


Für eine Weile kehrten wir dem Ganzen den Rücken, indem wir uns auf eine rustikale Holzbank am Strand setzten und aufs Meer hinausschauten. Die Sonne Die Sonne hatte den groben Sand erwärmt. Überhaupt konnten wir kaum glauben, am Polarmeer zu sitzen, so warm war es. In der Ferne flatterten die Sommerkleider zweier Frauen im lauen Wind.

Ruhepause am Strand

Wir fuhren weiter zum größeren Teil des Ortes, der sich hinter einem Hügel versteckt. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einem Schiffsfriedhof vorbei. Die kläglichen, total verrosteten Gerippe von vielleicht einem Dutzend Boote und kleinerer Schiffe verrotten hier am Ufer. Was für ein deprimierender Anblick! Doch es sollte noch schlimmer kommen!

Schiffsfriedhof

Der Ort, der vor 30 Jahren noch 5000 Einwohner zählte, heute sind es noch 1000, empfing uns mit Ruinen links und rechts der Straße. Man könnte meinen, ein Krieg hätte hier getobt. Doch es ist „nur“ Verfall.

Ruinen am Ortseingang

Langsam fuhren wir durch diesen schrecklichen Ort. Mehrere Wohnblocks aus Sowjetzeiten tauchten vor uns auf. Auch sie haben bald den Zustand von Ruinen erreicht, doch sie sind bewohnt! Ich schäme mich vor den Menschen, die armselig gekleidet herumlaufen, diese Trostlosigkeit, die sie tagtäglich vor Augen haben, mit der Kamera festzuhalten.

Wenigstens die Schule sieht noch einigermaßen ordentlich aus, ebenso das Eishockeyfeld daneben. Ob es im Winter überhaupt noch genutzt wird? Einen Lichtblick stellt ein Betrieb dar, der wahrscheinlich Fische verarbeitet. Seine Gebäude strahlen in frischem Rot und Blau. Aber es ist wohl der einzige Betrieb, der hier noch arbeitet. Früher gab es gleich mehrere Fischverarbeitungsbetriebe.

Und dann sehen wir noch einen Farbtupfer. Zwei sehr junge Frauen schieben einen Kinderwagen vor sich her über die Schotterpiste. Wie lange aber werden sie hier noch aushalten? Wir sind froh, diesen gespenstischen Ort verlassen zu können. Er ist wohl ein Beispiel dafür, wie es aussieht, wenn der Staat und die regionale Verwaltung komplett versagen.


dieses Haus ist bewohnt!

Wir fuhren zurück zu unserem Stellplatz der letzten beiden Tage. Diesmal schlugen wir unser Lager allerdings ein paar hundert Meter weiter direkt am Seeufer auf. Pfeif auf die paar Mücken!Noch einmal genießen wir die Mitternachtssonne und versuchen, die Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Dabei werde ich einen Gedanken nicht los: Wie viele solcher trostloser Orte mag es in dem riesigen Russland geben?

Standort: N 68° 53' 15.2“ E 34° 13' 55.8“
gefahrene Strecke: 132 km

Schnee mitten im Juli

"Leitplanken"



Dienstag, 11. Juli 2017

Auf nach Murmansk, das mit seinen reichlich 300000 Einwohnern (2010) die größte Stadt in der Arktis ist. Die Einwohnerzahl hat sich übrigens seit 1989 um ein Drittel verringert. Damals lebten noch 470000 Menschen hier!

Unser erstes Ziel war der Atomeisbrecher „Lenin“. Er war der erste mit Kernenergie angetriebene Eisbrecher der Welt. Seit einigen Jahren liegt er nun im Hafen von Murmansk, der durch den Golfstrom auch im Winter eisfrei bleibt, und dient als Museum. Doch leider nicht für uns. „Montag und Dienstag geschlossen“, steht auf einem Schild vor dem Koloss. Schade, echt schade, denn auf diesen Besuch hatte ich mich echt gefreut. Später besuchten wir noch das Denkmal „Wartende Frau“. Sie wartet auf die Heimkehr ihres Mannes von hoher See.

"Wartende Frau"

Natürlich ließen wir uns auch „Aljoscha“ nicht entgehen, eine monumentale Betonskulptur im Gedenken an die Helden der Sowjetarmee, die im 2. Weltkrieg Murmansk erfolgreich gegen die deutschen Angriffe verteidigten. Hoch über dem Hafen blickt der Rotarmist gen Westen.

Blick auf einen Teil von Murmansk

der Murmansker Hafen

Sogar hier an diesem Ehrenmal fiel uns auf, was uns schon bei der Fahrt durch die Stadt und besonders in den Wohngebieten störte: Alles wirkt irgendwie ungepflegt. Die riesigen Wohnblocks, die größtenteils aus den siebziger und achtziger Jahren stammen dürften, haben seit ihrer Errichtung scheinbar nie wieder Farbe bekommen. Viele Bewohner haben die Fenster ihrer Wohnung durch neue ersetzt, der eine in Weiß, der andere in Braun. Der Gesamteindruck bleibt einfach schlimm. Warum zum Beispiel fährt hier niemand mit einem Rasenmäher über die Grünflächen, wo Gras und Löwenzahn in die Höhe wuchern? Da werden Blumenrabatten angelegt, und rundherum wuchert das Unkraut. Warum schneidet niemand die vielen Bäume entlang der Straßen in den Wohngebieten? Fehlt das Geld dafür, oder hat man einfach keinen Sinn dafür? Na ja, andere Länder, andere Sitten...

"Aljoscha"

die ewige Flamme


Wir verließen Murmansk in südwestlicher Richtung und fanden einige Kilometer nach der Stadt Murmashi am Fluss Tuloma einen Stellplatz, wieder mal in einer Erholungsbasis, diesmal namens „Arktik“. Auch da gibt es viele kleine Holzhäuschen zu mieten. Eine Renovierung, zumindest von außen, haben sie alle nötig. Der Hausmeister schloss extra für uns ein Toilettenhäuschen auf, da wir die einzigen Gäste waren. Und wir staunten nicht schlecht, es gab sogar warmes Wasser!

Standort: N 68° 47' 10.1“ E 32° 29' 28.1“
gefahrene Strecke: 116 km

am Mini-Fjord

auch im Hohen Norden blüht es überall



Mittwoch, 12. Juli 2017

Noch einmal fuhren wir hinein nach Murmansk, um doch noch den Eisbrecher besichtigen zu können. Mit 300 Rubel p.P. waren wir dabei. Die Besucher wurden in Gruppen zu 20 Personen durch das Schiff geführt. Eine rundliche Russin erklärte wortreich einige der wichtigsten Räume und Einrichtungen des Schiffes. Als ich sie fragte, ob sie auch auf Englisch etwas erklären könnte, bejahte sie dies zwar, blieb aber bei ihrem schnell gesprochenen Russisch, wovon ich leider fast nichts verstand. Schade.

Trolleybus wie in vielen russischen Städten

Trotzdem war es sehr interessant, dieses historische Schiff zu besichtigen, das 1957 auf Kiel gelegt und 1959 in Dienst gestellt wurde. Bis 1989 hielt er den nördlichen Seeweg bis in die entlegenen Gebiete Ostsibiriens eisfrei, damit die dort liegenden Orte versorgt werden konnten. Drei Kernreaktoren erzeugten die Antriebsenergie, um diesen 16000-t-Koloss durch die Eismassen schieben zu können. Mehr als 230 Mann Besatzung bedienten das Schiff. Das Büro und der Salon des Kapitäns waren dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend sehr geschmackvoll ausgestattet. Wie die einfachen Matrosen untergebracht waren, hätte uns aber auch interessiert. Uns beeindruckte, wie massiv und stabil alles gebaut war. Unerklärlich blieb uns, warum es in allen Räumen so unglaublich warm war. Nach 1,5 Stunden war der Rundgang beendet. Ich denke, für Technik-Freaks und auch für Geschichts-Interessierte ist der Eisbrecher ein lohnendes Ziel.

Atomeisbrecher "Lenin"
großer Salon

Maschinenraum

Kernreaktor (schlechte Bildqualität, da durch eine verdreckte Scheibe fotografiert)

OP-Raum

Büro des Kapitäns

auf der Brücke


An einer der zahlreichen Tankstellen konnte ich endlich mal die Tanks komplett mit Diesel füllen, denn man bezahlte dort erst nach dem Tanken. Sonst ist es an fast allen Tankstellen üblich, dass man an der Kasse sagt, wie viele Liter man haben möchte und bezahlt. Erst dann wird die Zapfpistole freigeschaltet.

Wir verließen Murmansk endgültig auf der P21 in nordwestlicher Richtung, suchten uns aber bald einen Stellplatz. Diesen fanden wir auch bald am Kilpjawr-See 25 km von der Stadt entfernt. Das Gelände wird offensichtlich häufig genutzt, denn wie konnte es auch anders sein, der übliche Müll lag überall herum. Die zwei „Müs“ (Müll und Mücken) werden wir wohl nie los. Wir standen allerdings ganz alleine da. Das Wetter, zwar warm, aber grau und trübe, lockte wohl niemanden hier raus in die Natur.


Standort: N 69° 07' 58.5“ E 32° 30' 37.5“

gefahrene Strecke: 83 km