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Donnerstag, 13. Juli 2017

Teriberka und Murmansk

Montag, 10. Juli 2017

Bis Teriberka, einem kleinen Nest am Polarmeer, waren es nur etwas mehr als 60 km, davon allerdings 42 km Schotterpiste. Der Ort erlangte eine gewisse Berühmtheit, weil dort der mit einem Oscar prämierte Film „Leviathan“ gedreht wurde. Nicht deswegen fuhren wir dorthin, schon weil wir erst später davon erfuhren, sondern weil wir einfach noch ein bisschen mehr von der Halbinsel Kola sehen wollten. Außerdem wollten wir unbedingt bis an die Küste des Polarmeeres gelangen.

Während es an unserem letzten Stellplatz noch viele Krüppelbirken gab, verschwanden diese schon wenige Kilometer weiter östlich völlig von der Bildfläche. Gräser, Sumpfpflanzen und Flechten beherrschten nun das Bild.

Die Schotterpiste ließ sich relativ gut befahren.Weit schweifte dabei unser Blick über das leicht hügelige Land. Grüne, niedrige Vegetation, dazwischen immer wieder dunkelblaue Seen und kleine, weiße Schneefelder ergaben ein so friedliches Bild, das leicht darüber hinwegtäuschen konnte, wie unwirtlich und lebensfeindlich diese Landschaft in Wirklichkeit ist.

Tundralandschaft


Kunst am Wegesrand



Dann erreichen wir Teriberka. Der kleinere Teil des Ortes liegt malerisch an einer sandigen Bucht des Polarmeeres. Doch sobald man sich dem Dorf nähert, erschrickt man fast. Trotz Sonnenschein wirkte der Ort fast trostlos. Alte Holzhäuser, grau mit blinden Fenstern, fallen in sich zusammen. Noch mehr erschrickt man, wenn man bemerkt, dass in manchen dieser Bruchbuden tatsächlich noch Menschen hausen. In einem kleinen Gärtchen wuchsen immerhin ein paar Kartoffeln. Natürlich gibt es auch ein paar größere Steinhäuser, zwei oder drei sogar mit neu gedecktem Dach, aber sie ändern nichts an dem schlimmen Gesamteindruck.

Wir laufen zu einer Reihe von acht neuen, dunkelrot angestrichenen Holzhäuschen, die direkt am Strand stehen.Zu ihnen gehört eine winzige Kapelle mit Zwiebeltürmchen und ein größeres Gebäude, das ein Restaurant beherbergt, aber noch nicht ganz fertiggestellt ist. Ein zaghafter Versuch, Touristen hierher zu bringen.

in Teberka

eins der besseren Häuser

Schiffswrack


Ferienhäuschen warten auf Gäste


Für eine Weile kehrten wir dem Ganzen den Rücken, indem wir uns auf eine rustikale Holzbank am Strand setzten und aufs Meer hinausschauten. Die Sonne Die Sonne hatte den groben Sand erwärmt. Überhaupt konnten wir kaum glauben, am Polarmeer zu sitzen, so warm war es. In der Ferne flatterten die Sommerkleider zweier Frauen im lauen Wind.

Ruhepause am Strand

Wir fuhren weiter zum größeren Teil des Ortes, der sich hinter einem Hügel versteckt. Auf dem Weg dorthin kamen wir an einem Schiffsfriedhof vorbei. Die kläglichen, total verrosteten Gerippe von vielleicht einem Dutzend Boote und kleinerer Schiffe verrotten hier am Ufer. Was für ein deprimierender Anblick! Doch es sollte noch schlimmer kommen!

Schiffsfriedhof

Der Ort, der vor 30 Jahren noch 5000 Einwohner zählte, heute sind es noch 1000, empfing uns mit Ruinen links und rechts der Straße. Man könnte meinen, ein Krieg hätte hier getobt. Doch es ist „nur“ Verfall.

Ruinen am Ortseingang

Langsam fuhren wir durch diesen schrecklichen Ort. Mehrere Wohnblocks aus Sowjetzeiten tauchten vor uns auf. Auch sie haben bald den Zustand von Ruinen erreicht, doch sie sind bewohnt! Ich schäme mich vor den Menschen, die armselig gekleidet herumlaufen, diese Trostlosigkeit, die sie tagtäglich vor Augen haben, mit der Kamera festzuhalten.

Wenigstens die Schule sieht noch einigermaßen ordentlich aus, ebenso das Eishockeyfeld daneben. Ob es im Winter überhaupt noch genutzt wird? Einen Lichtblick stellt ein Betrieb dar, der wahrscheinlich Fische verarbeitet. Seine Gebäude strahlen in frischem Rot und Blau. Aber es ist wohl der einzige Betrieb, der hier noch arbeitet. Früher gab es gleich mehrere Fischverarbeitungsbetriebe.

Und dann sehen wir noch einen Farbtupfer. Zwei sehr junge Frauen schieben einen Kinderwagen vor sich her über die Schotterpiste. Wie lange aber werden sie hier noch aushalten? Wir sind froh, diesen gespenstischen Ort verlassen zu können. Er ist wohl ein Beispiel dafür, wie es aussieht, wenn der Staat und die regionale Verwaltung komplett versagen.


dieses Haus ist bewohnt!

Wir fuhren zurück zu unserem Stellplatz der letzten beiden Tage. Diesmal schlugen wir unser Lager allerdings ein paar hundert Meter weiter direkt am Seeufer auf. Pfeif auf die paar Mücken!Noch einmal genießen wir die Mitternachtssonne und versuchen, die Eindrücke des Tages zu verarbeiten. Dabei werde ich einen Gedanken nicht los: Wie viele solcher trostloser Orte mag es in dem riesigen Russland geben?

Standort: N 68° 53' 15.2“ E 34° 13' 55.8“
gefahrene Strecke: 132 km

Schnee mitten im Juli

"Leitplanken"



Dienstag, 11. Juli 2017

Auf nach Murmansk, das mit seinen reichlich 300000 Einwohnern (2010) die größte Stadt in der Arktis ist. Die Einwohnerzahl hat sich übrigens seit 1989 um ein Drittel verringert. Damals lebten noch 470000 Menschen hier!

Unser erstes Ziel war der Atomeisbrecher „Lenin“. Er war der erste mit Kernenergie angetriebene Eisbrecher der Welt. Seit einigen Jahren liegt er nun im Hafen von Murmansk, der durch den Golfstrom auch im Winter eisfrei bleibt, und dient als Museum. Doch leider nicht für uns. „Montag und Dienstag geschlossen“, steht auf einem Schild vor dem Koloss. Schade, echt schade, denn auf diesen Besuch hatte ich mich echt gefreut. Später besuchten wir noch das Denkmal „Wartende Frau“. Sie wartet auf die Heimkehr ihres Mannes von hoher See.

"Wartende Frau"

Natürlich ließen wir uns auch „Aljoscha“ nicht entgehen, eine monumentale Betonskulptur im Gedenken an die Helden der Sowjetarmee, die im 2. Weltkrieg Murmansk erfolgreich gegen die deutschen Angriffe verteidigten. Hoch über dem Hafen blickt der Rotarmist gen Westen.

Blick auf einen Teil von Murmansk

der Murmansker Hafen

Sogar hier an diesem Ehrenmal fiel uns auf, was uns schon bei der Fahrt durch die Stadt und besonders in den Wohngebieten störte: Alles wirkt irgendwie ungepflegt. Die riesigen Wohnblocks, die größtenteils aus den siebziger und achtziger Jahren stammen dürften, haben seit ihrer Errichtung scheinbar nie wieder Farbe bekommen. Viele Bewohner haben die Fenster ihrer Wohnung durch neue ersetzt, der eine in Weiß, der andere in Braun. Der Gesamteindruck bleibt einfach schlimm. Warum zum Beispiel fährt hier niemand mit einem Rasenmäher über die Grünflächen, wo Gras und Löwenzahn in die Höhe wuchern? Da werden Blumenrabatten angelegt, und rundherum wuchert das Unkraut. Warum schneidet niemand die vielen Bäume entlang der Straßen in den Wohngebieten? Fehlt das Geld dafür, oder hat man einfach keinen Sinn dafür? Na ja, andere Länder, andere Sitten...

"Aljoscha"

die ewige Flamme


Wir verließen Murmansk in südwestlicher Richtung und fanden einige Kilometer nach der Stadt Murmashi am Fluss Tuloma einen Stellplatz, wieder mal in einer Erholungsbasis, diesmal namens „Arktik“. Auch da gibt es viele kleine Holzhäuschen zu mieten. Eine Renovierung, zumindest von außen, haben sie alle nötig. Der Hausmeister schloss extra für uns ein Toilettenhäuschen auf, da wir die einzigen Gäste waren. Und wir staunten nicht schlecht, es gab sogar warmes Wasser!

Standort: N 68° 47' 10.1“ E 32° 29' 28.1“
gefahrene Strecke: 116 km

am Mini-Fjord

auch im Hohen Norden blüht es überall



Mittwoch, 12. Juli 2017

Noch einmal fuhren wir hinein nach Murmansk, um doch noch den Eisbrecher besichtigen zu können. Mit 300 Rubel p.P. waren wir dabei. Die Besucher wurden in Gruppen zu 20 Personen durch das Schiff geführt. Eine rundliche Russin erklärte wortreich einige der wichtigsten Räume und Einrichtungen des Schiffes. Als ich sie fragte, ob sie auch auf Englisch etwas erklären könnte, bejahte sie dies zwar, blieb aber bei ihrem schnell gesprochenen Russisch, wovon ich leider fast nichts verstand. Schade.

Trolleybus wie in vielen russischen Städten

Trotzdem war es sehr interessant, dieses historische Schiff zu besichtigen, das 1957 auf Kiel gelegt und 1959 in Dienst gestellt wurde. Bis 1989 hielt er den nördlichen Seeweg bis in die entlegenen Gebiete Ostsibiriens eisfrei, damit die dort liegenden Orte versorgt werden konnten. Drei Kernreaktoren erzeugten die Antriebsenergie, um diesen 16000-t-Koloss durch die Eismassen schieben zu können. Mehr als 230 Mann Besatzung bedienten das Schiff. Das Büro und der Salon des Kapitäns waren dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend sehr geschmackvoll ausgestattet. Wie die einfachen Matrosen untergebracht waren, hätte uns aber auch interessiert. Uns beeindruckte, wie massiv und stabil alles gebaut war. Unerklärlich blieb uns, warum es in allen Räumen so unglaublich warm war. Nach 1,5 Stunden war der Rundgang beendet. Ich denke, für Technik-Freaks und auch für Geschichts-Interessierte ist der Eisbrecher ein lohnendes Ziel.

Atomeisbrecher "Lenin"
großer Salon

Maschinenraum

Kernreaktor (schlechte Bildqualität, da durch eine verdreckte Scheibe fotografiert)

OP-Raum

Büro des Kapitäns

auf der Brücke


An einer der zahlreichen Tankstellen konnte ich endlich mal die Tanks komplett mit Diesel füllen, denn man bezahlte dort erst nach dem Tanken. Sonst ist es an fast allen Tankstellen üblich, dass man an der Kasse sagt, wie viele Liter man haben möchte und bezahlt. Erst dann wird die Zapfpistole freigeschaltet.

Wir verließen Murmansk endgültig auf der P21 in nordwestlicher Richtung, suchten uns aber bald einen Stellplatz. Diesen fanden wir auch bald am Kilpjawr-See 25 km von der Stadt entfernt. Das Gelände wird offensichtlich häufig genutzt, denn wie konnte es auch anders sein, der übliche Müll lag überall herum. Die zwei „Müs“ (Müll und Mücken) werden wir wohl nie los. Wir standen allerdings ganz alleine da. Das Wetter, zwar warm, aber grau und trübe, lockte wohl niemanden hier raus in die Natur.


Standort: N 69° 07' 58.5“ E 32° 30' 37.5“

gefahrene Strecke: 83 km

Dienstag, 11. Juli 2017

Vom Weißen Meer nach Murmansk

Montag, 2. Juli 2017

Traumwetter vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Nicht ein einziges Wölkchen zeigte sich am Himmel. Ein Grund mehr, noch einen Tag an diesem schönen Platz zu bleiben.

Holz sammeln und sägen war zunächst angesagt, anschließend Blog aktualisieren. Währenddessen fuhren die ersten Schiffe und Boote vorbei, nachdem wir gestern kein einziges sahen. Vielleicht gibt es hier ja ein Sonntags-Fahrverbot für Schiffe?



Am frühen Nachmittag hatten wir ein eigenartiges, für Russland bzw. Russen aber auch typisches Erlebnis. Zwei junge Familien mit vier Kindern kamen zu unserem Platz. Sie setzten sich in 1,5 m Abstand direkt neben uns. Aber es kam weder ein Gruß noch ein Blick zu uns. OK, dieses Verhalten kannten wir ja schon. Bis auf die beiden Frauen tobten alle in dem eiskalten Wasser herum. Irgendwann packten sie ihre Sachen wieder zusammen und gingen zurück zu ihren Autos. Doch dann kam einer der Männer noch mal zurück zu uns und schüttete aus einem Sack eine ordentliche Menge fertig gehacktes Holz auf unseren Holzhaufen, lächelte und sagte: „For free!“ (Kostet nix!) Wir guckten völlig verblüfft und konnten wenigstens den Kindern ein paar Kekse zustecken. Erst denkt man, was sind die Russen nur für Muffel, und dann bekommt man einen Sack Holz geschenkt. Wir fragten uns danach zum wiederholten Male, warum die Russen anfangs so kontaktscheu sind.

Das Feuer am Abend hielt die dann wieder sehr aktiven Mücken kaum ab, so dass wir keine richtige Freude daran hatten, draußen zu sitzen. Bald zogen wir uns in den Gecko zurück.

Standort: N 64° 26' 47.0“ E 34° 32' 33.7“
gefahrene Strecke: 0 km


Dienstag, 4. Juli 2017

Erst gegen 11 Uhr fuhren wir los, zunächst zu einer nur wenige Kilometer entfernten Schleuse des Weißmeerkanals. Es gab kaum etwas Interessantes zu sehen. Kein Schiff weit und breit. Zufällig entdeckten wir direkt daneben einen neuen Womo-Stellplatz mit Stromanschlüssen und Toiletten, die wir uns aber nicht ansahen (Koordinaten: N 64.4763 E 34.6624).

Weiter ging es auf übler Asphaltstraße nach Belomorsk. Als wir ein Schild am Straßenrand entdeckten, das auf Petroglyphen (Steingravuren) hinwies. Wir bogen ab und parkten nach 1 km. Ungefähr einen weiteren Kilometer musste man zu Fuß zurücklegen. Über eine halbfertige Brücke führte ein Weg in den Wald. Sobald wir die Brücke hinter uns hatten, begannen wir, wild um uns zu schlagen. Total aggressive Mücken in unglaublicher Anzahl fielen über uns her. Ein paar hundert Meter liefen wir noch, doch dann hielten wir es nicht mehr aus. Wir konnten kaum noch atmen, so umschwärmten uns die Mücken. Völlig entnervt kehrten wir um. Im Auto mussten wir erst mal unsere Hände reinigen, an denen Blut und Mückenreste klebten. So eine Attacke hatten wir noch nie erlebt.

Belomorsk machte auf uns einen sehr heruntergekommenen Eindruck. So viele kaputte oder vergammelte Häuser... Immerhin konnten wir vernünftig einkaufen. Danach fuhren wir die gleiche Strecke zurück zur P21 und dann weiter gen Norden. Wald und Sumpf, Sumpf und Wald, wobei der Sumpf immer größere Anteile übernahm.

in Belomorsk



Sumpflandschaften ohne Ende

auch im Sumpf blüht es überall

Zweimal versuchten wir, einen Stellplatz zu finden, indem wir in Waldwege hineinfuhren. Beim ersten Versuch fanden wir einen schönen See, aber sobald wir das Auto verließen, erlebten wir die zweite Mückenattacke an diesem Tag. Der zweite Anlauf endete vor einem riesigen Schlammloch. Also fuhren wir weiter und weiter und landeten dann schließlich auf einer Stojanka (LKW-Parkplatz). Wir bekamen einen Platz direkt an der Straße zugewiesen. Schön war es da nun wirklich nicht. Jeder dritte Truck ließ den Motor laufen (warum eigentlich?), in jeder Ecke brummte und rasselte es anders, Abgase waberten durch die Luft. Aber für 80 Rubel kann man wohl nicht mehr verlangen. Warum man bei den Trucks und sogar bei einigen PKW die Motoren stundenlang laufen lässt, blieb uns ein Rätsel. Wenn es tiefer Winter wäre, könnte man es noch verstehen, aber jetzt im Sommer...

Apropos Sommer. Um 20:35 Uhr zeigte das Thermometer 20 Grad. Wenige Stunden zuvor waren es noch 24 Grad! Und das nur wenige Kilometer vom Polarkreis entfernt! Am Abend erfuhr ich von einem Freund per Facebook, dass am gleichen Tag in Kenia geschneit hatte. Verrückte Welt!

Standort: N 66° 28' 15.1“ E 32° 46' 17.2“
gefahrene Strecke: 303 km





Mittwoch, 5. Juli 2017

Die letzte Nacht war laut, sehr laut. Trotzdem schliefen wir bis fast 8 Uhr.

Bis zum Polarkreis fuhren wir lediglich 8 km. Dort schossen wir an einer Art Denkmal die obligatorischen Erinnerungsfotos. Dabei war Schlange stehen angesagt, denn auch eine ganze Reihe Russen wollten sich so verewigen lassen.

wir haben den nördlichen Polarkreis erreicht

Je weiter nördlich wir kamen und uns Kandalaksha näherten, desto hügeliger wurde die Landschaft, bis sogar in der Ferne Berge mit einigen Schneeresten auftauchten. Bei Kandalaksha verließen wir die P21 in östlicher Richtung. Wir befanden uns nun auf der Halbinsel Kola, die eine Fläche von rund 100000 qkm einnimmt (Deutschland 357000 qkm). Schon bald bot sich uns ein erster wunderschöner Ausblick aufs Weiße Meer mit kleinen Inseln und Fjorden. Weiter ging es auf einer in der Karte weiß dargestellten Straße, die jedoch gut asphaltiert war.

ein erster Blick aufs Weiße Meer


Ca. 30 km östlich der kleinen Stadt Umba fuhren wir auf einem Waldweg direkt bis auf den Sandstrand an der Nordküste des Weißen Meeres und fanden einen für uns idealen Stellplatz. Vor allem, weil es da sicher keine Mücken gibt, so direkt am Meer und bei leichtem Wind. Doch diese Biester sind einfach überall, wie wir bald feststellen mussten. Der Wind ließ nach, und sofort schwirrten sie zu Hunderten um unsere Köpfe. Sie wurden regelrecht zur Qual. Selbst das Feuer, das wir entfachten, störte sie kaum. Natürlich machte da das Grillen unserer Steaks auch nicht wirklich Spaß.

Inzwischen waren einige Russen mit zwei Hummer angekommen. Sie zelteten in einiger Entfernung. Später trafen noch Petra und Joachim mit ihrem Unimog ein. Mit ihnen schwatzten wir später längere Zeit direkt vorn an der Wasserkante und tranken auf Petras 58. Geburtstag.

Das Wasser war weit zurückgegangen. Ich hätte nicht gedacht, dass sich die Gezeiten hier so stark auswirken. Obwohl das Wasser am Abend fast 100 Meter weiter draußen war, fraßen uns auch dort die Mücken fast auf. Mit völlig zerstochenen Händen, Gesichtern und Köpfen trollten wir uns schon um halb zehn in unsere Behausungen.

Standort: N 66° 35' 41.1“ E 34° 42' 51.4“
gefahrene Strecke: 226 km

am Strand des Weißen Meeres




Donnerstag, 6. Juli 2017

Regen weckte uns. Als wir 9 Uhr losfuhren, hatte er aufgehört, doch der Himmel blieb grau und wolkenverhangen.

In Umba tankten wir noch mal nach und folgten dann einer ebenfalls weißen Straße lt. Reise-Know-How-Karte. Ab dem ersten Meter erwies sie sich jedoch als Piste. Auf ihr wollten wir bis Kirowsk und dann weiter bis Apatity gelangen. Die ersten 15 km ließen sich noch ganz gut befahren. Es ging ständig durch sumpfigen Wald. Sand, Schlaglöcher, Schotter, Waschbrett, die Piste bot alles. Später kamen mehr oder weniger tiefe Wasserlöcher hinzu. Aber auch die stellten kein Problem dar.

Nach 35 km staunten wir nicht schlecht, weil dort auf einer Lichtung zwei verfallene Häuser standen. Wer mag so tief im Wald versteckt gelebt haben und warum? Ab dieser Stelle wurde die Piste immer schlechter. Ein Schlagloch reihte sich ans andere. Die Löcher wurden immer größer und tiefer. Oftmals ging es nur noch im Schritttempo voran. Dabei wurde unser Gecko ständig heftig durchgerüttelt und geschüttelt und wir natürlich auch. Spaßig war das nicht mehr. Die Fahrerei erforderte zudem volle Konzentration.

verlassenes Haus mitten im Wald


Sumpfwald

Wegebau auf russisch: zu dicht am Weg stehende Bäume werden einfach beiseite gedrückt

ein der kleineren Wasserlöcher

Am Kilometer 38 nach Pistenanfang standen wir vor einem ca. 40 m langen Wasserloch, dessen Tiefe wir nicht abschätzen konnten. Bis zur anderen Seite barfuß durch diese eisige Brühe zu laufen, hatten wir keinen Bock. Immerhin konnten wir einige große Steinbrocken unter der Wasseroberfläche erkennen. Schwarzes Sumpfwasser, wer weiß, wie tief. Bis nach Kirowsk waren es noch ungefähr 120 km, und das auf solcher Piste. Für die knapp 40 km bis hierher hatten wir schon 2,5 Stunden gebraucht. Also lagen noch sieben bis acht Stunden Pistenfahrt vor uns, und die Aussicht, uns schlimmstenfalls aus solch einem Wasser- oder Schlammloch rausbuddeln zu müssen, wobei uns die Mücken sicher auffressen würden. Nach einigem Hin- und Herüberlegen fiel die Entscheidung: Wir kehren um.

Auf dem Rückweg kamen uns Petra und Joachim mit ihrem Unimog entgegen, ihnen voran ihr Guide in einem russischen LKW. Evtl. treffen wir sie in Norwegen wieder. Mal sehen, wie sie die Piste bewältigt haben.

Inzwischen hatte der Himmel seine Schleusen wieder geöffnet. Bis zur P21 wollten wir nicht fahren, denn dort würde es sicher wieder sehr schwierig, einen Stellplatz zu finden. So fuhren wir schon 50 km vor Kandalaksha ans Steilufer des Kolwitskoje-Sees. Ein wunderschöner Platz an diesem riesigen See, wo bei schönem Wetter sicher viele Russen campieren. Das ließen die vielen verlassenen Feuerstellen vermuten. Verblüffenderweise lag relativ wenig Müll herum.

Der Regen hatte aufgehört. Bald brannte unser Feuer. Nun fehlte nur noch die Sonne...

Standort: N 67° 01' 53.5“ E 33° 28' 17.4“
gefahrene Strecke: 153 km

Stellplatz am Kolwitskoje-See

Freitag, 7. Juli 2017

Unglaublich, aber wahr: Wir schliefen bis fast 10 Uhr. Lag es an der Ruhe oder am Plätschern der Wellen des Sees? Egal.

Zunächst fuhren wir zurück bis Kandalaksha, von dort weiter auf der P21 bis zum Abzweig nach Apatity und dann bis zu dieser hässlichen Bergbaustadt. Hier wird Apatit abgebaut, das wohl u.a. zur Herstellung von Düngemitteln verwendet wird. Riesige Industrieruinen verschandeln das ohnehin schon triste Stadtbild.

Weiter ging es bis Kirowsk. Diese Stadt liegt direkt vor den Bergen der Chibinen (ein kleines Gebirge), die teilweise noch mit Schnee bedeckt waren. Dort suchten und fanden wir schließlich auch den botanischen Garten, wo schon andere Reisende in ihren Womos übernachtet hatten. Der Pförtner hatte jedoch kein Erbarmen mit uns. Niemand hätte ihm gesagt, dass jemand zum Schlafen käme. Obwohl es weltweit nur drei botanische Gärten jenseits des Polarkreises gibt, war uns die Lust darauf vergangen.

die Chibinen

Kirowsk

Chibinen

riesiger Industrie-Komplex

typische Garagensiedlung, wie man sie hier im Hohen Norden ganz oft sieht

Wir kehrten um und fuhren zurück bis Apatity. Ein Stück außerhalb der Stadt steuerten wir eine sog. Erholungsbasis (база отдыха). Eine Schlaglochpiste brachte uns zu einem funkelnagelneuen, sehr schönen Empfangsgebäude. Die junge, hübsche Dame an der Rezeption meinte, sie würden hier nur Ferienhäuschen vermieten. Sie telefonierte dann mit ihrem Chef. Sie hätte uns sicher irgendwo in dem großen Gelände schlafen lassen, aber der Natschalnik war dagegen.

Einige Kilometer weiter versuchten wir es noch einmal in einer ähnlichen, aber wesentlich kleineren Einrichtung, und siehe da, für 200 Rubel durften wir bleiben. Dafür durften wir auch ein geräumiges Toilettenhäuschen benutzen. Darin befand sich ein ganz normales WC. Alles war sehr sauber und ordentlich und – es war geheizt! Bei einer Außentemperatur von 11 Grad doch schon ganz angenehm.

Am Abend kam der Chef vorbei. Mit ihm plauderten wir kurz. Dabei stellte es sich heraus, dass er als Soldat der Sowjetarmee in Glauchau stationiert war, also ganz in der Nähe von Lichtenstein, wo wir bis 1989 gewohnt hatten. Die Welt ist eben doch klein...

Standort: N 67° 39' 06.3“ E 32° 53' 36.7“
gefahrene Strecke: 232 km


ob die Recycling-Hütten auch vermietet werden?

unser "Wächter"
verblüffend: eine Stupa 153 km südlich von Murmansk

Sonnabend, 8. Juli 2017

Nach herzlichem Abschied von der Vermieterin fuhren wir bei strahlendem Sonnenschein direkt an den Stadtrand von Murmansk. Dort erledigten wir in einem riesigen Magnit-Supermarkt unseren Großeinkauf. Danach verließen wir die Stadt wieder in gingen in Richtung Osten auf die Suche nach einem schönen Stellplatz.

Den bis südlich von Murmansk vorherrschenden Mischwald ersetzt hier im hohen Norden die Tundra. Sanfte Hügel schwingen sich bis zum Horizont. Kleine buschig wachsende Birken herrschen vor, einige niedrige Nadelgehölze wachsen dazwischen. Dazwischen leuchteten da und dort noch restliche Schneefelder. Ansonsten Sumpf, Sumpf und wieder Sumpf.

Ca. 50 km östlich von Murmansk fanden wir nach einigen vergeblichen Anläufen ein wunderschönes Fleckchen inmitten der Tundra. Wir stellten uns 100 Meter entfernt von einem See zwischen locker stehenden Birken auf. Da gab es wesentlich weniger Mücken als direkt am Wasser. Ein leichter, lauer Wind half zusätzlich, die Mücken zu vertreiben.

Bald brannte unser Feuer, das aber nicht so recht in Gang kommen wollte, da sämtliches Holz ziemlich feucht war. Den Schaschlik mussten wir schließlich doch in der Pfanne braten. Auf den hatten wir uns sehr gefreut, doch leider erlebten wir einen Reinfall. Das Fleischeimerchen, das wir gekauft hatten, enthielt große Stückchen Hühnerfleisch samt Knochen. Es sah aus wie ein explodiertes Hähnchen. Das Fleisch war zwar in einer Marinade eingelegt, doch es schmeckte erst durch kräftiges Nachwürzen und viel, gaaanz viel Knoblauch und Zwiebeln.

Und dann hatten wir in der Nacht ein für uns völlig neues Erlebnis, die Mitternachtssonne! Darüber lesen oder es im Fernsehen zu sehen oder es selbst zu erleben, sind eben doch zwei völlig verschiedene Dinge. Wir schauten immer wieder auf die Uhr und konnten es kaum glauben. Es war tatsächlich schon Mitternacht, und die Sonne stand immer noch ein ganzes Stück über dem Horizont. Ja, sie ging überhaupt nicht unter! Die letzten Nächte waren ja auch schon sehr hell, aber dass die Sonne überhaupt nicht unterging, war eben doch etwas Neues für uns. Im Winter möchte ich allerdings nicht hier leben, wenn es wochenlang gar nicht mehr hell wird. Das stelle ich mir wirklich deprimierend vor.

Standort: N 68° 53' 03.5“ E 34° 13' 47.6“
gefahrene Strecke: 202 km


Stellplatz inmitten der Tundra



Mitternachtssonne

Sonntag, 9. Juli 2017

Wieder verwöhnten uns strahlender Sonnenschein und sehr milde Temperaturen von über 20 Grad. Kurzerhand blieben wir einen Tag am selben Fleck. Wir füllten den schwarzen Schweizer Armee-Wassersack mit Wasser aus dem See, legten ihn ein paar Stunden in die pralle Sonne und hatten dann warmes Wasser in ausreichender Menge, um wieder mal unsere Haare zu waschen. Wer hat's erfunden, die Schweizer...

Wäsche waschen und kleine Wartungsarbeiten am Gecko erledigten wir in aller Ruhe. Und wieder mal Sonne und Wärme genießen lagen an. Schließlich zauberte Jutta auf unserem kleinen Kocher köstliche Blini (russische Eierkuchen), zuerst herzhaft mit Käse und dann süß mit Apfelstückchen.

In den nächsten Tagen wollen wir u.a. Murmansk erkunden und, wenn möglich, den dort im Hafen liegenden ersten Atomeisbrecher der Welt besichtigen. Und wir werden versuchen, noch hier auf russischer Seite bis an die Küste des Polarmeeres, der Barentssee, vorzudringen.

Es bleibt also interessant. Und Ihr bleibt hoffentlich alle recht neugierig...

Standort: N 68° 53' 03.5“ E 34° 13' 47.6“

gefahrene Strecke: 0 km


erst Haare waschen...

...dann Wäsche waschen