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Freitag, 26. Juni 2015

Rallye Dakar in der Mongolei?

23. Juni 2015

Wir waren wirklich gespannt, was uns an der russisch-mongolischen Grenze erwarten würde. Auf langes Warten hatten wir uns schon mal eingestellt.

Letztlich war alles halb so schlimm. Die russischen Zöllner, immerhin gleich zu dritt, kontrollierten oberflächlich das Auto, wir bekamen da und dort einen Stempel und schwupp, hatten wir Russland völlig problemlos verlassen. Hundert Meter weiter nahm auf der mongolischen Seite eine Prozedur ihren Lauf, die wir beim besten Willen nicht verstanden. Wir wurden von da nach dort und von dort nach da geschickt, bekamen irgendwelche Zettelchen und manchmal einen oder mehrere Stempel darauf. Dann stand das Auto an der falschen Stelle und musste weggefahren werden, was aber auch wieder nicht richtig war. Immerhin waren aber alle Beteiligten (und das waren viele!) recht freundlich und hilfsbereit. Irgendwann saßen wir wieder im Auto, erhielten den finalen Stempel auf einen Zettel, den wir ein paar Meter weiter abgeben durften. Ein Soldat in Tarnuniform schob ein Gartentor-ähnliches Gebilde beiseite, der Soldat auf der rechten Seite und ein weiterer in schmucker und tadellos sitzender Ausgangs-Uniform salutierten stramm und mit ernster Miene, und wir waren drin in der Mongolei. Dachten wir. Ein paar Meter weiter wurden wir von zwei Uniformierten schon wieder barsch gestoppt. Zurück und ab in einen üblen Schuppen auf der linken Seite. Nach einer Weile wurde mir klar, dass es um eine Versicherung ging. Na gut, da gab es kein Entrinnen. Ich durfte mit Rubel bezahlen, umgerechnet rund 40 Euro. Damit hatten wir dann wirklich das letzte Hindernis überwunden. Insgesamt dauerte alles rund zweieinhalb Stunden, was für diesen Grenzübergang eine recht gute Zeit ist. Und nun: Freie Fahrt ins Land Dschingis Khans!

Zunächst fuhren wir in Richtung Süden durch die Stadt Sukhbataar und weiter bis Darkahn, um einige Kilometer weiter in Richtung Westen abzubiegen. Unser nächstes Ziel war das Kloster Amarbayagalant, eine der größten und am besten erhaltenen Anlagen in der Mongolei. Wir verließen die Straße nordwärts. Hier begann die Sand- und Schotterpiste. 35 km bis zum Kloster, das war vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr zu schaffen. Ein hübscher Stellplatz direkt neben der Piste war schnell gefunden. Wenig später trieben zwei junge Schäfer, einer mit Moped, der andere traditionell mit Pferd, ihre gemischte Herde von Schafen, Rindern und Ziegen an uns vorbei. Auch ohne Worte verstanden wir uns gut. Sie konnten es kaum fassen, dass wir fließendes Wasser im Auto haben. Wir schenkten ihnen eine 3-Liter-Flasche russisches Bier (das wirklich gut schmeckt!) und hatten zwei Freunde mehr.

Ein wunderbarer Sonnenuntergang verabschiedete den Tag und absolute Ruhe senkte sich über die bergige Landschaft. Der Halbmond leuchtete und wir schliefen tief und fest.




24. Juni 2015

Die Sonne warf uns beizeiten aus den Federn. Wir bewunderten Unmengen von gelben Lilien (???), die auf dem Hang neben uns blühten. Auch eine rote Lilie hatte sich hierher verirrt.



Nach dem Frühstück tuckerte ein Auto mit deutschem Kennzeichen heran. Judith und Lutz, Geschwister aus der Nähe von Böblingen, die ebenfalls das Kloster besuchen wollten. Natürlich gab es erst mal eine Menge zu erzählen und Infos auszutauschen. Schließlich war es schon fast Mittag, als wir endlich aufbrachen. Für die verbleibenden 20 km Piste bis zum Kloster benötigten wir dann doch fast eine Stunde. Vor dem Kloster trafen wir dann wieder die beiden Böblinger.

Piste zum Kloster

Spuren zur Auswahl gibt es genügend

Das lamaistische Kloster bestand zu seiner Blütezeit aus rund 50 Tempeln und rund 9000 Menschen lebten im und um das Kloster. 1937 zerstörten die Kommunisten fast alle Tempel und ermordeten die meisten Mönche. Seit 1974 wurden die Reste wieder aufgebaut und restauriert, vor allem mit Hilfe der UNESCO. Trotzdem machte das Kloster insgesamt einen etwas verwahrlosten Eindruck und hält keinem Vergleich mit buddhistischen Anlagen stand. Wir ließen es uns nicht nehmen, trotz der herrschenden Hitze die Stufen zu zwei buddha-ähnlichen Statuen hinaufzusteigen, einmal 355 Stufen, einmal ein paar weniger. Eine schweißtreibende Angelegenheit, die uns aber ganz gut tat nach so vielen Autokilometern. Die nächste Nacht verbrachten wir auf dem gleichen Stellplatz wie die vorherige. Diesmal blieben wir bis nach Mitternacht auf. Dann nämlich tauchte der Mond hinter den Bergen ab und der Sternenhimmel erglänzte in voller Pracht. Es nimmt einem fast den Atem, so unendlich viele Sterne leuchten und flimmern im tiefen Schwarz des Himmels. Das helle Band der Milchstraße kann bei uns zu Hause wohl kaum so deutlich wahrnehmen. Das lange Wachbleiben hatte sich mehr als gelohnt...

die gesamte Klosteranlage





sternenklare Nacht

25. Juni 2015

Unsere Route führte uns zurück auf die Teerstraße, auf der wir durch Erdenet bis nach Bulgan fuhren. Es ging auf und ab, blaue Berge und gelbe Steppe zogen an uns vorüber. Und überall in großen Abständen standen die weißen Jurten der Mongolen. die hier intensiv Viehzucht betreiben. Riesige Herden von Rindern, Schafen, Ziegen und Pferden ziehen über die unendlich großen Weiden.

Erdenet - neu

Erdenet - alt

Ab Bulgan durfte unser Gecko wieder seine Geländegängigkeit auf den Sandpisten beweisen. Das Navi wies uns den Weg. Bis plötzlich in einem kleinen Bergbauort eine große Abraumhalde, die eben frisch begrünt und bewässert wurde, den Weg versperrte. Ein kleines Schild wies zwar die Richtung nach Ulanbataar, doch das konnte kaum stimmen. Ein Einheimischer meinte, das wäre schon richtig. Wir hielten ein entgegenkommendes Auto an. Die Beiden machten uns klar, das sie nach UB wollten und wir ihnen folgen sollten. Also wendeten wir und fuhren zurück in den Ort. Dort fragten wir sicherheitshalber einen Polizisten, der uns wieder in die zuerst gewählte Richtung wies. Doch wir folgten den Beiden in ihrem relativ neuen Toyota Landcruiser.

Wahrscheinlich dachten sie, sie müssten die Rallye Dakar gewinnen und bretterten wie die Irrsinnigen über die Holperpiste. Gut befahrbare Abschnitte wechselten sich mit Tiefsand, tiefen Einschnitten und Wellblech ab.  Und das alles bei Tempo 70! Ich mag es ja schon schnell, aber wir wollten ja noch bis nach Hause fahren mit unserem Gecko. Nach rund 70 km hatte die Hatz ein Ende und wir trafen auf die Asphaltstraße, die uns nach UB bringen sollte. Aber nicht mehr heute! Ich war echt geschafft. Im Auto herrschten Temperaturen um die 40 Grad. Nach einigen Kilometern verließen wir die Straße, fuhren einen Kilometer in die Steppe und schlugen dort ungestört unser Lager auf.

Fix und fertig genossen wir, wie die Sonne hinter den Bergen verglühte.

26. Juni 2015

Nur noch 160 km bis Ulanbataar, der mongolischen Hauptstadt. Die gesamte Strecke führt fast nur schnurgeradeaus. Es war sehr diesig, so dass die Berge hinter dem Dunst kaum zu erkennen waren.

UB selbst ist keine Stadt, wo man lange bleiben will. Große Fabriken im Westen der Stadt verpesten die Luft, der starke Wind wirbelt riesige Staubwolken über die gesamte Stadt, chaotischer Verkehr mit permanentem Hupkonzert, das einem beizeiten die Nerven raubt. Das macht nicht wirklich Spaß. Nach längerem Suchen fanden wir endlich das Oasis Guesthouse, DER Treffpunkt aller Traveller. Hier wollen wir höchstens zwei Tage bleiben. Obwohl es ganz nett hier ist, der Schwefel- und Benzingestank wird uns bald vertreiben.

Dienstag, 23. Juni 2015

Sommer, Sonne, Freunde am Baikal

22. Juni 2015

Gut eine Woche verbrachten wir an diesem wunderschönen Sandstrand an der Ostküste des Baikal. Das Wetter konnte gar nicht besser sein. Kaum ein Wölkchen zeigte sich mal am blauen Himmel.

Die Tage vergingen mit kleinen Strandwanderungen, Gesprächen mit Einheimischen, dem täglichen Holzsammeln, Sägen und Hacken, Wäsche waschen, Auto abschmieren, lesen und auch einfach mal nur faulenzen.
Wäsche waschen
Strandwanderung
Abendstimmung
Nach ein paar Tagen stießen Zarah und Matthias, ein nettes, junges Pärchen aus Belgien, das wir schon in Riga getroffen hatten, zu uns. Sie fahren fast die gleiche Route wie wir, lassen sich dafür aber ein ganzes Jahr Zeit. Zwei "Luxe auf Fernreise" (jeder fährt einen Toyota Hilux, deswegen der Name, http://zwei-luxe-auf-fernreise.myblog.de/), nämlich Stefan und Hanjo, kamen auch noch hinzu, so dass wir schließlich zu siebent am abendlichen Lagerfeuer saßen. Der Gesprächsstoff ging natürlich nie aus. Jeder hatte Spannendes und Interessantes zu erzählen. Die Luxe sind auch auf einer ähnlichen Route unterwegs wie wir, jedoch in der entgegengesetzten Richtung wie wir. Sie waren also schon da, wo wir noch hin wollen und konnten uns deshalb so manchen wertvollen Tipp geben.

Heute Vormittag trennten wir uns dann alle. Micha und die beiden Belgier fuhren nur wenige Kilometer weiter zu den heißen Quellen in der Nähe unseres bisherigen Stellplatzes. Die Luxe brachen nach Irkutsk auf, und wir in Richtung Mongolei.

Der heutige 100. Kilometer war zugleich der 10000. unserer Reise. Damit dürfte schon gut ein Drittel der Gesamtdistanz hinter uns liegen. Wenig später erreichten wir Ulan Ude. Dies war der östlichste Punkt unserer Route. Von nun an geht es sozusagen wieder zurück in Richtung Heimat. Zunächst fuhren wir jedoch nach Süden. Fast schlagartig änderte sich sowohl die Temperatur als auch die Landschaft. Am Baikal war es in der Sonne immer wunderbar warm, sicher ca. 22 oder 23 Grad. Abends blies jedoch fast jeden Tag der kalte Nordostwind. In Ulan Ude zeigte das Thermometer schon 29 Grad an, dabei befanden wir uns gerade mal 200 km weiter im Süden. Und die Landschaft wirkte manchmal schon fast wie in Afrika. Steppe und Baumsavannen wechselten sich ab, wobei dies hier sicher nicht Savanne heißt. Mitunter schränkte über die Straße gewehter Staub die Sicht stark ein. In einem gottverlassenen Nest füllten wir unseren Wassertank aus einem dieser hölzernen Wassertürme auf. Längere Zeit folgten wir dem Lauf der Selenga, die hier in einem sehr weiten Tal fließt.

Wasser holen
hier holen sich auch die Einheimischen ihr Wasser
im Tal der Selenga
Die Stellplatzsuche erwies sich wieder mal als nicht ganz so einfach. Jetzt stehen wir in einem Kiefernwald unweit der A165. Von der Straße aus sind wir unsichtbar, jedoch haben uns die Mücken schon längst entdeckt und fressen uns fast auf.

Morgen liegen noch rund 20 km bis zur mongolischen Grenze vor uns. Die Luxe haben dort vor wenigen Tagen in der Gegenrichtung über acht Stunden zugebracht. Wir hoffen, dass es bei uns schneller geht. Zuvor werde ich versuchen, diesen Beitrag in den Blog hochzuladen. Hier haben wir im Moment fast kein Netz.

In der Mongolei werden wir uns eine neue SIM-Karte besorgen. Nach den Infos, die ich bis jetzt habe, ist es in der Mongolei nicht mehr so preiswert wie in Russland. Vermutlich werde ich dann nicht mehr so viele Bilder oder nur noch in kleinerem Format hochladen können. Die Möglichkeiten, überhaupt ins Internet zu kommen, werden auch seltener sein. Macht Euch also bitte keine Sorgen, wenn es ein paar Tage länger dauert, bis ich einen neuen Bericht posten kann.

Zum Schluss noch eine positive Nachricht. Die nun installierte russische Bleibatterie, die die beiden defekten AMG-Bordbatterien ersetzt, funktioniert bisher tadellos. Wir hoffen, dass dies auch mindestens bis zum Ende unserer Reise so bleibt. Die Werkstatt, die alles installiert hatte, bleibt weiterhin unerreichbar und meldet sich auch nicht.


Und ganz zum Schluss kommt hier noch ein Link. Die Oberhessische Zeitung berichtete am vergangenen Sonnabend (20.6.2015) auf einer ganzen Seite über unsere Reise. D.h., den Artikel habe ich natürlich selbst geschrieben. Hier könnt Ihr alles nachlesen:


gelber Mohn


sie laufen frei herum und besuchten uns fast täglich



Fischer bei der Arbeit

Sonntag, 14. Juni 2015

Sonne, Strand und das "heilige Meer"

9. Juni 2015

Am Nachmittag verließen wir Listwjanka, aber nicht ohne uns vorher noch mal diesen einmalig gut schmeckenden Omul einzuverleiben. Diese Fische gehören zur Gattung der Lachsfische und leben ausschließlich im Baikal.


geräucherter Omul

Ungefähr 20 km vor Irkutsk bogen wir ab in Richtung Angara, einem der großen Ströme Sibiriens. Den Baikal speisen 336 Flüsse und unzählige Bäche, er hat jedoch nur einen einzigen Abfluss, nämlich die Angara. Mit 1642 m ist er der tiefste und mit 25 Millionen Jahren der älteste Süßwassersee der Erde. Er speichert ein Fünftel des gesamten flüssigen Trinkwassers der Erde. 
hier beginnt die Angara

Wir erreichten eine typische Datschensiedlung. Hier verbrachte Micha schon drei Tage bei seinen Bekannten, die nun auch uns mit eingeladen hatten. Wir waren schon gespannt, wer und was uns erwarten würde.

Unglaublich, mit welcher Herzlichkeit wir von Alexej und Zoja empfangen wurden. Der Funke sprang sofort über, und wir glauben, die Sympathie beruhte auf Gegenseitigkeit. Beide Mittsiebziger bewirtschaften in den Sommermonaten einen großen Garten hinter ihrer schmucken Datscha. Die Erdbeeren blühen, ebenso unzählige Blumen einschließlich Pfingstrosen, am Birnenbaum hängen schon winzige Früchte, Radieschen, Weißkraut, Blumenkohl, Kartoffeln sprießen, im großen Foliegewächshaus gedeihen Tomaten- und Gurkenpflanzen. Hier werden die Gärten wirklich intensiv genutzt. Unfassbar, dass dies alles die beiden zierlichen Alten bewerkstelligen. Und bei aller Mühe haben sie sich ihren Humor bewahrt. Besonders Alexejs verschmitztes Lächeln, bei dem er seinen letzten verbliebenen Zahn zeigt, hat es uns angetan. Ihm blitzt förmlich der Schalk aus den Augen.

Alexejs Schwester Galina, die mit ihrem Mann eine Datscha mit großem Grundstück auf der anderen Straßenseite und direkt am Ufer der Angara besitzt, kam später mit ihrem Mann Sascha auch noch dazu. Das erleichterte die Unterhaltung wesentlich, denn sie arbeitete früher als Deutschlehrerin. Auch diese Beiden zeigten sich als wunderbar nette und freundliche Menschen.

Die Banja, die russische Form der Sauna, war für uns schon ordentlich angeheizt. Was war das für eine Wohltat! Wir schwitzten wie die Weltmeister. Micha, der die Prozedur schon kannte, brachte uns bei, wie man sich gegenseitig mit im Mai geschnittenen, dann getrockneten und nun wieder in Wasser eingeweichten Birkenzweigen "verhaut". Das ist besser als jeder Aufguss in der Sauna. Es duftet nach dem Birkenlaub, keinerlei Chemie spielt eine Rolle, es tut nicht wirklich weh, aber es bringt den Kreislauf ordentlich in Schwung. Kein Wunder, dass die alten Menschen hier so fit sind. Sie nutzen die Banja jeden zweiten oder dritten Tag. Wir fühlten uns wie neu geboren. Herrlich...

Danach wurde aufgetafelt. Borschtsch (ein russischer, sehr gehaltvoller und schmackhafter Eintopf), Brot, weißer, gesalzener Speck, Tee und natürlich der unvermeidlichen Wodka, alles mundete bestens. Und dann luden sie uns auch noch ein, bei ihnen im Haus zu schlafen. Beide strahlten vor Freude, als wir ihr Angebot annahmen. Im geräumig ausgebauten und gemütlichen Dachboden warteten zwei Betten auf uns. Endlich mal wieder in einem richtigen Bett schlafen. Was für eine Aussicht! Doch zuvor bestaunten wir noch zwei der Wunderwerke, die Alexej mit seinen geschickten Händen erschafft. Er bastelt aus weißem PVC-Material Modelle historischer Gebäude. Monatelang arbeitet er an solch einem Modell. Mit unglaublicher Präzision schneidet er die Teile aus und fügt sie mit Sekundenkleber zu diesen kleinen Kunstwerken zusammen. Sogar auf großen Ausstellungen in Moskau wurden sie schon gezeigt, berichtete er stolz.

Als wir dann jeder in seinem Bett lagen, Micha schlief in seinem Auto, war das für mich wie ein Zeitsprung zurück in die Kindheit. Wie damals lag ich auf einem einfachen Holzbett unter einer holzverkleideten Dachschräge, der gleiche Geruch umgab mich, die gleichen leisen Geräusche, die ein Holzhaus macht. Und dann zog, sozusagen als Punkt aufs i, der Rauch von Alexejs Gute-Nacht-Zigarettchen zu uns herauf, so, als säße mein Opa da unten...

10. Juni 2015

Was für eine Nacht! Wir schliefen wie in Abrahams Schoß. Natürlich wurde auch zum Frühstück wieder mächtig aufgetafelt. Wir konnten niemals alles aufessen, obwohl Zoja uns immer wieder aufforderte und es so gut schmeckte.

Zum Abschied schenkten sie uns frischen Lauch und Kräuter aus dem Garten. Auch Galina und Sascha beschenkten uns noch reichlich mit eingekochten Himbeeren, Sekt und Schokolade. Und das alles machten sie für wildfremde Menschen! Eben russische Gatfreundschaft! Es war ein rührender Abschied. Das Bewegendste für mich als Nicht-Christ war, dass sowohl Alexej als auch Sascha uns verabschiedeten, indem sie für uns das Kreuz schlugen. Wir empfanden das als große Ehre.


Zoja und Alexej zusammen mit Jutta

Alexej und ich, wir verstanden uns prächtig

der riesige Garten unserer beiden Gastgeber

in Galinas (links) und Saschas (kniend) Garten

Wir überquerten dann in Irkutsk die Angara, um dann östlich von Baikalsk dei den Warmen Seen (Tjeploje Osera) einen Stellplatz zu suchen. Dort befindet sich allerdings eine Art Campingplatz, wo man uns für eine Nacht für zwei Autos und drei Personen 1500 Rubel abknöpfen wollte. Entschieden zu teuer. Nach kurzer Suche fanden wir einen schönen Stellplatz direkt an einem schnell dahinfließenden Fluss.

Feuerholz lag genug herum, so dass schnell ein Feuer brannte und die Schaschlikspieße darüber hingen. Der selbst gebrutzelte Schaschlik schmeckt eben doch am besten.


an der Südspitze des Baikal


wie soll man da abnehmen



11.Juni 2015

Nach den gestrigen 99 Kilometern fuhren wir heute auch nur 160 km. Wir wollten direkt am Ufer des Baikal einen Stellplatz finden, doch die parallel zur Straße verlaufenden Schienen der Transsib versperrten uns den Weg. In Babuschkin, einer kleinen unschönen Stadt konnten wir dann unter einer Brücke hindurch zum Seeufer fahren. Heftiger Sturm ließ uns hinter alten, verrosten Waggons Schutz suchen. Ganz in der Nähe befand sich ein Bahnhof. Es war kein wirklich schöner Platz, doch wir wollten nicht noch weiter suchen. Immerhin wurden wir nach diesem stürmischen, grauen Tag mit einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt.


Windschutz hinter verrosteten Waggons


neugierige Hunde


12.Juni 2015

Eine schreckliche Nacht! Ein Güterzug nach dem anderen rumpelte durch den Bahnhof, begleitet von irgendwelchen Lautsprecheransagen. Es fühlte und hörte sich an, als lägen wir mitten zwischen den Gleisen.

Und dann der Schreck in der Morgenstunde: Auch die zweite Bordbatterie hatte ihren Geist aufgegeben. Nur noch 7 Volt! Verdammt noch mal, das durfte nicht passieren! Das Schlimme daran ist, dass wir die Ursache für das Batteriensterben nicht erkennen können.

Wir mussten unbedingt eine Lösung finden, denn ohne Bordbatterien sind wir fast aufgeschmissen. Akkus für Handy, Laptop, Kamera usw. könnten nur noch während der Fahrt geladen werden, die Wasserpumpe im "Wohnbereich" liefe nicht mehr, kein Licht...

Doch im Moment plagte uns noch ein ganz anderes Problem. Fliegen! Wir kannten sie schon von Olchon und hatten sie am Vorabend auch hier schon gesehen. Doch was andiesem Morgen einsetzte, hatten wir noch nicht erlebt. Das Auto war über und über von Fliegen bedeckt. Diese Biester tun einem ja nichts, aber man kann kaum Luft holen. Überall fliegen und krabbeln sie herum. Sie machen einen regelrecht wahnsinnig. In fliegender Hast packten wir alles zusammen und flohen von diesem fliegenverseuchten Ort.


Fliegen ohne Ende

In einem kleinen Ort kaufte ich in einem wirklich gut sortierten Geschäft eine stinknormale Bleibatterie mit 77 AH. Zwei Verkäufer bemühten sich gleich. Alles super.

Danach Weiterfahrt über die Selenga, dem größten Zufluss des Baikal, bis zu einem wunderschönen Sandstrand. Über Kilometer hinweg findet man hier im Wald Sitzbänke und Toilettenhäuschen. Einige Russen campten hier schon. Für uns war der Platz ideal, da die Autos trotz der Bäume noch genügend Sonne abbekamen, um die Solarpanels zu bescheinen. Wir beschlossen, ein paar Tage Ruhepause hier am "heiligen Meer", wie die hier ansässigen Burjaten den Baikal nennen, einzulegen.


die Selenga, größter Baikalzufluss

herrlicher Sandstrand am Ostufer

Nachdem die defekte Batterie im Motorraum ausgebaut und durch die neue ersetzt war, kam die große Erleichterung, als alle Messwerte völlig korrekt aussahen. Die neue Batterie wird nun ausschließlich mit Solarstrom geladen. Der Fehler liegt vermutlich beim Trennrelais oder sonstwo (???)... Trotz vieler Tipps, die ich im Buschtaxiforum bekam, wollen wir jetzt keine Experimente eingehen. So, wie die Batterie jetzt installiert ist, sollten wir die restlichen 20.000 km überstehen. Dass die Werkstatt, die damals alles eingebaut hat, absolut nicht mehr erreichbar ist, halten wir, gelinde gesagt, für unmöglich. Da wir aber die Gründe dafür nicht kennen, wollen wir hier kein abschließendes Urteil abgeben.

Am Abend saßen wir am Feuer, als zwei junge Russen mit ihrem Auto angefahren kamen und sich sofort zu uns gesellten. Wodka brachten sie reichlich mit. Nach wenigen Minuten schenkten sie uns vier kleine Omule (ihr wisst, diese speziellen Fische des Baikal). Es wurde ein bisschen gescherzt und geblödelt. Einer der beiden arbeitet als Arzt auf einem Rettungswagen und hat Frau und einen winzig kleinen Sohn. Doch je mehr der Bursche trank, umso ungemütlicher wurde er. Sein Freund blieb ruhig und mahnte immer, sie wollten doch nach Hause fahren. Doch der Arzt war kaum noch zu halten. Er hatte sich dann speziell auf Micha eingeschossen, beschimpfte ihn als "deutschen Hund" und ging dann nahtlos über zu "Buchenwald" und "Hitler". Es hatte keinen Sinn zu streiten. Die Kerle waren einfach zu besoffen. Zum Glück ging alles ohne Handgreiflichkeiten zu Ende. Nachdem die Beiden endlich verschwunden waren (natürlich mit dem Auto, das erklärt vielleicht auch einen Teil der vielen Gedenksteine neben Russlands Landstrassen), kam eine junge Russin aus Irkutsk, mit der wir uns am Tage schon nett unterhalten hatten, zu uns und entschuldigte sich für ihre Landsleute. So eine Begegnung ist unangenehm, aber es wäre sicher idiotisch anzunehmen, dass wir überall nur auf Leute treffen, die unsere Freunde sein wollen. Wir lassen uns aber dadurch natürlich nicht die Laune verderben. 

13. Juni 2015

Jutta überraschte mich mit einem schönen Geburtstagsfrühstück. Später wanderten wir einige Kilometer am Strand in Richtung Norden. Das Wasser hier ist durch den Sand etwas getrübt, doch das ist wohl an allen Sandstränden der Welt so. Wir schauten Fischern bei ihrer Arbeit zu. Fotografieren lassen wollten sie sich nicht, gegen ein Foto der Fische hatten sie aber nichts. Wir nehmen an, dass viele hier illegal fischen.


frisch gefangene Omule

Am Nachmittag lud uns eine russische Großfamilie zum Essen und Trinken ein. Sie waren mit Mann und Maus hierher gekommen, um das Wochenende zu genießen. Sie grillten Fische und tranken Wodka und teilten alles mit uns. Eier, Wurst, Käse, in der Glut gebackene Kartoffeln, rohen und gegrillten Fisch, Tee mit viel Milch und zwischendurch natürlich immer wieder Wodka. Es war ein wüstes Gelage. Es wurde gelacht und gescherzt, und wir mittendrin. Sie hatten eine Engelsgeduld mit uns, weil wir das Meiste doch nicht verstanden. Manchmal habe ich aber doch einen lichten Moment und ein paar alte Russischvokabeln tauchten wieder auf, was dann bei unseren Gastgebern Begeisterung hervorrief. Sascha, das Familienoberhaupt, brachte dann einen Trinkspruch aus, den ich recht gut verstand und der uns sehr gut gefiel. "Lasst uns trinken auf den Frieden und dass wir uns alle miteinander gut verstehen. Na sdarowje!" Zu guter Letzt schenkten sie uns noch vier gegrillte Omule und verabschiedeten sich wie von alten Freunden. Ich wiederhole mich jetzt bewusst: So etwas kann man kaum beschreiben, man muss es einfach selbst erleben.


essen und trinken mit Saschas (links) Großfamilie

Wir wollten am Abend wieder Schaschlik grillen, also mussten wir Holz herbeischaffen, sägen und hacken. Da dies eine schweißtreibende Tätigkeit ist, kühlt man sich danach am besten in den Fluten des Baikal ab. Der Schaschlik gelang uns wieder hervorragend. Und so ging wieder mal einer meiner Geburtstage auf angenehme und schöne Art zu Ende, diesmal wie schon so oft, fern von zu Hause.

Auch an dieser Stelle möchte ich mich für alle Glückwünsche, die mich auf unterschiedlichste Art und Weise erreichten, von ganzem Herzen bedanken. Das zeigt mir bzw. uns, dass Ihr an uns denkt, auch wenn wir im Moment´so weit entfernt von Euch sind. Ein schönes Gefühl! Danke!


Geburtstagsbeschäftigung

Geburtstagsfeuer - das in der Mitte des Tischs ist übrigens eine 3-l-Bierflasche

Geburtstags-Sonnenuntergang

14. Juni 2015

Wieder ein herrlicher Sonnentag. Vormittags ist die Luft meist noch kalt, erwärmt sich dann im Laufe des Tages doch recht schnell. Endlich ist auch mal Zeit und Gelegenheit, den Blog zu aktualisieren. Doch wie so oft, kommt es anders...

Ich hatte gerade ein paar Zeilen geschrieben, als zwei junge hübsche Mädchen uns einen großen Fisch brachten, den ihre Männer gefangen hatten. Der Bursche lebte noch! Er sah fast aus wie ein Karpfen. Inzwischen weiß ich, dass es ein Sasan war und tatsächlich eine Art Karpfen ist. Was macht man denn nun mit so einem Tier, wenn man sonst so etwas filetiert im Laden kauft? Es half alles nichts. Er ahnte wohl schon sein Schicksal, denn er versuchte, vom Tisch zu springen. Was ich noch nie gemacht hatte, musste jetzt sein. In irgendeinem Survivalfilm hatte ich mal gesehen, wie man einen so großen Fisch tötet. Offensichtlich hatte ich es dann wohl richtig gemacht, denn es ging ganz schnell. Er tat mir Leid, aber irgendwie musste ich es ja tun. Sie erklärten uns noch, dass die Schuppen entfernt werden müssten und dass wir ihn dann über dem Feuer braten sollten.


der Sasan

Na gut, also wieder Holz ranschleppen. Zu zweit zerrten wir einen halben Birkenstamm mittels eines Bergegurtes gute 150 Meter durch den Wald. Das Sägen und Hacken nahm uns natürlich auch niemand ab. Ja, und dann kamen die nächsten Camp-Nachbarn und überreichen uns strahlend, na was wohl? Richtig, einen Topf mit sechs oder acht kleineren Fischen mit roten Flossen. Ist denn heute hier Fisch-Geschenk-Tag? Ablehnen kann man das natürlich nicht. Nun hatten wir die Gegrillten Omule von gestern, den Sasan und nun noch einmal diese kleinen Fische.. Ob Ihr es glaubt oder nicht, wir haben alles geschafft! Wir ließen uns zeigen, wie man die kleinen Fische zubereitet. Einfach auf einen Schaschlikspieß spießen und übers Feuer halten. Nicht ausnehmen, nicht schuppen, nur ein bisschen Salz. Und sie schmeckten gut, hatten allerdings eine Menge Gräten. Dann kam der ausgenommene und abgeschuppte Sasan übers Feuer. Um zwischendurch nicht zu verhungern, verspachtelten wir die Omule. Endlich glänzte der Fisch goldbraun und war gar. Ein Gedicht! Karpfen mögen wir ja nun gar nicht. Aber das hier war ein echter Genuss. Butterzartes, weißes, saftiges Fleisch zerging förmlich auf der Zunge. Ein völlig anderer Geschmack als der Omul, aber genauso vorzüglich.








Wir bedankten uns dann mit kleinen Mitbringseln bei den Sasan-Spendern und hatten noch eine angenehme Unterhaltung in einem Gemisch aus Englisch und Russisch. Interessant dabei: einer der jungen Männer wuchs in Leipzig auf. Sein Vater war als Soldat dort stationiert und er hat nur die besten Erinnerungen an diese Zeit.

Ja, und weil wir nun fast den ganzen Tag mit dem Zubereiten von Fischen einschließlich Holzverarbeitung, dem Genießen der Fische und mit diversen Unterhaltungen zugebracht haben, sitze ich nun halb in der Nacht hier und tippe für den Blog. Natürlich bei allerbester Internetverbindung! 

Bleibt schön neugierig bis zum nächsten Bericht.


auch so kann man campen