18.
August 2015
Die
Nacht verlief unerwartet ruhig. Sie war allerdings auch sehr kurz,
denn schon gegen 6 Uhr lud ein Kipper eine ganze Ladung Erde direkt
neben unserem Auto ab. Das war sozusagen unser Wecksignal. Nun, wir
wollten sowieso zeitig aufstehen, um wenigstens etwas der Hitze zu
entgehen.
Wir
fuhren hinunter in die Stadt, probierten wieder mal einige
Geldautomaten aus, wobei wieder kein einziger funktionierte,
tauschten letztlich wieder Bargeld um und setzten dieses sofort in
Diesel um. Danach hatten wir insgesamt 250 Liter Diesel gebunkert. In
Usbekistan wird es sehr schwer werden, Diesel zu bekommen. Irgendwo
müssen wir aber noch mal nachtanken, denn wir werden es mit unserem
Dieselvorrat nicht bis Kasachstan schaffen.
Nachdem
ich den Blog aktualisiert hatte, nahmen wir endlich die letzten 50
Kilometer auf tadschikischem Boden unter die Räder. Ziemlich genau
12 Uhr erreichten wir die Grenze zu Usbekistan. Wir waren sehr
gespannt, was uns nun erwartete. Wir hatten bisher viel Negatives
gehört und hofften, dass uns solches erspart bleibt. Doch wir
sollten uns getäuscht haben.
Zunächst
passierte erst mal gar nichts. Zwei usbekische Frauen, die ebenfalls
über die Grenze wollten, erklärten uns, dass jetzt Mittagspause sei
und wir eben warten müssten. Sie brachten uns gleich eine Holzbank
an, damit wir uns im Schatten setzen konnten. Sehen wir denn wirklich
schon so gebrechlich aus? Ich denke nicht, sie wollten einfach nur
nett zu uns sein.
Lange
warten mussten wir nicht mehr. Im Handumdrehen bekamen wir unsere
Ausreisestempel. Auch der Zollbeamte wollte nur mal kurz ins Auto
schauen, dann wurden wir freundlich verabschiedet. Auf Wiedersehen
Tadschikistan! Uns hat es ausgesprochen gut gefallen!
Nur
wenige hundert Meter weiter versperrte uns der usbekische Schlagbaum
mit einem jungen Soldaten dahinter die Weiterfahrt. Mit der
Kalaschnikow vor der Brust „unterhielt“ er sich ein Weilchen mit
uns, prüfte gewissenhaft die Pässe und Visa, und wir durften
passieren.
Nun zum
berühmt-berüchtigten Zoll. Zunächst durften wir die
Zollerklärungen ausfüllen, die allerdings nur in kyrillischer
Schrift vorlagen. Immerhin hing ein englisches Muster aus, das uns
als Vorlage diente. Der Schweiß lief in Strömen. Es müssen mehr
als 40 Grad in dem Raum gewesen sein. Es dauerte eine ganze Weile,
bis wir die heilige Halle des Zolls, übrigens gut klimatisiert,
betreten durften. Doch zu früh gefreut. Wir mussten sofort wieder
umkehren und jeweils ein zweites Exemplar der Zollerklärungen
ausfüllen. Hätte man das nicht vorher bekanntgeben können?
Also
noch mal schwitzen und dann wieder zurück in die kühle Halle. Eine
Zollbeamtin wünschte, dass wir sämtliches Gepäck in die Halle
tragen sollten. Ich erklärte ihr, dass das unmöglich sei, da wir ja
nicht mit Koffern oder Rucksäcken unterwegs seien. Das sah sie sogar
ein und meinte, ich müsste dann aber damit einverstanden sein, dass
das Auto kontrolliert würde. Okay, erste Hürde genommen. Doch die
nächste folgte sogleich.
Alle
wertvollen technischen Geräte sollten auf der Zollerklärung
angegeben, was wir auch treu und brav getan hatten. Die Folge: ich
durfte zum Auto traben und sämtliche Geräte zum Zoll
hineinschaffen. Die Zöllnerin beschäftigte sich mit Jutta und
beiden Kameras, was relativ schnell erledigt war. Klar, die eine
Speicherkarte war leer, und die zweite enthielt auch nur wenige
Fotos. Das wunderte zwar die Beamtin, veranlasste sie aber nicht zu
weiteren Fragen. Ein Glück, dass ich die beiden Festplatten, auf
denen ich die Fotos regelmäßig speichere, nicht angeben hatte.
Damit war Jutta „entlassen“ und musste die Halle verlassen.
Das
Drama nahm seinen Lauf. Jutta musste in einem großen Raum mit großen
Fenstern auf mich warten. Die Sonne heizte diesen Raum auf wie ein
Gewächshaus. Einen Stuhl oder andere Sitzgelegenheit gab es nicht,
auch keine Toilette. Eben einfach nichts außer großer Hitze.
Ich
hingegen durfte erneut abtreten und meine Zollerklärung noch mal neu
ausfüllen, weil ich lt. aushängendem Muster an zwei Stellen „NO“
eingetragen hatte. Dort sollte aber das Kennzeichen des Autos und das
Fabrikat eingetragen werden. Einfach „NO“ durchstreichen und die
geforderten Angaben hinschreiben war unzulässig. Also wieder
schwitzen und schreiben.
Als ich
zurück kam, hatte sich „mein“ Zöllner mein Tablet geschnappt
und spielte erst mal mit der Landkarte der Navi-App herum. Wie ein
kleiner Junge freute er sich, dass er den Kartenausschnitt vergrößern
oder verkleinern oder vielleicht sogar nach seinem Wohnort suchen
konnte. Als das langweilig wurde, nahm er sich zuerst die Galerie
vor. Sämtliche Bilder schaute er sich an, wollte wissen, wo dies und
jenes war und wer auf den Fotos zu sehen ist. Weiter ging es mit
sämtlichen Apps, die irgendwie Videos anzeigen können. Ein
Beispielvideo, das von Anfang auf dem Tablet gespeichert war, hatte
es ihm besonders angetan. Es lief sicher vier- oder fünfmal ab.
Mit dem
Garmin-Navi konnte er hingegen überhaupt nichts anfangen und legte
es sofort beiseite. Nun war mein Handy an der Reihe. Auch hier begann
das gleiche Spiel. Sämtliche Fotos sah er sich an, und das sind z.
Zt. Über 1200. Doch damit nicht genug. Auch alles, was von Whatsapp
gespeichert war, schaute er sich intensiv an. Dann war die
Videoabteilung an der Reihe. Und ich stehe die ganze Zeit dabei wie
ein Depp. Aber was soll ich machen. Der Kerl sitzt eindeutig am
längeren Hebel. Mehr als eine halbe Stunde war schon vergangen.
Ihr ahnt
es sicher schon, was nun kommt. Genau, der Laptop war an der Reihe.
Jetzt hatte ich mal meinen kleinen Spaß, denn das Ding braucht ewig,
bis das System hochgefahren ist. Der Zöllner wurde schon unruhig,
als sich ein zweiter dazu gesellte. Jetzt fing der auch noch mit dem
Tablet an. Ich dachte, ich spinne. Was suchen die denn nur??? Dann
diskutierten beide über das Tablet und mein Handy. Plötzlich rief
ein Dritter, ich müsste zum Auto kommen. Was denn nun, zerteilen
kann ich mich nicht. Bei der einsetzenden Verwirrung vergaßen die
Beiden offensichtlich den Laptop völlig.
Ich
packte den ganzen Technikkram ins Auto, in dem ich kaum noch etwas
anfassen konnte, denn es stand ja die ganze Zeit in der glühenden
Sonne. Immerhin durfte ich jetzt unter das Schattendach vorfahren.
Jutta rief mich und wollte mir die Reiseführer geben, die auch
intensiv überprüft worden waren. Sofort setzte großes Geschrei
ein. Sie durfte sie mir nicht geben.
Nun war
das Auto an der Reihe. Erst war es nur ein Zöllner, am Ende dann
drei. Diesen und jenen Schrank musste ich öffnen. Dann wollte er
Medikamente sehen. Ich zeigte ihm den Verbandskasten. Der war
offensichtlich sehr interessant. Da aber alles verschweißt war, gab
er sich zufrieden. Nun Stuhl auspacken. Probesitzen musste natürlich
sein. Er war begeistert von dem bequemen Stuhl. Inzwischen „kümmerte“
ein Zweiter sich um meinen Fotorucksack und wühlte darin herum. Er
nahm das große Teleobjektiv heraus und sah hindurch und fragte, ob
es ein Fernrohr wäre.Oh mein Gott...Der Dritte wühlte nun im
Handschuhfach herum, fand aber nichts Interessantes. Nun begann auch
noch eine Fragestunde. Ich sollte deutsche Städte aufzählen. Erst
dachte ich, der interessiert sich für Deutschland. Ich nannte ihm
drei, vier Städte. Er wollte mehr und dann noch mehr. Was ist das
nur für ein Kaspertheater hier, dachte ich. Schließlich war die
Dachbox an der Reihe. Leider war der Bursche zu klein, um
hineinschauen zu können. Er wollte eine Leiter haben, doch mit
diesem Luxus kann ich leider nicht dienen. Und zwei Leute auf dem
Autodach sind unzulässig, machte ich ihm klar, was er auch einsah.
Nun
durfte ich das Chaos beseitigen und alles wieder einräumen. Ein
neuer Mann betrat die Szene. In gutem Englisch erklärte er mir, dass
ich mit allen Papieren zu ihm kommen solle, wenn ich fertig wäre mit
Einräumen. Das tat ich dann, aber nur um einem Ringkampf zweier
weiterer Soldaten zusehen zu dürfen, den sie in ihrer Bude
austrugen. Der Chef meinte dann, es wäre nur Spaß, nichts Ernstes.
Von mir aus können sie sich prügeln, so oft und so lange sie
wollen, wenn es nur endlich weiterginge. Doch es tat sich einfach
nichts. Ich fragte, was denn nun noch das Problem wäre. Fünf
Minuten sollte ich noch warten. Klar, nach der Rauferei mussten die
Kerle erst mal ganz in Ruhe eine Zigarette rauchen.
Endlich
erklärte man mir, dass die Videokamera, mit der die Autokennzeichen
gefilmt werden, defekt sei. Ich müsste also mit einem Beamten schon
mal schnell rüber nach Usbekistan fahren, dann dort umdrehen und von
da die Grenzanlagen passieren, denn dort funktioniert die Kamera. Als
auch das erledigt war, ging die Warterei immer noch weiter. Warum,
verdammt noch mal, kann das nicht einfach mal zügig gehen???
Irgendwann
bekam ich dann endlich alle meine Papiere. Der Chef verabschiedete
sich höflich und entschuldigte sich für die defekte Kamera. Jutta
durfte endlich zum Auto kommen. Und dann hieß es doch tatsächlich:
„ Nu dawei, dawei!“ Ich konnte mir eine Bemerkung auf englisch
nicht verkneifen, dass sie uns vier Stunden haben warten lassen, und
nun kann es nicht schnell genug gehen.
Jutta
war halb verdurstet, mir ging es nicht viel besser. Man kann sagen,
vier Stunden, die wir ganz schnell abhaken und vergessen wollen. Wir
fragen uns nur, warum so ein Theater veranstaltet wird. Sehen wir wie
Terroristen oder Schmuggler aus???
Wir
fuhren bis zum Ort Denav und wollten dort auf einem
Hotelparkplatz übernachten. Wir brauchen ja eine Registrierung, und
die stellen nur Hotels aus. Die Rezeptionistin wollte uns keine
Registrierung geben, wenn wir nur auf dem Parkplatz stünden. Ein
Zimmer war uns dort aber zu teuer. Bei zwei weiteren Hotels gab es
erst gar keinen Parkplatz. 15 Kilometer weiter fanden wir noch ein Hotel,
die konnten aber keine Registrierung ausstellen. Und nun?
Weiterfahren,
irgendeine Lösung findet sich immer. Die Landschaft hatte sich
inzwischen völlig verändert. Wir fuhren erst durch eine Art
Dünenlandschaft. Auf den Dünen standen vereinzelt Häuser, zwischen
den Dünen wurde Getreide und Baumwolle angebaut. Allmählich
verschwanden sowohl die Häuser als auch jegliches Grün. Es war nur
noch Wüste. In der Dämmerung folgten wir einer Fahrspur weg von der
Straße hinter eine hohe Düne, und schon hatten wir einen guten
Stellplatz. Könnt ihr nachfühlen, wie herrlich das kühle Bier mit
Blick auf die ersten aufleuchtenden Sterne und bei einsetzendem
kühlendem Wind geschmeckt hat?
doch noch einen ruhigen Platz gefunden |
19.
August 2015
Noch vor
Sonnenaufgang standen wir auf. Ein Schäfer trieb seine Schafherde
nahe an uns vorbei. Wir fragen uns immer wieder, wie die Tiere
überleben können. Außer völlig vertrocknetem Gras, das aber nur
wenige Millimeter lang ist, und stachligen, verdorrten Kräutern ist
hier nichts, was sie fressen können. Die Tiere sahen aber gesund und
wohl ernährt aus. Das Gebiet hier sieht aus wie in der Mongolei:
völlig überweidet.
Wir
erreichen die M39, auf der wir bis Samarkand fahren wollen. Doch
schon wieder heißt es STOPP! Eine Kontrollstelle der Polizei. Unsere
Daten werden säuberlich handschriftlich in ein Buch eingetragen,
dann dürfen wir weiterfahren. Bei vielen der Einheimischen wird das
ganze Gepäck kontrolliert. Keine Ahnung, was hier läuft.
Schließlich liegt die Grenze schon weit hinter uns. Es war nicht die
letzte Kontrolle. Auf den 300 km bis Samarkand wurden wir noch vier
oder fünf Mal gestoppt oder kontrolliert. Haben die hier den
Kontrollzwang wie zu Sowjetzeiten? Mit dieser Vermutung liegen wir
gar nicht so daneben, wie uns später bestätigt wird.
Auf
inzwischen fast durchgehend guter Straße rollen wir dahin. Die Wüste
liegt hinter uns. Uns fällt auf, dass die Menschen hier
offensichtlich Blumen lieben. Oft zieren ganze Blumenbeete die
kleinen Gärten, selbst am Straßenrand blühen manchmal Rosen oder
andere Blumen. Es sieht alles irgendwie europäischer aus. Und sie
lieben Ausländer. Oder wie soll man es deuten, wenn uns ständig
zugewunken wird. Und noch etwas sticht uns in Auge. Hier gibt es
unheimlich viele hübsche Frauen. Vielleicht liegt es daran, dass sie
alle Kleider tragen, lang, bis zum Boden reichend, in allen Farben.
Die meisten Frauen sind schlank, zumindest die jüngeren. Manche
tragen ihre mitunter extrem langen, bis über den Po reichenden
schwarzen Haare offen oder zum Pferdeschwanz gebunden, andere
verbergen sie unter dem traditionellen Kopftuch.
Wir
klettern mit unserem Gecko wieder mal über einen Pass, diesmal aber
nur in 1700 m Höhe, und genießen die hier etwas kühlere Luft. Und
wir merken, dass hier öfter Touristen herkommen, denn die Kinder
kennen das Wort „Hallo“ und sie betteln ziemlich aggressiv um
Bonbons und Kulis.
bizarre Berglandschaft |
Jutta beim Einkaufen |
auf der Passhöhe |
In
Samarkand hatten wir wieder mal einen Stellplatztipp, der sich aber,
wie so oft, für uns als unbrauchbar herausstellte. Ganz in der Nähe
aber fanden wir ein kleines B&B-Hotel, in dem wir uns
einmieteten. Wir brauchen bei dieser extremen Hitze dringend mal
wieder eine Dusche! Gegen 14 Uhr kamen wir hier an. Das Thermometer
zeigte 44,5 Grad im Schatten! Im Hotel bekamen wir erst mal Tee und
Wassermelone geschenkt. So empfängt man hier Gäste! Über das
Zimmer breiten wir mal den Mantel des Schweigens. Wir sind zufrieden,
dass wir duschen können. Außerdem gibt es einen großen
Schwenkventilator, der uns die Hitze erträglicher machen wird.
Am
späten Nachmittag bummelten wir durch die historische Altstadt. Das
Pflaster strahlte immer noch Hitze ab. Halb acht abends zeigte das
Thermometer immer noch 33 Grad.
Einer
dieser historischen Gebäudekomplexe, der praktisch vor unserer
Haustür liegt, ist komplett abgesperrt. Hier wird für ein
internationales Musikfestival geprobt, das am 26. August stattfinden
wird. Unmengen von Polizisten sichern das Gelände ab. Die
historischen Gebäude werden in herrlichen, wechselnden Farben
beleuchtet. Fotografieren verboten, macht mir ein Polizist höflich
und bestimmt klar. Aufregen nützt nichts. Ein Stück abseits machte
ich dann doch noch meine Fotos.
Eine
Frage blieb offen: Wie werden wir die Nach bei dieser Hitze
überstehen?
20.
August 2015
Der
Ventilator war schon sehr hilfreich. Er pustete die ganze Nacht die
Luft über uns hinweg. Gegen Morgen kam dann das Gefühl auf, dass es
doch etwas abkühlte. Trotzdem war das Kopfkissen patschnass
geschwitzt.
Ein
unerwartet reichliches Frühstück ließ uns gut in den Tag starten.
Heute nun sollte ein Kindheitstraum von mir wahr werden. Als kleiner
Junge las ich unheimlich viel und gerne, unter anderem auch über
Samarkand und Buchara. Für mich war das der Inbegriff von Exotik und
damals schier unerreichbar. Jetzt, mehr als 50 Jahre danach, bin ich
tatsächlich hier. Ein Traum wird wahr...
Schade
nur, dass, wie schon in Moskau der Rote Platz, hier wieder mal eine
Sperrung uns aufhielt. Kurz nach 11 Uhr durfte man dann jedoch die
alten Gebäude besichtigen. Eine Schilderung und Beschreibung der
Gebäude und deren Architektur erspare ich euch und mir. Schaut euch
einfach die Bilder an. Für mich war heute ein ganz besonderer Tag...
Die
extreme Hitze trieb uns dann doch am frühen Nachmittag wieder ins
Hotel. Eine Nacht bleiben wir noch hier. Morgen soll dann mit Buchara
der zweite Teil meines Kindheitstraumes in Erfüllung gehen.
Bis
bald, liebe Mitreisende, bleibt schön neugierig...
der Gegenwert von 200 $: 800000 Sum = 800 Scheine |
Restaurierungsarbeiten |
die Blumen werden vor der sengenden Sonne geschützt |